Als Profi fuhr er die Tour de France. Heute ist Thomas Rohregger für den Lidl-Konzern unterwegs und hat vor allem eins: wenig Zeit. Wir haben ihn gefragt, wie er es trotzdem schafft, sich den Freiraum zu schaffen – für sich und seine Liebe zum Sport.
Thomas, heute schon Sport gemacht?
Heute tatsächlich noch nicht! Aber ich habe ein gutes Alibi: Die vergangenen drei Tage von Freitag bis Sonntag habe ich einen intensiven Dreierblock mit jeweils fünf Stunden auf dem Rad verbracht.
Was für Touren waren das?
Ich wohne im Alpbachtal in Tirol, von hier gibt es herrliche Routen bis zum Tegernsee in Bayern. Einen Tag saß ich auf dem Rennrad, zwei Tage war ich auf dem Gravel-Bike unterwegs.
Alleine oder mit Freunden?
Sowohl als auch: einen Tag hat mich meine Freundin ein Stück begleitet, einen Tag war ein Kumpel dabei und einen Tag war ich alleine.
War dieser Dreierblock so geplant? Oder hattest du drei Tage in Folge Lust, im Sattel zu sitzen?
Während meiner Zeit als Profi sind wir solche Dreier- oder auch Viererblocks häufig gefahren, und ich hatte es mir genauso vorgenommen. Das Wetter hat perfekt mitgespielt und am heutigen Montag fühle ich mich in der idealen Verfassung, in eine neue Arbeitswoche zu starten.
Nicht müde vom Radeln?
Ich habe ein paar Hundert Kilometer abgespult, fühle mich trotzdem erfrischt. Die Körperspannung, seine Muskeln zu spüren, geschwitzt zu haben, die Gerüche im Wald, das Zwitschern der Vögel, das Spiel von Licht und Schatten, die frische Luft – all das reinigt den Körper und die Seele.
Warum ist der Sport so wichtig für die Seele?
Weil ich dabei spüre, wer ich bin und was mir wichtig ist. Während des Sports bin ich voll bei mir. Hier kann ich mich von alten Gedanken verabschieden und neue Gedanken fassen.
Als Profi fuhrst du die legendären Grand Tours, der Sport war dein Beruf und dein Leben. Wie blickst du heute darauf zurück?
Ich durfte viel erleben, Freunde finden und faszinierende Menschen kennenlernen. Natürlich gab es Tage, an denen wir sechs Stunden bei fünf Grad im Regen unterwegs waren. Das bräuchte ich heute nicht mehr. Aber es sind wunderschöne Erinnerungen, die noch immer sehr präsent sind.
Warum hast du deine Profikarriere 2013 beendet?
Ich war 30 Jahre alt und habe gespürt, dass mir diese letzten Prozentpunkte fehlen, um wirklich zu einhundert Prozent alles für den Profisport zu geben. Irgendwie hat mich die Welt der Businessleute angezogen. Also habe ich an der Uni Innsbruck BWL und Jura studiert, war als Wirtschaftsanwalt bei Deloitte und habe mich dann der Schwarz-Unternehmensgruppe angeschlossen.
Stress? Mir tut es gut, auch beruflich in Bewegung zu sein. Sport ist dabei wichtig, um mental in Balance zu bleiben.
Dort bist du heute als Vice President Partnerships für Lidl tätig. Was ist deine Aufgabe?
Wir betreuen Kooperationen in 31 Ländern, von Sponsorships wie dem Lidl-Trek Radteam über Partnerschaften mit dem WWF bis zu Markenbotschaftern wie Arnold Schwarzenegger. Es geht von der Strategie, wer zur Marke passt, über Vertragsverhandlungen bis zur Umsetzung von Kampagnen.
Klingt nach einer Menge Arbeit …
Definitiv! Man sitzt schon mal Stunde um Stunde am Schreibtisch. Und gerade am Wochenende, wenn Events stattfinden, klingelt häufig das Telefon.
Früher die härtesten Radrennen der Welt, heute voll im Business. Stehst du auf Stress?
Es kann schon mal stressig sein, aber mir macht das Spaß. Ich bin ein Mensch, der weniger von einem Burnout als eher von einem Boreout gefährdet wäre. Zwischenzeitlich hatte ich mal weniger zu tun und das hat mich viel mehr gestresst. Mir tut es gut, auch beruflich in Bewegung zu sein. Der Sport ist wichtig, um dabei mental in Balance zu bleiben.
Wie nimmst du dir Zeit für Sport, wenn du keine Zeit hast?
Bei mir kommt der Drang nach Bewegung in Wellen. Nach einem harten Arbeitstag liege ich schon mal platt auf dem Sofa und mache gar nichts mehr. Ansonsten schnappe ich mir unter der Woche gerne mal die Laufschuhe, zudem haben wir bei uns im Headquarter zwei eigene Fitnessstudios.
Und so eine lange Ausdauereinheit an einem Freitag?
Muss ich mir blocken. Da ich meinen Terminkalender nicht mehr selbst manage, ist es umso wichtiger, dass ich mir meine Zeit für den Sport proaktiv einräume und wirklich fixiere. Aber es ist immer eine gute Investition, weil ich danach umso effizienter arbeiten werde.
Was empfiehlst du Hobbysportlern, die sich nicht aufraffen können?
Mir hilft es, mich in die Person hineinzuversetzen, die ich nach dem Sport sein werde. Man fühlt sich besser und wer das vor Augen hat, der wird es in den meisten Fällen auch schaffen, sich aufzuraffen. Es muss ja kein Intervalltraining sein. Ein wenig Bewegung reicht vollkommen aus. Wichtig ist es, in sich hineinzuhören, zu spüren, was einem gut tut … und den Sport nicht als Zwang zu sehen.
Hast du viel von deiner Zeit als Profi in deine berufliche Karriere mitgenommen?
Ja, und es hilft mir wirklich. Ich versuche beständig zu arbeiten und in stressigen Situationen lösungsorientiert vorzugehen, um so schnell wie möglich wieder freie Fahrt zu haben. Das hat viel vom Mindset als Sportler. Außerdem lege ich in meinem Team großen Wert auf eine klare Zielsetzung und die Analyse, was in Projekten gut oder weniger gut lief, um daraus zu lernen.
Was hat dir der Sport fürs Leben gegeben?
Beim Giro d’Italia 2011 ist mein Teamkollege Wouter Weylandt auf einer Abfahrt tödlich verunglückt. Das sind Gefühle, die du immer bei dir trägst. Es hat mich gelehrt, dem Leben mit Dankbarkeit zu begegnen und den Moment zu schätzen. Es geht nicht um ein neues Auto oder eine neue Uhr. Es geht darum, sich wirklich Zeit zu nehmen – für die Menschen, mit denen wir arbeiten, die uns umgeben und die uns wichtig sind.