Das Skibergsteiger-Duo Johanna Hiemer und Paul Verbnjak hat für Österreich ein Ticket für Milano-Cortina 2026 gelöst. Ein Gespräch zur bevorstehenden olympischen Premiere ihrer „beinharten Sportart“.
Ihr habt gemeinsam das Olympia-Ticket im Mixed Relay fixiert – wie habt ihr den Moment erlebt?
JOHANNA HIEMER: Man muss zuallererst sagen, dass wir das Ticket nicht für uns als Personen, sondern für Österreich geholt haben. Aber natürlich war das eine riesige Erleichterung.
PAUL VERBNJAK: Es waren gemischte Gefühle. Einerseits war es echt cool, dass wir das Ticket bekommen haben, andererseits war es wieder einmal der vierte Platz. Da hat die Enttäuschung zuerst ein bisschen überwogen, bevor wir gecheckt haben, dass wir zu Olympia fahren.
Für alle Nicht-Insider im Wettkampf-Skibergsteigen: Wie kann man sich den Bewerb Mixed-Relay vorstellen?
JH: Man geht einen Parcours durch, den man möglichst schnell absolvieren muss. Zum Beispiel: die Ski schnell auf den Rücken und wieder hinunter bekommen, die Felle von den Ski ziehen und nach der Abfahrt die Felle wieder aufkleben – und das alles innerhalb von Minuten.
PV: Viele fragen mich, warum dabei Elemente wie „Ski auf den Rucksack“ – wir nennen das Diamanten – eingebaut werden. Das sind klassische Elemente des Skitourengehens, die so quasi ins Stadion gebracht werden.
Wie trainiert ihr dafür?
PV: Das Training ist sehr komplex geworden. Von den endlosen Stunden wie früher ist man komplett weggegangen. Alles wird immer schneller und spritziger, speziell was Sprint und Mixed Relay angeht. In einem Sprint haben wir 1,5 Minuten Laufzeit und zusätzlich 20 bis 25 Sekunden nur für die Wechsel. Verliert man da fünf Sekunden, holt man das im Laufen nie mehr auf. Das Rennen entscheidet sich oft in der Wechselzone.
JH: Für diese kurzen, intensiven Disziplinen trainiert man viel mit Kraftelementen. Man muss viele kurze Sprints und Intervalle einbauen, damit man wirklich voll da ist. Für den Kopf ist es sehr zermürbend, weil man genau weiß: Jeder falsche Handgriff kostet wichtige Sekunden. Das auszublenden, ist die große Kunst.
Was erhofft ihr euch persönlich von der Olympia-Premiere?
PV: Das ist bei mir schnell beantwortet: Ich fahre zu Olympia für eine Medaille. Natürlich finde ich es generell cool, dabei zu sein – aber wenn ich schon dabei bin, soll es sich auch auszahlen.
JH: Ich hätte mich vor vier Jahren nicht getraut zu träumen, dass es so weit kommt. Jetzt ist es auch bei mir so: Es muss das Ziel von jedem Sportler sein.
Milano-Cortina wird für Skibergsteigen ein riesiges Schaufenster: Spürt ihr dadurch einen gewissen Druck?
JH: Ich finde es schön für unsere Sportart, dass sie endlich eine Bühne bekommt. Ich bin da tiefenentspannt.
PV: Eher im Gegenteil – es ist eine Motivation. Man weiß ja, wofür man trainiert. Es spiegelt sich auch bei den Sponsoren wider. Mittlerweile ist es viel einfacher als früher, was Bundesheer-Plätze oder Spitzensportförderungen angeht, sodass man davon leben kann.
Das heißt, Skibergsteigen bekommt mehr Sichtbarkeit und wird besser wahrgenommen. Ist das in Österreich tatsächlich so?
PV: Auf jeden Fall. Auch beim Bundesheer hat sich viel getan. 2017 haben wir mit einem Platz angefangen. Mittlerweile haben wir sieben Bundesheer-Plätze und bei Polizei und Zoll je einen.
JH: Es ist super, dass unser gesamtes Team versorgt ist – das verdanken wir auch Olympia. Ohne Olympia gäbe es diese Plätze nicht.
PV: Genau. Nur vom Preisgeld allein kann man bei uns nicht leben, aber mit Förderungen und Sponsoren geht es.
Johanna, siehst du das auch so? Du bist ja in keiner Institution und arbeitest nebenbei.
JH: Genau. Ich arbeite Teilzeit. Mein Mann hat drei Fitnessstudios, dort bin ich angestellt.
Doppelbelastung ist bei euch beiden ein großes Thema: Johanna, du bist Spitzensportlerin, Mama und berufstätig. Paul, du bist Skibergsteiger und mittlerweile in einem Profiradteam.
JH: Ich möchte vorweg sagen, dass ich es irre finde, was Paul körperlich und sportlich leistet. Das wäre für mich unvorstellbar.
PV: Ja, mir geht es da genauso (lacht).
JH: Die Doppelbelastung ist grundsätzlich gut zu ertragen. Für mich ist oft die größte Herausforderung, dass ich nicht zu Hause bin. Am schönsten war es, wenn meine Familie dabei war. Ich habe mir damals vorgenommen: Okay, das sind jetzt vier Jahre und das schaffe ich. Olympia ist für unsere Sportart momentan das Höchste, was man erreichen kann.
Paul, in einem Interview hast du früher mal gesagt, du musstest dich mit 15 entscheiden, ob Radfahren oder Skibergsteigen – weil nur eines von beiden geht.
PV: Es kommt oft ein bisschen anders. Ich habe immer viel am Rad trainiert, daher hat sich nicht viel verändert – außer dass ich aktuell mehr in der Kraftkammer bin. Die Chance, für so ein Team (Lidl-Trek Future Racing, Anm.) zu fahren, ist schon etwas ganz Besonderes. Der Fokus bis zu den Olympischen Spielen liegt aber ganz klar auf dem Skibergsteigen. Was danach passiert, sehe ich noch gelassen.
Welche Folgen erhofft ihr euch durch die Olympia-Teilnahme?
PV: Das Wichtigste wäre, dass Skibergsteigen fix ins olympische Programm aufgenommen wird. Für die Nachwuchsförderung wäre das ein enormer Vorteil. Skibergsteigen ist ein beinharter Sport, bei dem finanziell oft wenig herausschaut. Wenn das durch Olympia einen Aufschwung bekommt, hat das einen ganz anderen Reiz.
JH: Ich erwarte mir, dass endlich gesehen wird, was wir für unglaubliche Leistungen bringen. Ich finde, es ist ein Wahnsinn, was da für Sportler unterwegs sind – und das wird bisher einfach nicht wahrgenommen.

















