Aus dem Herminator ist ein Genuss-Skifahrer geworden, der die Einsamkeit auf Touren liebt. Hermann Maier im Interview über die Faszination Skitour, sein Verhältnis zur Natur und was ein Schnitzel mit Geschwindigkeit zu tun hat.

Michael Schuen

Was fasziniert dich am Skitourengehen?
Die Unabhängigkeit. Die Bewegung in und die Beschäftigung mit der Natur. Die Ruhe und die Einsamkeit. Und natürlich die Aussicht auf prächtige Abfahrten. Es ist jedes Mal ein kleines Abenteuer.
 
Wie bist du eigentlich dazu gekommen?
Das ist schon sehr früh passiert. Die große Leidenschaft ist ja seit jeher das Geländefahren. Und was bietet sich da mehr an, als die Tourenski anzuschnallen. Allerdings ist es auch vorgekommen, dass man mit den Alpinski in irgendeinem Graben gelandet ist und dann wieder hinaufstapfen musste. Aber das ist ein anderes Thema und hat nicht direkt etwas mit Skitouren zu tun.
 
Wärst du / bist du ein guter Guide?
Die Frage ist, was man darunter versteht. Mir stellt sie sich in dieser Form eher nicht, weil ich ja, wie schon angedeutet, sehr gerne alleine unterwegs bin. Und die Freunde, die mich ab und zu begleiten, können recht gut auf sich selber aufpassen.

Wie extrem betreibst du das Tourengehen? Schaust du da noch auf die Stoppuhr – rauf wie runter?
Von extrem kann keine Rede sein. Allerdings ist das auch Ansichtssache. Auf jeden Fall ist entscheidend, dass man unter keinem Leistungsdruck steht, das Tourengehen als Freizeitbeschäftigung sieht und es genießt. Voraussetzung dafür ist natürlich ein gewisses Maß an Fitness. Aber die ist auch für vieles andere kein Nachteil.

Wie fit bist du noch? Im Vergleich zur aktiven Zeit? 
Kein Vergleich, aber fit genug, um – sofern die Zeit es zulässt – alle möglichen körperlichen Aktivitäten mit dem maximalen Genuss zu betreiben.

Du wärmst dich vorm Tourengehen also nicht am ­Ergometer auf?
Da ich auch hier keine sportlichen Ziele mehr verfolge, ist das zum Glück nicht mehr notwendig.
 
Und generell? Hast du einen Lawinenkurs besucht oder dich sonst wie speziell auf den Sport vorbereitet? 
In der Skilehrerausbildung, vom Landesskilehrer bis zum staatlich geprüften Skilehrer, war das ein umfangreicher Teil, auf den großer Wert gelegt wurde. Das Um und Auf ist allerdings die Erfahrung. Und die kommt mit den Jahren.
 
Bist du immer mit Airbag, LVS-Gerät und Co unterwegs oder gehst du auch Touren im sanfteren Gelände?
Man darf auch sogenanntes sanfteres Gelände nicht unterschätzen. Da kommt es drauf an, woraus der Untergrund besteht, wie gut der Schnee damit verbunden ist und wie der Schneedeckenaufbau ausschaut. Auch aus Trainingszwecken ist es außerdem nicht schlecht, sich an das Gerät zu gewöhnen und die Ausrüstung in den Rucksack zu packen. Vielleicht ergibt sich ja auch einmal die Gelegenheit, damit ein bisschen zu üben.
   
Gibt es Empfehlungen für Anfänger?
Zunächst ist es ratsam, sich bei der Auswahl des geeigneten Materials beraten zu lassen. Bei den ersten Ausflügen ins Gebirge ist es von Vorteil, einen erfahreneren Tourengeher zu begleiten. Der Rest ist eine Frage des körperlichen Zustands. Zum Üben eignen sich am besten Pisten, wo es erlaubt ist, sich mit Tourenausrüstung bergauf zu bewegen. Allerdings müssen auch da die Regeln unbedingt eingehalten werden.

Hauptsache Pulverschnee, Sonnenschein und wenig Menschen.

