So schön Wandern im Herbst auch ist, wenn die Bedingungen passen – so gibt es doch einige Besonderheiten, auf die man im Sinn der Sicherheit achten sollte. Nachgefragt bei Bergführern und einem Meteorologen.
Wie ohnedies ganzjährig, gilt im Herbst ganz besonders die Grundregel: Plane Wanderungen mit Bedacht und ziehe nur gut vorbereitet in die Berge – denn nur so lässt sich das Erlebnis sicher genießen. Und das gilt für gemütliche Almwanderungen wie auch für anspruchsvolle Gipfeltouren gleichermaßen. Worauf jahreszeitenspezifisch zu achten ist, was jetzt unbedingt in den Rucksack gehört und welche Touren im Herbst noch möglich sind – dazu haben zwei erfahrene Experten ihre Gedanken mit uns geteilt: Simon Steiner, Bergführer und Bergretter aus der Region Schladming-Dachstein, und Andreas Gassner, Bergführer und Meteorologe aus Zell am See-Kaprun.
„Der Tag ist viel kürzer, das muss man bei der Tourenplanung unbedingt berücksichtigen“, mahnt Steiner gleich eingangs. Denn obwohl es banal klingt, geraten nicht wenige Wanderer an schönen Herbsttagen in die Dunkelheit – wissen Bergretter wie Steiner. Auch naheliegend, aber dennoch wichtig zu beachten: Während es im Tal noch mild ist, kann es in höheren Lagen frostig oder verschneit sein. „Nach klaren Nächten können kleine Bäche oder nasse Steine am Morgen vereist sein – da wird es schnell rutschig“, warnt Gassner. Nordseitige oder schattige Hanglagen können tückisch sein – „südseitige Hänge sind im Herbst definitiv besser geeignet“, rät Steiner.
Stabiles Herbstwetter – Vorsicht ist trotzdem geboten
Ein Vorteil der Jahreszeit: Die Wetterlagen sind meist schon stabiler als im Sommer, Wärmegewitter nehmen mit Ende August deutlich an Häufigkeit wie Intensität ab. Die Gewittersaison endet mittlerweile aber später, als es früher einmal war, beobachtet Steiner: „Im September kann es durchaus noch Wärmegewitter geben.“ Und selbst die typisch stabilen Herbstwetterlagen gehen einmal zu Ende. „Wenn das Wetter umschlägt, kann es sehr schnell gehen.“
„Das Wetter überrascht Wanderer deshalb oft, weil man es nicht kommen sieht. Die Weitsicht ist durch den Berg oft begrenzt – erst auf einem Grat oder Gipfel erkennt man, wie nah das schlechte Wetter schon ist“, erklärt Gassner. Umso wichtiger ist es, Wetterprognosen in die Planung einzubeziehen – und auch unterwegs die Lage stets im Blick zu behalten. Nicht nur am Himmel, sondern auch am Handy.
„Mit den heute verfügbaren Wetter-Apps sollte eigentlich niemand mehr überrascht werden“, sagt Gassner. „Die Prognosen für den nächsten Tag sind sehr zuverlässig, Frontensysteme werden exakt vorhergesagt. Ihr Eintreffen kann zwar um ein bis zwei Stunden schwanken – aber diesen Puffer sollte man bei der Tourenplanung einbauen. Während der Tour liefern kostenlose Wetterradar-Apps heute zuverlässig Echtzeitinfos.“
Entscheidend ist aber auch, welche App man verwendet. Menschengemachten Prognosen ist der Vorzug zu geben, erkennbar am geschriebenen Bericht statt einer reinen Piktogramm-Darstellung – auf Smartphones vorinstallierte Wetter-Apps bieten rein computergenerierte Infos. Empfehlenswert für die Wetterrecherche laut Gassner: die Seiten von Geosphere Austria oder auch des Alpenvereins.
