Wie sich die berüchtigte A-Strecke der Salzkammergut-Trophy anfühlt? Das haben wir drei besondere Menschen nach den 210 km mit beinharten 7119 Höhenmetern gefragt. Nein, das Ziel zu erreichen, ist kein Muss, um den Mythos mit voller Wucht zu erleben.

Christoph Heigl
Christoph Heigl

Konny Looser, der Sieger, 9:29 Stunden

Konny Looser - Sieger der Salzkammergut-Trophy

Ja, hat er sich überhaupt voll anstrengen müssen? Wer den Rennbericht auf der Homepage von Konny Looser liest, kriegt fast den Eindruck, die gefürchtete A-Strecke der Salzkammergut-Trophy, auf der mehr als 200 Teilnehmer das Ziel gar nie sehen, mit Streckenrekord zu gewinnen, sei ein Kinderspiel. „Ganz so ist es natürlich nicht“, lacht der Schweizer. Neun Stunden Rennen zu fahren, sei auch für ihn „sehr, sehr lang“. Normalerweise dauern seine Bewerbe um die sechs Stunden. Ein bisschen Nervosität und „viel Respekt“ machten sich deshalb auch bei ihm beim Start um 5 Uhr früh bemerkbar. Als Vorjahressieger wollte er natürlich seinen Titel verteidigen. „Ich habe mich gut gefühlt, das Wetter war diesmal viel besser und da ist es mit dem Aufstehen und der Motivation auch leichter.“

Konkurrenz war groß
Mit dem Deutschen Andi Seewald und dem Steirer David Schöggl hatte Looser das ganze Rennen über starke Konkurrenz. „Speziell der Andi war eine harte Nuss. Das macht es auch für mich spannend und unterhaltsam“, grinst er. „Ich beobachte seine Trittfrequenz und seinen Gesichtsausdruck und sehe, wann er eine Krise kriegt.“ Kurz vor dem Ziel setzte er sich von Seewald ab und flog in 9:29:54 Stunden zum neuen Streckenrekord. „Solo ins Ziel zu kommen, ist natürlich herrlich und besser als im Sprint wie im Vorjahr. Ich war superzufrieden und es ist genial, wie viele Leute in Bad Goisern im Ziel sind.“ Der neue Streckenrekord ist ihm persönlich nicht so wichtig. „Wichtig ist der Einser vor meinem Namen. Wäre die Salzkammergut-Trophy die WMund das Feld noch stärker, wäre die Siegerzeit sicher bei 9:00 Stunden.“ Im Vergleich zu den vielen Hobby- und Amateurfahrern bei der Trophy muss man den Sieger mit anderen Maßstäben messen.

Jährlicher Trainingsaufwand: 20.000 Kilometer am Bike
Der 29-Jährige lebt als Vollprofi in der Schweiz, wo es mit Ikonen wie Thomas Frischknecht, Christoph Sauser und Nino Schurter eine starke MTB-Tradition gibt. In den letzten vier Jahren verbrachte Looser die Monate von Oktober bis April in Südafrika. „Das ist meine zweite Heimat und so kann ich das ganze Jahr über Rennen fahren.“ Sein jährlicher Trainingsaufwand ist enorm: 20.000 Kilometer am Rad (vorwiegend MTB), 350.000 Höhenmeter, 900 Stunden Trainingszeit. Und dennoch: „Ich bin schon acht Jahre Profi und hatte immer gute Verträge. Aber die Zeiten sind nicht mehr so gut, als Profi kann man kaum noch leben. Selbst die Schweiz hat vielleicht noch zehn Mountainbike-Profis“, erzählt der zweifache U23-Marathon-Europameister. Die Praxis? Für den Sieg bei der Salzkammergut-Trophy bekam er keinen Cent Preisgeld, undenkbar in anderen Sportarten. „Eigentlich Wahnsinn, oder? Wenn ich da die Spritkosten einkalkuliere, dürfte ich da gar nicht hinfahren.“ Warum also? „Es macht mir riesigen Spaß, Rennen zu fahren und für mein Team ist es ein super Prestige“, sagt der Fahrer des Schweizer BiXS-Pro-Teams.

