Sind drei WM-Titel mit 23 Jahren ein guter Grund, mal einen Gang runterzuschalten? No way! Denn Mona Mitterwallner hat ein Ziel, das so klar ist wie sie selbst: Sie will die Beste aller Zeiten werden.

Axel Rabenstein
Axel Rabenstein

Mona, du willst die beste Radfahrerin aller Zeiten werden. Seit wann verfolgst du dieses Ziel?
Ich wusste immer, dass ich keinen gewöhnlichen Arbeitstag verbringen wollte. Aufstehen, in die Arbeit fahren und jeden Tag das Gleiche tun. Deshalb habe ich früh die Entscheidung getroffen, den Sport zu meinem Lebensinhalt zu machen. Und mir ein großes, übergeordnetes Ziel gesucht.

Woher kommen die hohen ­Ansprüche?
Gute Frage! Vielleicht, weil ich Sternzeichen Steinbock mit Aszendent Steinbock bin? Ich bin einfach extrem ehrgeizig. Mein Mentaltrainer meint, mein Ziel sei eine Art Selbstschutz. Als Weltmeisterin kann man in ein Motivationsloch fallen. Das wird mir nicht passieren. Die Beste aller Zeiten sammelt so viele Titel wie möglich. Und ­daran arbeite ich.

2021 gelang dir eine perfekte Saison. Sechs Siege in sechs Rennen des U23-Weltcups, Europameisterin und Weltmeisterin der U23 – und mit 19 Jahren jemals jüngste Cross-Country-Marathon-Weltmeisterin der ­Elite. Was denkt man sich nach so ­einem Jahr?
Dass es Spaß macht! Es bedeutet aber auch Druck, weil man das Level halten möchte und sich jeden Tag fragt, ob man vielleicht nachlässt.

Fühlst du dich getrieben?
Relativ. Viele Menschen verfolgen ein Ziel. Bei mir ist es eben das Radfahren. Und dass ich jedes Rennen gewinnen will.

Was tust du, was andere nicht tun?
Ich habe schon immer sehr viel trainiert. Manche meinten, zu viel. Ich denke mir aber: Wenn ich so trainiere wie andere – wie soll ich dann schneller sein?

Wie oft gehst du im Training übers Limit?
Ich arbeite hart, bin aber kein Fan davon, sich im Training zu zerstören. Die Red Zone spare ich mir für meine Rennen auf, versuche dort ein paar Watt auf meine Bestwerte draufzusetzen. Ich glaube, man hat eine gewisse Anzahl an Jokern. Die versuche ich auszuspielen, wenn’s zählt. Jeder muss für sich entscheiden, wie er sich in die Verfassung bringt, zu gewinnen. Ich schinde mich auf jeden Fall, aber das Extra-Prozent behalte ich mir gerne auf. An der Startlinie möchte ich vor Energie sprühen.

Ist die Zeit zwischen den Trainings die Disziplin, die den Unterschied macht?
In der Tat lege ich höchsten Wert auf die Qualität meiner Regeneration. Das sind vor allem Basics: Stretching, Faszientraining mit der Rolle und acht bis zehn Stunden Schlaf am Tag.

Wie sieht deine Ernährung aus?
Seit inzwischen acht Jahren verzichte ich auf industriellen Zucker. Ein gesunder Körper regeneriert effizienter. Und nach einer Knöchelverletzung im Jänner ging der Heilungsprozess viel schneller, als die Ärzte das vorhersagten.

Du bist Vegetarierin. Isst du Fisch?
Die Frage finde ich immer komisch. Fische sind ja auch Lebewesen, oder?

Das stimmt …
Ich esse jedenfalls keine Tiere. Eiweiß kriege ich über Linsen, