Der klassische Bergfahrer war ich nie – zumindest nicht vom Körperbau her. Die typischen Kletterer am Rennrad sind gefühlt halb so schwer, wie ich es in meiner Biathlon-Zeit war. Rein objektiv betrachtet war der Alpenpass also nie mein ideales Metier.
Aber ehrlich: Ich habe es immer geliebt. Seit ich das Rennrad als Trainingsmittel genutzt habe, bin ich stets am liebsten bergauf gefahren. Ich hatte das Ziel lieber oben als irgendwo im Flachen. Das Gewicht meiner Muskeln war mir egal, ich habe sie gerne raufgetragen.
Ich habe die Anstiege immer gesucht wie andere das Café am Ende der Runde. Wenn kein Pass in Reichweite war, reichte auch ein kleinerer Hügel – Hauptsache: oben ankommen. Ein Grund dafür liegt sicher in der Ehrlichkeit des Berges. Im Anstieg gibt es kein Verstecken im Windschatten, keine Gruppe, die einen mitzieht. Da zeigt sich, wer wirklich etwas kann. Es trennt sich die Spreu vom Weizen – nicht nur bei den Amateuren, auch bei den Profis. Wenn es bergauf ins Ziel geht, gewinnen nur die, die die Kapazitäten und die Beine dafür haben.
Natürlich war ich durch meine Muskelmasse auch begrenzt. Ein, zwei Pässe gingen gut – beim dritten hat der Sumi meistens Probleme bekommen. Da hilft dir auch das beste Lungenvolumen oder die stärkste Herzkapazität nichts mehr – die Muskulatur braucht Versorgung, und je mehr davon da ist, desto mehr fordert sie. Die Leichtgewichte hatten da ganz klar einen Vorteil.
Im Anstieg gibt es kein Verstecken im Windschatten, es trennt sich die Spreu vom Weizen.
Ein Höhepunkt meiner bergigen Erinnerungen? Sicher das Großglocknerrennen von der Salzburger Seite. Inkognito gestartet, mit einem Spezl um sechs Uhr in der Früh los – bei einstelligen Plusgraden und strömendem Regen. Ich wollte den Glockner sehen, das war der Plan. Bekommen habe ich Schnee, null Sicht und ein völlig durchnässtes Gewand. Oben dann nur: zittern, umdrehen, runterfahren. Kein Blick auf den Glockner, aber ein Erlebnis, das sich eingebrannt hat. So ist der Berg – der hat seine eigenen Regeln.
Heute bleibe ich oben gerne mal stehen, schaue zurück auf die Kehren, die ich raufgekurbelt bin. Der Pass ist nicht mehr nur ein Etappenziel – er ist das Ziel. Und den Glockner? Den fahre ich sicher auch wieder einmal. Nicht im Renntempo, sondern zum Genießen. Zum Schauen. Und hoffentlich mit Aussicht.