Hermann Maier

Darf man seine Lieblingstouren verraten oder ist das wie beim Schwammerlsuchen: Die besten Plätze vererbt man höchstens?
Der Vergleich mit dem Schwammerlsuchen ist nicht so schlecht. Wobei – weil es immer mehr Tourengeher gibt, sind auch die sogenannten Geheimtipps lange nicht mehr wirklich geheim. Bei der Wahl der richtigen Tour ist eine gewisse Orts- und Geländekenntnis von großem Vorteil. Und natürlich muss man sich genau über die aktuelle Schneelage und die Lawinensituation erkundigen. Dennoch, ein Restrisiko kann man nicht ausschließen.
 
Wie wichtig ist die Materialfrage beim Tourengehen?
Natürlich ist das für die jeweiligen Verhältnisse richtige und richtig gewartete Material sehr, sehr wichtig, vor allem wegen der Sicherheit. Wenn da etwas zu Bruch geht, stellt einen das im Gelände vor Herausforderungen, sowohl beim Raufgehen als auch beim Runterfahren.
 
Welche Art von Abfahrt bevorzugst du?
Da bin ich nicht besonders wählerisch. Hauptsache Pulverschnee, Sonnenschein und wenig Menschen.
 
Würde ein Skitag auf normalen Pisten überhaupt schon wieder gehen? Oder wäre die Fantraube bald zu groß? Oder rauscht du eh immer allen davon?
Die Zeiten, in denen Rennpisten für unsereins gesperrt wurden, sind zum Glück schon lange vorbei. Und nach dem Rücktritt 2009 war eine Entschleunigung ganz entscheidend. Nur wenn irgendwo ein Schnitzel oder ein frischer Germknödel wartet, geht es ab und zu schon noch ein bisserl flotter dahin...
 
Wie viele Skitage im Jahr hast du noch und wie sieht so ein privater Skitag von Hermann Maier aus? 
Ich zähle da nicht mit. Ich weiß nur, dass es bestimmt nicht mehr so viele Skitage sind wie zu Rennfahrerzeiten.  Jetzt kommt es halt mehr auf die Qualität und den Genuss an. Und das heißt, die jeweiligen Bedingungen perfekt auszunützen, ob auf der Piste, im Gelände, beim Telemarken, beim Langlaufen oder beim Spazierengehen

Jetzt kommt es halt mehr auf die Qualität und den Genuss an. Und das heißt, die jeweiligen Bedingungen perfekt auszunützen.

Hermann Maier

Und, weil es sein muss: Wie hast du die Corona-Krise erlebt? War der Lockdown für dich auch gar positiv? Weil du „Ruhe“ hattest? 
Dieser Situation kann sich kein Mensch entziehen. Und ich weiß nicht, wie man dem Ganzen Positives abgewinnen könnte – außer vielleicht, dass ein gewisser Zusammenhalt bemerkbar wurde. Bleibt nur zu hoffen, dass der auch noch eine Zeit lang anhält. Jedenfalls gibt es kaum eine bessere Gelegenheit, sich dem Ganzen zu entziehen als auf einer Skitour, physisch und psychisch.
 
Thema Klimawandel: Löst der in dir Betroffenheit aus, Umdenken oder siehst du das entspannt?
Natürlich macht man sich da seine Gedanken. Und man versucht, den eigenen Kopf einzuschalten und sich an Vorgaben zu halten. Ich finde schon, dass die Diskussion zumindest bewirkt, dass sich die Menschen jetzt schon einmal ein bisschen intensiver mit der ganzen Thematik beschäftigen.
 
Hast du durch deine Dokus auf ORF ein neues Verhältnis zur Natur gefunden?
Ich glaub, ein inniges Verhältnis zur Natur ist Voraussetzung dafür, dass diese Universum-Reihe überhaupt zustande kommt und scheinbar auch den Zuschauern recht gut gefällt. Da geht es mehr darum zu zeigen, was Österreich alles zu bieten hat. Und das ist, wie ich nach sieben Folgen sagen kann, schon ziemlich beeindruckend. 
 
Letzte Frage: Wächst auf der Wiese in Nagano eigentlich schon wieder Gras?
Das fragt ihr am besten die japanischen Schafe...