Und wer sich fragt, wie der erfolgreiche Profitrainiert: „Ich mache fast alles anders als die anderen“, lacht der sympathische Schweizer. „Ich trainiere ohne Coach, ohne Puls, ohne Watt, ohne Intervalle. Ich fahre sehr viel nach Gefühl und trainiere viel Umfang.“ Nur in den Trainingsphasen im Winter kontrolliert er ab und zu seine Daten. „Aus Interesse“ hatte er bei der Trophy den Pulsgurt mit: 190 max, 157 Schnitt. Ansonsten hält er sich – auch bei der Ernährung, wo er sehr viel ausprobiert – an das Motto: „Keep it simple.“ 

Michaela Barth, die Kämpferin, nicht im Ziel

Michaela Barth

Um der Härte des Rennens und den vielfältigen Ansprüchen gerecht zu werden, haben wir Michaela Barth aus unserem Dowe-SPORTaktiv-Team gebeten, ihre Eindrücke zu schildern. Obwohl sie es nicht ins Ziel geschafft hat. Aber damit schreibt sie an der Geschichte des Rennens mit hoher Ausfallsquote eben auch mit. Die 46-jährige Salzburgerin kam weit, sehr weit. „2017 hatte ich das Zeitlimitschon früh nicht geschafft, das wollte ich heuer besser machen“, erzählt die Grafikerin aus Neumarkt am Wallersee. In der Früh passierte aber ein Missgeschick, Barth vergaß ihre Rennschuhe, in denen sie spezielle Einlagen trägt. So musste sie auf ein „ausgelatschtes“ Ersatzpaar setzen. „Da habe ich sehr gezweifelt, ob ich weit komme, ohne Problememit demFußzu bekommen. Ich habe mit meinen Begleitern gescherzt, dass wir uns wohl sehr bald im Freibad wieder treffen werden“, lacht Barth. 

"Ich bin stolz, so weit gekommen zu sein."
Auf dem Streckenplan hat sie sich die Uhrzeiten und Kontrollpunkte eingezeichnet. Ist man zu spät, wird man aus dem Rennen genommen. Barth fühlte sich gut, verlor aber wertvolle Zeit. „Ich bin eigentlich Rennradfahrerin und am Bike bei den Abfahrten extrem langsam. Mein Rad ist zehn Jahre alt, ohne Scheibenbremsen, die Federgabel funktioniert nicht mehr gut. Ich verliere pro 1000 Höhenmetern bergab wohl zehn Minuten.“ Bei mehr als 7000 kommt also viel zusammen. Obwohl sie einen Bekannten hatte, der sie über die rutschigen, wurzeligen Downhill-Passagen lotste, musste sie die meisten gehend bewältigen. „Und das war schon eine Challenge! Faszinierend, wie schnell da manche runterrasen!“ Die Zeitstation bei Kilometer 148 passierte Barth nach 12:01 Stunden, dann kam der Hammer. „Da stand eine Tafel mit der Uhrzeit 17.15 Uhr und ich war zwölf Minuten zu spät. Der Mann sagte: ,Es ist vorbei!‘, aus.“ Der Versuch, ihn charmant zu überreden, scheiterte. „Schade, ich hätte es sicher noch bis ins Ziel geschafft. Aber ich bin trotzdem stolz, dass ich so weit gekommen bin. Ich muss einfach an meiner Bergab-Technik arbeiten.“

An der Fitness scheitert es nicht. Barth  fährt am Rennrad 10.000 Kilometer im Jahr, den „Ötztaler“ finishte sie unter zehn Stunden. Bei der Salzkammergut-Trophy hat sie die kürzeren Strecken schon gemeistert. Die Rechnung mit der A-Strecke bleibt aber noch offen.