Simon Steiner argumentiert in ähnlichem Sinn: „Viele schauen beim Wetter nur auf die Symbole – aber gerade die Beschreibungstexte enthalten oft entscheidende Hinweise, zum Beispiel auf mögliche Gefahrenlagen.“
Tourenwahl macht den Unterschied
Ebenso wichtig ist die passende Tourenauswahl. Ob ein Weg im Herbst noch sicher begehbar ist, hängt stark von Gelände, Ausrich- tung und aktuellen Bedingungen ab. Steiner erklärt beispielhaft: „Grasige Stellen – bei uns sagen wir ‚Bürstling‘ – können bei Nässe extrem rutschig sein.“ Wer Erfahrung im Planen hat, erkennt solche Gefahrenstellen auf der Wunschtour oft schon im Kartenbild und kann die Passagen meiden – aber diese Erfahrung hat natürlich nicht jeder. Bei Unsicherheit über die Wegbeschaffenheit lohnt sich jedenfalls die Nachfrage. Dabei sollte man Anrufe nicht scheuen – etwa beim Tourismusverband, bei Bergbahnen oder Hütten, so Gassners Tipp. „Googeln allein reicht nicht – der Griff zum Telefon ist hier nach wie vor am verlässlichsten.“
Was in den Rucksack muss
Auch die Ausrüstung will im Herbst besonders gut durchdacht sein. Einige Dinge sollten zwar ganzjährig mitgeführt werden – jetzt sind sie aber nochmals wichtiger. Dazu zählen laut Gassner: „Biwaksack, Stirnlampe, Wechselshirt und eine leichte Daunenjacke.“ Steiner ergänzt: „Isolationsjacke, Hardshell sowie Haube und Handschuhe gehören jetzt auf jeden Fall mit.“ Auch ein Erste-Hilfe-Set, ein vollgeladenes Handy und eventuell ein Akkupack sollten im Rucksack niemals fehlen.
Klar: Gute Wanderschuhe mit griffiger Sohle – idealerweise knöchelhoch – sind Pflicht, und ganz besonders bei Nässe oder Kälte. Hilfreich: Grödel – kleine Spikes, die bei vereisten Stellen schnell für Trittsicherheit sorgen. „Ein echter Gamechanger“, sagt Steiner.
Verpflegung sollte man großzügiger einplanen – nicht alle Hütten haben im Herbst noch geöffnet. Allerdings zeichnet sich ein Trend ab: „Viele Hütten bleiben mittlerweile bis Ende September oder sogar in den Oktober hinein offen“, weiß Steiner. In Schladming-Dachstein laufen einige Bergbahnen sogar bis in den November. Auch Gassner beobachtet: „September und Oktober werden als Wandermonate immer beliebter – das merkt man auch bei den Öffnungszeiten.“ Trotzdem gilt: Vorab checken, ob Hütte und Bergbahn in Betrieb sind – Website oder Anruf genügen, um nicht vor verschlossener Tür zu stehen.
Googeln allein reicht oft nicht – der Griff zum Telefon ist nach wie vor am verlässlichsten.
Was noch geht – und was nicht
Und welche Fehler passieren in der Praxis oft bei Herbsttouren? Ein häufiger Fauxpas ist tatsächlich ein zu später Start, so Steiner. Der Zeitpunkt des Weggehens will durchdacht sein: Früh am Vormittag mag es stellenweise noch rutschiger sein, das kürzer werdende Tageslichtfenster ist aber unbedingt ebenfalls zu beachten. Gassner sagt: „Der größte Fehler ist sicher, gar nicht zu planen.“ Tourenlänge, Schwierigkeit, Wetter, Ausrüstung – wer unvorbereitet losgeht, bringt sich leicht in gefährliche Situationen.
Mit Umsicht, Erfahrung und passender Ausrüstung sind im Herbst andererseits sogar sehr anspruchsvolle Touren möglich. Manche klassische Hochtouren – etwa Nordwandrouten am Großglockner – werden heute sogar eher im Herbst begangen, weil Hitze und auftauender Permafrost im Sommer die Tour erschweren, weiß Gassner. Solche Unternehmungen sind jedoch Experten vorbehalten – auch in tieferen Lagen sind viele feine Touren oft noch möglich. Wobei statt Pauschalempfehlungen abzugeben, immer der Einzelfall angeschaut werden muss. „In manchen Jahren ist im September Schluss, in anderen sind bis in den November hinein großartige Touren möglich“, so formuliert es Simon Steiner. Auch hier der Ratschlag: Nachfragen hilft – bei Ortskundigen, Tourismusverbänden, Gastgebern oder Bergführern in seiner Zielregion.
Unsere „Top 20 Herbsttouren“ bieten im Anschluss einen Überblick über bewährte Touren, die erfahrungsgemäß lange begehbar sind – freilich ohne Garantie: Ob sie aktuell machbar sind, hängt vom Wetterverlauf ab und muss eigenverantwortlich geprüft werden. Wer aber gewissenhaft plant und sich gut ausrüstet, wird oft gerade im Herbst mit besonderen Erlebnissen belohnt: mit ruhigen Wegen, klarer Luft und fantastischer Fernsicht – Voraussetzungen für die vielleicht schönste Wanderung im Jahr.