Lawinen-Sicherheitsausrüstung kann Leben retten – wenn der Umgang damit auch unter Stress gelingt. Der Schlüssel: regelmäßiges Training.
Auf Skitour im freien Gelände ist die Lawinensicherheitsausrüstung – LVS-Gerät, Sonde und Schaufel – Pflicht. Und auch ein Lawinenrucksack kann die Sicherheit erhöhen. Wichtig ist allerdings, die Ausrüstung sicher anwenden zu können – auch unter Stress. Genau dazu haben wir mit zwei Experten gesprochen: Stephan Skrobar, staatlich geprüfter Skiführer und im Expertenteam von Pieps, sowie Dieter Kotlaba, Senior Product Manager Safety bei Ortovox.
Für Skrobar ist klar: Regelmäßiges Training ist für eine effektive LVS-Suche das Um und Auf, „so oft und so vielseitig wie möglich“. Das beginne bei kleinen, spielerischen Übungen im Schnee, um das Gerät auch mit Handschuhen und bei widrigen Bedingungen sicher bedienen zu können. Selbst im Sommer eigne sich das LVS-Gerät für Suchspiele „im Haus, im Wald oder auf der Wiese: eine fantastische und kurzweilige Möglichkeit, sich mit dem Gerät vertraut zu machen – für alle Altersstufen“.
Ein- bis zweimal pro Winter empfiehlt Skrobar ein realistisches Lawinenszenario mit anschließender Fehleranalyse zu entwerfen. „Das schult auch das Bewusstsein, dass die LVS-Suche bei einem Lawinenabgang nur ein Teil der gesamten Rettungskette ist.“ Fehler entstünden vor allem durch „Nerven schmeißen und hektisch agieren.“ Sein Ansatz: „Slow down. Slow is smooth, and smooth is fast.“ Beim Umstieg auf ein neues Gerät gilt es ebenfalls zu üben: „Nicht, weil der Suchprozess mit verschiedenen Geräten unterschiedlich abläuft – aber die Geräte unterscheiden sich oft darin, wie Informationen am Display dargestellt und akustisch vermittelt werden. Die Wahrnehmung und richtige Interpretation dieser Reize soll automatisiert werden.“
Airbags: Auslösen automatisieren
Auch bei Lawinenrucksäcken sei Routine entscheidend, erklärt Dieter Kotlaba: „Entscheidend ist, Mechanismen so zu verinnerlichen, dass sie automatisiert ablaufen.“ Ein Vorteil elektronischer Systeme wie Ortovox’ Avabag LiTRIC: „Das Auslösen kann geübt werden, ohne dass Kosten entstehen.“ Wer den Griff regelmäßig zieht, festigt die Bewegung. „Zu Beginn jeder Wintersaison mindestens einmal die Auslösung trainieren – das schafft Sicherheit und Vertrauen.“ Zusätzlich empfiehlt Kotlaba, die Handlung auch mental durchzuspielen – ähnlich wie Skirennläufer vor dem Start ihre Abläufe visualisieren.
Häufigster Fehler? Das System wird im Ernstfall zum ersten Mal ausgelöst. „Ein weiterer klassischer Fehler ist das Verwenden von Stockschlaufen“, so Kotlaba, „sie erschweren das Wegwerfen der Stöcke, was nicht nur das Ziehen des Airbaggriffs behindert – die Stöcke wirken wie Anker und können den Auftriebseffekt des Airbags negativ beeinflussen.“
Für ein realistisches Training empfiehlt Kotlaba, den Rucksack mit Gewicht zu befüllen und mit Handschuhen und Stöcken zu üben. „So steigt die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass das Auslösen im Ernstfall automatisiert funktioniert.“ Wichtig, auch wenn es banal klingen mag: die Gebrauchsanleitung aufmerksam lesen – am besten zu Beginn jeder Saison wieder. Und auf Tour: die konsequente Verwendung der Beinschlaufe sowie die Kontrolle des Auslösegriffs – „in Gondeln gesperrt, am Berg entsichert“. Rund die Hälfte aller Lawinenunfälle geschieht im Aufstieg – auch hier muss der Griff also entsichert und die Beinschlaufe angelegt sein.