Arnold Pauly, unser Kollege, 13:25 Stunden

Arnold Pauly

Arnold Pauly ist unser Bike-Experte im Anzeigenteam von SPORTaktiv. „Arni“, wie er von allen genannt wird, wohnt nicht weit entfernt vom ­Geburtshaus eines anderen steirischen Arni. Mit der Hollywood-Eiche teilt er Ehrgeiz, Disziplin und eisernen Willen. Würde unser Arni nicht einem fordernden 40-Stunden-Job nachgehen, man könnte ihn getrost als Vollprofi bezeichnen. Arni ist die 50-km-Variante bei der Salzkammergut-Trophy schon 6 x gefahren, die B-Strecke (119 km) schon 5 x, heuer war als Reifeprüfung für den 39-Jährigen erstmals die A-Strecke am Plan. In Kollegenkreisen gibt es neben obligaten Scherzen über seine Rad-Passion nichts als ehrliche Bewunderung für seine Hingabe an Training und Lebensweise. Jeden Tag (!) fährt er mit dem Rad zur Arbeit und wieder nach Hause, rund 40 km. Schnee, Regen, Matsch? Kein Problem, Arni radelt. „Bei minus 15 Grad und 30 Zentimeter Schnee war es dann schon a echte Gaude“, lacht der athletische Typ mit dem Körperbau eines Rennradprofis.

Als Draufgabe nutzt er ausschließlich das Stiegenhaus, um in unser Büro im 12. Stock zu kommen, den Lift nie. In der Kantine greift Arni oft zu Salat und einer Handvoll Körndln, wenn wir daneben Schweinsbauch, Schnitzel und Gorgonzola-Gnocchi futtern. Keine Laster, Herr Kollege? Doch, italienisches Eis kann der Bursche in Unmengen verschlingen, incredibile! Für einen, der sonntags immer um 3 Uhr aufsteht, um sich auf den Ergometer zu schwingen oder auf frühmorgendliche Bikefahrten zu gehen, ist das aber kein gewichtiges Problem. Kalorien verbrennt sein Körper wie ein Airbus Kerosin. Das Training mit Family, Frau und zwei Söhnen unter einen Helm zu bringen, ist aber schon eine Leistung für sich. Bis zur Trophy hatte Arni seit Jahresbeginn 7300 Radkilometer in den Beinen, bei einem Schnitt von 13 Stunden Radtraining pro Woche (ja, das sind fast wie zwei zusätzliche Arbeitstage …).

Ein Vollblut-Biker mit Vision
Für die Salzkammergut-Trophy war der Vollblut-Biker top vorbereitet, jede Faser des Körpers bereit, jeder Muskel in Hochform. Reisfrühstück um 3, Start um 5 – und dann das! Ein völlig unerwarteter Krampf nach 17 von 210 Kilometern! Also dort, wo man gerade erst warm wird. „Da habe ich echt gezweifelt, ob das was wird. Der Oberschenkel hat höllisch geschmerzt.“ Manche hätten da wohl das Bike ins Unterholz gepfeffert und aufgegeben. Nicht unser Arni. „Die Schmerzen gingen zwar nie ganz weg, und Krämpfe hatte ich immer wieder, aber was soll‘s?“ Nach hartem Kampf, Hitze, Gewitterregen und 13:25 Stunden überquerte er als 150. von 716 A-Fahrern das Ziel. „Der erste Gedanke war, nie wieder!“, grinst der Steirer. Aber jetzt sind die Eindrücke gesammelt, gefiltert und analysiert. „Völlig überrascht hat mich, wie schnell die um 5 Uhr früh vom Start wegfetzen, als wäre dasZielum die nächste Kurve.“

Das Tempo hat auch ihn dazu verleitet, etwas zu schnell zu starten. „Hätte ich mich am Beginn zurückgehalten wie ein paar der alten Hasen hätte ich am Schluss wohl eine Stunde schneller sein können. Aber du weißt halt nie, ob du eh schnell genug fährst und ob du selbst überhaupt die Time-Limits schaffst.“ Zeit zum Sinnieren blieb trotzdem genug. „Du denkst unterwegs an die Familie, was du alles investiert hast, da hatte ich im Ziel dann schon eine extreme Freude.“ Für 2019 gibt es noch kein Ziel: „Wenn die Familie wieder mitspielt, könnte ich wieder die ,A‘ versuchen. Eventuell mit etwas weniger, dafür höherwertigem Training? Vielleicht mit einem Coach? Wäre interessant, was man noch aus dem Körperholen kann. Oder aber ich fahre eine kurze Strecke und dafür komplett Vollgas vom Startweg.“ Eines ist also klar, den Lift in unserem Büroturm wird Arni auch in den kommenden Monaten nicht benutzen.