Kleine Skigebiete kämpfen um Gäste – zugleich ­suchen neue Skitourengeher ein sicheres Betätigungsfeld. Da Fragt sich: Lassen sich ­kleine ehemalige ­Skigebiete zu Skitourengebieten umgestalten? ­Wir haben uns umgehört, wo und wie das schon funktioniert.

Christof Domenig
Christof Domenig
Tourenski statt Skilift: Wo und wie der Rückbau der Skigebiete schon funktioniert

In den 1970er-Jahren war das Skigebiet Dobratsch eines der größten und beliebtesten Skigebiete in Kärnten“, erzählt Robert Heuberger, Naturpark-Manager im Naturpark Dobratsch. In den 1990ern gab es dann einige schneearme Winter und danach Widerstand gegen eine Beschneiungsanlage, weil der Berg auch der natürliche Trinkwasserspeicher der Region ist. 2002 wurde der Skibetrieb eingestellt, die Lifte wurden abgebaut und fanden in Georgien ein zweites Leben.

An den Erfolg des sanften Tourismuskonzeptes eines Naturparks glaubten damals nur wenige. Auch nicht Andrea Riedel, deren „Rosstrattenstüberl“ direkt dort stand, wo früher die Skifahrer aus dem Lift stiegen, und deren Vater Franz Kreuzer „die Seele des Skigebiets“ gewesen war, wie Heuberger erzählt. „Drei Winter lang hat die Andrea geglaubt, jetzt geht alles zugrunde. 2007 hat sie sich dann mit dem Naturpark versöhnt gehabt – das war damals wirklich emotional“, erzählt der Naturpark-Manager. Bis 2019 betrieb Riedel den Berggasthof, ehe sie sich in den Ruhestand verabschiedete und an neue Betreiber übergab.

Der Dobratsch wird heute im Winter von Skitourengehern, Schneeschuh- und Winterwanderern eifrig genutzt. Drei Skitourenrouten führen über die ehemaligen Pisten, eine Aufstiegs- und eine Abfahrtsspur werden für weniger Geübte präpariert. Die finanziellen Mittel und Arbeitskräfte dafür stellt die Stadt Villach zur Verfügung. Man habe einmal ausgerechnet, dass die Schneeräumung der Villacher Alpenstraße, die Präparierung und sonstige Infrastruktur in 40 Jahren so viel koste wie ein einzelner neuer Lift, erklärt Heuberger. Mittlerweile müsse man aufpassen, dass die Zahl der Erholungssuchenden mit den Kapazitäten eines Landschafts- und Naturschutzgebietes im Einklang bleibe, zumindest wenn die Schneelage stimmt, sagt der Naturpark-Manager.

Ehemalige Skigebiete, die nun aufs Skitourengehen setzen, gibt es mittlerweile einige in ganz Österreich. Helmuth Preslmaier, Skitourenreferent der Naturfreunde, findet die Grundidee wunderbar: „Das ist eine Ideallösung für viele der neuen Generation Skitourengeher.“ Jährliche 5 Prozent Zuwachsraten gebe es in der Sportart seit Jahren, „heuer mit Corona stehen alle Zeichen auf noch mehr Wachstum.“ Wer das Skitourengehen gerade erst entdeckt habe, würde meist nicht klassisches Skibergsteigen im Gelände suchen, sondern die Sportart als sichere und zugleich naturnahe Fitness-Sportart betreiben wollen. 

Nur wenige haben an einen Erfolg ohne Skigebiet geglaubt.

Naturpark-Manager Robert Heuberger
Tourenski statt Skilift: Wo und wie der Rückbau der Skigebiete schon funktioniert

Dass das „Pistengehen“ neben dem Skibetrieb in Skigebieten schon zu vielen Konflikten geführt hat, ist bekannt. In stillgelegten Skigebieten gibt es diese Konflikte naturgemäß nicht und ein Teil der Infrastruktur, von Parkplatz bis Berghütte, kann weiter genutzt werden. „Das Skitourengehen ist sicher eine Möglichkeit, Wertschöpfung in einer Region zu belassen“, findet Preslmaier. Er plädiert auch dafür, einen Teil des Geländes in solchen ehemaligen Skigebieten zu präparieren und einen anderen im Naturzustand zu belassen: So habe je nach Können jeder die Wahl. 

Am Ronachkopf bei Zell am See im Salzburger Pinzgau wurde in Thumersbach 2014 ein Skitourengebiet auf dem Gelände des 1999 eingestellten kleinen Skigebiets errichtet. Die benachbarte Bergbahn „Schmittenhöhebahn AG“ stellt ein Pistengerät zur Verfügung, das von Ehrenamtlichen in der Freizeit gefahren wird, um die Tour einsteigerfreundlich und sicher zu machen. „Es hat für den Skitourenberg zwei Überlegungen gegeben: einerseits die wenigen Freizeitmöglichkeiten im Ortsteil Thumersbach zu verbessern. Andererseits, den Tourengehern in der Region ganztägig eine sichere Alternative zum Pistentourengehen in den Skigebieten zu bieten“, sagt Ingo Dürlinger. Er arbeitet bei der Schmittenhöhebahn, organisiert und koordiniert in seiner Freizeit den Betrieb des Skitourenbergs. Dieser ziehe jährlich immer mehr Besucher an und sei schon bis Tirol und Bayern bekannt. „Mit den Tourengehern kann auch die Enzianhütte am Ronachkopf im Winter geöffnet bleiben.“ Auf der steirischen Frauenalpe etwa übernimmt als Service für die Gäste gleich der Hüttenwirt selbst die Präparierung einer Aufstiegsspur. 

