Mehr denn je zieht es passionierte Wintersportler in Gefilde abseits präparierter Pisten, in die Heimat der Freerider – das Backcountry. Will man selbst die ersten Schritte dahin wagen, gilt es allerdings einiges zu beachten. Drei Profis verraten, wie der Einstieg gelingt.

Lara Wulz

Was dem Alppinskifahrer seine perfekte Piste, ist dem Freerider der frische Powder unter seinen Brettern. Ein schwer beschreibbares Gefühl, wenn man inmitten von Berggiganten selbst die ersten Lines im unverspurten Schnee hinterlässt. Genau dieses Feeling ist es, das mehr und mehr Menschen fasziniert, in die Welt des sogenannten „Abseits-Fahrens“ einzutauchen. Die eigentlich die ursprünglichste Form des Skifahrens ist. Das Freeriden stammt aus einer Zeit, bevor präparierte Pisten den Alpenraum übernahmen. Wo Berge von Wintersportlern noch bestiegen werden mussten, damit sie anschließend über die glitzernden Weiten des Backcountrys gleiten konnten. 

Heutzutage folgen immer mehr diesem Ruf zurück in die Wildnis. Inspiriert vom Wunsch nach mehr Natur oder atemberaubenden Bildern auf Social Media fühlen sich auch viele Neulinge von der Faszination des Freeridens angezogen. Doch wie gelingt der richtige Einstieg abseits gesicherter Pisten? Welche Dinge muss man beachten, welche Ausrüstung und körperlichen Voraussetzungen mitbringen und, ganz wichtig, welcher Verhaltensweisen soll man sich unbedingt bewusst sein, um im Einklang mit der Natur maximalen Fahrspaß beim Freeriden zu erleben? 

Fitness und Fahrtechnik
„Kenne deinen Körper und dein Können“ ist eine grundlegende Prämisse beim Sport. Noch wichtiger wird das, wenn man sich im freien Gelände bewegt. Denn eine gewisse körperliche Fitness und ein sicherer Fahrstil sind extrem wichtig. „Man sollte sicher am Ski stehen und parallel eine schwarze Piste zu fahren sollte kein Problem sein“, definiert der Saalbacher Freeride-Crack Stefan Baumgartner. „Es ist wichtig, dass man weiß, wie fit man ist, und noch wichtiger, dass man seine eigene Fitness einschätzen kann. Es nützt beim Freeriden oder Tourengehen relativ wenig, wenn man seine ganze Kraft bereits beim Aufstieg verbraucht. Abfahrten verlangen einem meist mehr ab, als man denkt. Dann stößt man recht schnell an die Grenzen der Belastbarkeit, was gefährlich werden kann“, ergänzt Freeride-Experte Stephan Skrobar. Außerdem sollte Freeriden in erster Linie Spaß machen, und das macht es bekanntlich nur, wenn man nicht restlos erschöpft ist. Dazu trägt auch der richtige Fahrstil viel bei. Wer sicher am Ski steht, wird sich auch im Powder schnell wohlfühlen. Von der „Urban Legend“, dass man sich beim Tiefschneefahren nach hinten lehnen soll, rät der Experte übrigens kopfschüttelnd ab: „Das kostet nur Stabilität. Viel wichtiger ist eine dynamische Fahrweise, wo man versucht, so viel Momentum wie möglich von einem Schwung zum nächsten mitzunehmen.“

