Der perfekte Carvingschwung galt lange als Ideal und ultimatives Pistenerlebnis. In der Praxis regierte dadurch eher Verbissenheit. Die Skischulen haben die Lehrpläne nun nachgeschärft – Ziel: den Skigenuss neu zu beleben!

Von Johann Reisenberger, Snowsports Academy


Skifahren gehört nach wie vor zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Österreicher und ist mit kaum einer anderen Sportart vergleichbar. Die Kombination aus Genuss, Bewegung und schöner Natur weckt tiefe Emotionen und lässt den Alltag vergessen. Um diese zeitlosen Benefits des Skisports herauszustreichen, hat der Österreichische Skilehrerverband seinen Skilehrplan nachgeschärft. Im Zentrum der Überlegungen standen dabei die bisher zentralen Alleinstellungsmerkmale des Skifahrens: das Genießen, die lockere Bewegung, die Emotionen. Kurz: die pure Lebensfreude auf Skiern.

Das Streben nach der perfekt geschnittenen Kurve wird von den Skischulen nicht mehr als Ideal angesehen. Vielmehr wird es von einer eleganteren Fahrweise abgelöst: Dem Schönskilauf. Der Fokus liegt auf den genuss- und gefühlvollen Aspekten des Skisports. Diese neue Ausrichtung beeinflusst nicht nur zunehmend das Bild auf den Skipisten, sondern ist zum neuen Markenzeichen der Österreichischen Skischule avanciert.

DIE PROBLEME BEIM CARVEN
Dass der Freizeitskisport einem steten Wandel unterliegt, weiß man. Das hat mit dem Material zu tun, aber auch mit dem, was in Skikursen gelehrt wird. So lag der Fokus sowohl von Skilehrern in Kursen als auch von ambitionierten Freizeitskifahrern lange auf der Umsetzung des perfekten Carvingschwunges. Die makellos geschnittene Kurve war die große Herausforderung, die es zu meistern galt, wenn man ein guter Skifahrer sein wollte. Das Carven wurde als „ultimatives Skierlebnis" angesehen. Skifahrer glaubten, nur damit könne man sich richtig fallenlassen, die Geschwindigkeit spüren, schlicht: genießen.

Das Resultat war stattdessen, dass Skifahrer in aller Welt verbissen daran arbeiteten, dem Ideal nahezukommen – und nicht selten dafür auch Risiken in Kauf nahmen. Schließlich funktioniert wirkliches Carven erst ab einer gewissen Geschwindigkeit. Das ist in Ordnung, wenn man allein auf einer breiten Piste unterwegs ist – in der Praxis führte es jedoch zu Pisten voll von unkontrollierten Skifahrern, die zu schnell unterwegs waren. Dass der Genuss dabei auf der Strecke bleibt, ist nur logisch: Weder ist es ein gutes Gefühl, wenn man bemerkt, dass man die eigenen Bewegungen nicht mehr richtig kontrollieren kann, noch, wenn der Nebenmann auf der Piste seine Fahrlinie nicht halten und bei Gefahrensituationen nicht rechtzeitig abbremsen kann.

DAS NEUE IDEAL
Diese beschriebene Problematik hat der Österreichische Skilehrerverband erkannt und – wie schon oft in der Geschichte des Skisports – eine Vorreiterrolle eingenommen. Es geht im modernen Skiunterricht jetzt nicht mehr nur um rasches Umkanten und Schneiden der Schwünge, sondern vielmehr um elegantes, sicheres Skifahren und um den Genuss im Schnee sowie in der Natur. Diese neuen Aspekte werden unter dem Begriff „Schönskilauf" zusammengefasst. Charakteristisch dafür sind eine schmälere Skiführung, eine genuss- und gefühlvolle Fahrweise sowie natürliche und ökonomische Bewegungen.

Diese neue Fokussierung hat auch wesentlichen Einfluss auf den Alltag in österreichischen Skischulen, die den Schönskilauf zum Markenzeichen gemacht haben. Nach dem alten Lehrplan waren bereits Anfänger damit konfrontiert, das Carven – definiert als „gut gesteuertes Kurvenfahren" – in Grundzügen zu erlernen. Mit Fortgeschrittenen wurde es weiter geübt und perfektioniert. Im aktuellen österreichischen Skilehrplan findet das „geschnittene Skifahren entlang der Taillierung der Ski" erst im „schwarzen Bereich" Anwendung. So nennt sich die Stufe für sehr gute Skifahrer.

Das Beste: Der Umstieg auf die neue Technik ist gar nicht schwer, wenn man sich vom Skilehrer helfen lässt. Die Devise kann aus Sicht der heimischen Skischulen nur lauten: Raus auf die Piste – aber sicher und elegant!

Johann Reisenberger / Bild: Snowsports Academy
Johann Reisenberger
JOHANN REISENBERGER ist staatlich geprüfter Skilehrer und im Ausbildungsteam der Snowsports Academy. Er ist zudem Redakteur eines Skilehrerbuches, Skischulleiter und am liebsten im tiefen Powder unterwegs.
Die Snowsports Academy ist der Skilehrerverband der Bundeshauptstadt Wien.

Alles zu Ski- und Snowboardlehrer-Ausbildungen, Trainingskursen, Geländekursen: www.snowsports.at



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