Tourenski statt Skilift: Wo und wie der Rückbau der Skigebiete schon funktioniert

Was man aber trotz teilweiser Präparierung nicht vergessen darf: „Auch Skitouren auf aufgelassenen Pisten finden abseits des organisierten und kontrollierten Skiraums statt: Eine Notfallausrüstung soll immer mitgenommen werden. Und wie bei jeder Skitour gilt es, die Lawinensituation zu checken“, erinnert Helmuth Preslmaier. Er verweist etwa darauf, dass auf der „Katrin“ bei Bad Ischl in seiner oberösterreichischen Heimat früher Lawinensprengungen durchgeführt wurden, als der klassische Skibetrieb noch lief.

Ein etwas anderes, aber ebenfalls interessantes Konzept für Skitourengeher gibt es im Tiroler Pillerseetal: Die „Tourenski World“ im Skigebiet Buchensteinwand. Dort stehen Tourengehern sechs markierte Routen zur Verfügung, die teils präpariert und vom laufenden Skibetrieb räumlich getrennt sind. Abgefahren wird auf der Piste. „Das Angebot hat sich sehr bewährt“, sagt Markus Brudermann von der Bergbahn Pillersee-Buchensteinwand. Um 5 Euro pro Tag oder 30 Euro für eine Saisonkarte können Skitourengeher im Pillerseetal die Infrastruktur – Parkplatz, Umkleiden und Toiletten, Aufstiegsspuren, Pisten zum Abfahren – in Anspruch nehmen. Anderswo ist das Angebot gratis, wobei der Naturfreunde-Experte Preslmaier eine kleine Gebühr für eine zur Verfügung gestellte Infrastruktur zwischen 4 und 7 Euro pro Tag auch in Ordnung findet. Manchmal wird auch eine Spendenbox aufgestellt.

Für viele Skitouren-Einsteiger sind Touren in ehemaligen Skigebieten eine ideale Lösung.

Helmuth Preslmaier, Skitourenreferent der Naturfreunde

Ob die Idee eines Skitourengebietes ein Zukunftskonzept für viele kleine Skigebiete sein kann? „Das werde ich oft gefragt“, sagt Naturpark Dobratsch-­Manager Robert Heuberger. „Ich denke, es braucht dafür zwei bis drei Voraussetzungen: Eine relativ zentrale Lage mit entsprechend größerem Einzugsgbiet, am besten Stadtnähe. Ein Konzept, um die Kosten für die Präparierung auch auf Dauer zu tragen. Und eine Hütte sollte auch vorhanden sein.“ Eine Überlegung ist es aber sicher wert. Vom Hüttenwirt auf der „Katrin“ weiß Helmuth Preslmaier: „Das Geschäft läuft mit den Skitourengehern jetzt besser als damals mit den Skifahrern.“

Tourenski statt Skilift: Wo und wie der Rückbau der Skigebiete schon funktioniert

Rundblick
Wie es funktionieren kann: Beispiele ehemaliger oder bestehender kleinerer Skigebiete mit Skitourenangebot:

Dobratsch (K)
Ausgangspunkt sind die Rosstratte am Ende der Villacher Alpenstraße sowie der Bereich Alpengarten. Geübte Skitourengeher starten bei passender Schneelage bereits ab Heiligengeist, von hier aus gibt es dann drei Varianten: die „Genießertour“ zur Aichingerhütte, die „Aussichts- tour“ zur Rosstratte und die „sportliche Tour“ zur 10er Hütte.

Ronachkopf bei Zell am See (S)
Wo früher ein Sessellift Skifahrer ins Skigebiet Thumersbach befördert hat, warten jetzt eine präparierte Aufstiegsspur und eine Skiroute für die Abfahrt. Zwei ausgeschilderte Aufstiegsvarianten mit rund 500 hm, Einkehr in der Enzianhütte. Geräumte Parkplatze sind vorhanden.

Frauenalpe bei Murau (St)
Drei markierte Touren im ehemaligen Skigebiet, von der Murauer Hütte (1583 m) auf den Gipfel sind es knapp 400 Höhenmeter. Bei passender Schneelage kann auch vom Tal aufgestiegen werden mit rund 1100 Höhenmetern.

Tourenski World Pillersee-Buchensteinwand (T)
Sechs markierte und räumlich von den Pisten getrennte Aufstiegsrouten unterschiedlicher Schwierigkeit im Skigebiet Pillersee-Buchensteinwand, abgefahren wird auf den Skipisten.

Skitourenpark Pitztaler Gletscher (T)
Der „Dynafit-Skitourenpark“ am Pitztaler Gletscher hat drei Aufstiegsrouten im gesicherten Skiraum im Angebot, ohne Berührungspunkte mit abfahrenden Skifahrern. 

Katrin (OÖ)
Das ehemalige Skigebiet bei Bad Ischl wird heute von Skitourengehern intensiv genutzt. Rund 2,5 Stunden sind für die Tour mit 940 Höhenmetern einzuplanen. Die Katrin Almhütte (1393 m) ist diesen Winter voraussichtlich von 26. Dezember bis 15. März bewirtschaftet.

Hohe Dirn und Viehtaleralm, Ennstal (OÖ)
Im 2012 eingestellten Skigebiet Hohe Dirn gibt es eine Tour mit 320 Höhenmetern. Ein geräumter Parkplatz ist vorhanden, Einkehrmöglichkeit in der Anton-Schosser-­Hütte. Im ehemaligen Skigebiet bei der Viehtaleralm/­Bodenwies wartet eine 2-Stunden-Tour mit rund 600 ­Höhenmetern.