Die „Outdoor by ISPO“-Messe 2023 brachte Anfang Juni mehr als doppelt so viele Aussteller wie im Jahr davor nach München. Im Mittelpunkt der Über­legungen vieler Hersteller: der Weg hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft.

Christof Domenig
Christof Domenig

Verglichen mit der ­„Comeback-Messe“ nach Corona, der letztjährigen Outdoor by ISPO, hat sich das heurige große Treffen der weltweiten Outdoorbranche und -community Anfang Juni deutlich vergrößert. 661 statt 310 Aussteller füllten die Hallen- und Freiflächen im „MOC“ in München bis auf den letzten von 35.000 Quadratmetern, und präsentierten ihre Produkt-­Neuheiten für die Sommersaison 2024 rund 9000 Fachbesuchern aus 88 Ländern. Wobei das Wachstum an Ausstellern zu einem großen Teil auf Hersteller aus den USA und China entfiel, aber auch die eine oder andere prominente Marke aus dem deutschsprachigen Raum neu vertreten war, beispielsweise ­adidas TERREX oder On.

Wenn wir schon bei Zahlen sind: die präsentierte auch wieder die European Outdoor Group, der Zusammenschluss der europäischen Outdoorbranche. Demnach wurde 2022 europaweit ein Umsatz von 6,1 Milliarden Euro mit Outdoor-Ausrüstung erwirtschaftet, ein Plus von 11,5 % im Vergleich zu 2021. Outdoor boomt also unverändert. Das größte Wachstum entfiel auf Schuhe (20,4 %) und Zubehör (19,1 %), während etwa die Bereiche Kletterausrüstung und Zelte vergleichsweise moderat wuchsen.

Beim Schlendern durch die Hallen und über die Freiflächen sowie bei Gesprächen mit Ausstellern und Gästen wurde klar: Nachhaltigkeit, Klimaschutz und heuer insbesondere das Thema Kreislaufwirtschaft stehen im Fokus der Branche. Auch der auf der Messe vorgestellte „Consumer Insight Report“ der ISPO zeigte, wie wichtig Nachhaltigkeit und Klimaschutz den Outdoorsportlerinnen und -sportlern sind. So gaben etwa 38 Prozent der für den Report Befragten an, ­zu einer anderen Marke als ihrer gewohnten wechseln zu wollen, sofern diese andere Marke klima­freundlicher ist. 

6,1 Milliarden Euro wurden 2022 mit Outdoor-Ausrüstung europaweit erwirtschaftet, 11,5 % mehr als 2021.

Ohne Kreislaufwirtschaft, so der allgemein vernehmbare Tenor, werden die angestrebten CO2-Einsparungsziele nicht erreicht werden können. Statt ständig neuem Ressourceneinsatz geht es also darum, bestehende Ressourcen wieder und wieder einzusetzen – im Idealfall in einem geschlossenen Kreis. Es geht aber eben auch darum, einmal Produziertes so lange wie möglich zu nutzen – und erst nach diesem möglichst langem Zeitraum im Einsatz zu recyceln.

Vaude und Nemo Equipment sind beispielhaft zwei Marken, die dieses Prinzip anhand konkreter neuer Produktgruppen in den Mittelpunkt stellten. Letztere mit der „Endless Promise“-Serie, wo jedes Produkt so konzipiert ist, dass es „reparierbar, wiederverkaufbar und am Ende recycelbar“ ist, so die Auskunft von Nemo Equipment. Den Startpunkt der Serie stellt der Schlafsack Forte dar. Vaude spricht von „ReThink!“. Sortenreinheit ist eine wichtige Voraussetzung für Recyclebarkeit und je komplexer ein Produkt, desto schwieriger ist diese herzustellen, erklärte man uns am dortigen Stand. Vaude hat auf der Messe etwa seinen ersten vollständig recycelbaren Rucksack aus einheitlichem Material vorgestellt, bei dem zudem Reparierbarkeit neu gedacht wird, mit „Verschleißteilen“, die ganz einfach entfernt und ersetzt werden können.
 

Bei mehreren Ausstellern zu sehen waren Lagenjacken, die nicht wie gewohnt aus unterschiedlichen Kunststoffen, sondern aus einem Monomaterial bestehen und damit recycelt werden können. Etwa bei den Briten Montane und dem österreichischen Hersteller Martini Sportswear. Der verwendete Funktionsstoff heißt Pertex Shield Revolve: Bei diesem sind das Obermaterial wie die Membran und das Trägermaterial nicht nur aus (einheitlichem) recyceltem Polyester gefertigt, sondern können am Ende des Lebenszyklus komplett wiederverwertet werden.
 

Sortenreinheit ist eine wichtige Voraussetzung für die Recycelbarkeit eines Produkts.

Eine andere österreichische Marke, Löffler, fiel durch die erste Kollektion mit vollständig transparenter Lieferkette auf. Und zwar nachvollziehbar auch für den Endverbraucher. Möglich wird das durch eine Zusammenarbeit mit „retraced“, einer Plattform für Nachhaltigkeit und Traceability. Mittels Scan eines QR-Codes werden alle Stationen des Herstellungswegs des jeweiligen Produkts aufgeschlüsselt.

Einblicke zu geben und Transparenz zu schaffen bei der Herstellung von Merino-Rohwolle, war ein Anliegen bei Devold of Norway – der Woll-Pionier lud zum Medien-­Gespräch mit neuseeländischen Schafzüchern. Für ein anderes Naturprodukt warb Thomas Heinen von „Heinen Leder“ leidenschaftlich an seinem Stand: Der Lieferant für Bergschuh-Produzenten wie etwa Hanwag oder Mammut gab beispielsweise zu bedenken, dass Leder durch die Fleischindustrie ohnehin anfalle und viele Häute mittlerweile vernichtet statt verwertet würden. Oder dass hochwertige Lederschuhe, sofern sie wiederbesohlbar sind, 15 Jahre in Verwendung sein könnten. Das Thema „Wiederbesohlbarkeit“ wurde ebenfalls erneut bei vielen Schuhherstellern bei ihren neuen Produkten aufgegriffen, etwa bei La Sportiva.

Auf Zirkularität setzt auch Hosenspezialist Maier Sports und nutzt dabei NFC-Chips, um die Materialien nachverfolgen und am Ende des Produktlebens dem Recycling zuführen zu können. Das Thema zog sich nicht zuletzt auch durch die mit einem ISPO Award prämierten Produkte – und es steht auch bei unseren subjektiven ­„Messe Top 6“ im Mittelpunkt.