Neben den eigenen Fähigkeiten ist Sicherheit ein wichtiger Aspekt im Backcountry. Man muss im Gelände stets ein LVS-Gerät, eine Sonde, eine Schaufel, ein Erste-Hilfe-­Set und sein Handy mit dabeihaben, weiß Freeride-Profi Roman Rohrmoser. Diese Dinge dienen nicht nur dem Selbstschutz, sondern vor allem auch dem Schutz anderer. Denn denkt man an das Freeriden, kommt einem auch unwillkürlich  der Terminus Lawine unter. Fundierte Kenntnisse über Lawinen – wie man beispielsweise gefährliche Zonen erkennt und deuten kann und wie man im Notfall agieren muss – sind unumgängliches Basiswissen. Stefan Baumgartner legt jedem, egal ob Einsteiger oder Fortgeschrittener, ans Herz, dass man hierbei auch gleich tiefer in die Materie eintaucht, um beispielsweise einen Lawinenlagebericht nicht nur lesen, sondern auch richtig interpretieren zu können. Auch wie man eine Lawinenausrüstung benützt, sollte man zumindest schon einmal praktisch geübt haben. Doch nicht nur die Lawine ist eine potenzielle Gefahr, auch Themen wie plötzliche Wetterumschwünge, Erschöpfung, Kälte oder die Gefahr, sich bei schlechter Sicht zu verirren, dürfen nicht außer Acht gelassen werden, weiß Skrobar. 

Vorbereitung ist alles
Wem die Erfahrung oder das erfahrene Umfeld gänzlich fehlt, der sollte jedenfalls seine ersten Schritte mit einem Guide oder Bergführer machen, rät der Freerider Roman Rohrmoser aus Hochfügen im Zillertal. Wer sich bestmöglich auf seine erste Backcountry-Experience vorbereiten möchte, ist mit einem Kursbesuch vorne dabei. Kurse gibt es dank eines breiten Interesses und eines immer größer werdenden Bewusstseins viele. Der Tauplitzer Freeride-Insider Skrobar empfiehlt: „Ausbildungen kann man prinzipiell bei kommerziellen Anbietern wie auch Vereinen machen. Der Unterschied dabei ist, dass kommerzielle Anbieter aufgrund der höheren Auflagen zumeist auch bessere Qualität bieten können. Man hat meist auch den Vorteil, in kleineren Gruppen unterwegs zu sein. Was man bei der Wahl des Anbieters jedoch jedenfalls beachten sollte, ist, dass es lokale Anbieter sind oder sie zumindest das Gebiet sehr gut kennen.“ Letzteres unterstreichen auch der Saalbacher und der Hochfügener Freerider. Lokale Anbieter wissen genau, wo man bei welchem Wetter mit welchem Konditionslevel den bestmöglichen und sichersten Fahrspaß erleben kann. 

Im Einklang mit der Natur 
Wer sich inmitten majestätischer Bergriesen bewegen will, muss sich einer Sache bewusst sein, appelliert Baumgartner: „Im Backcountry sollten wir uns wie Gäste und nicht wie Touristen verhalten.“ Sprich: Wer seine Spuren im tiefen Schnee hinterlassen will, sollte ein paar Regeln in Bezug auf den respektvollen Umgang mit der Umwelt, in der man sich bewegt, beachten. Um die Freiheit in der Wildnis auch in Hinkunft genießen zu können, ist jeder aufgefordert, darauf zu achten, nicht selbst zu einer ökologischen Belastung zu werden. Laut dem Experten aus dem Freeride-Mekka Hochfügen gilt etwa, dass man in erster Linie auf offiziellen Freeride-Hängen bleibt, man es jedenfalls vermeidet in Jungwälder einzufahren und man auch Sperrgebiete umfährt. Auch Wildschutzgebiete und Fütterungsstellen sind absolut tabu. 

Schlussendlich muss man sich noch vor Augen halten, wie wichtig es ist, sich auch anderen Freeridern gegenüber mit der nötigen Freundlichkeit und Freundschaftlichkeit zu verhalten. Denn dieser Umgang ist vor allem in einer Umwelt, die schnell gefährlich werden kann, noch viel wichtiger als ohnehin, so Skiführer Skrobar. Das Gebot der Stunde ist in allen Bereichen also der angemessene Respekt. Dann steht einem unverspurten Weg ins Backcountry nichts entgegen.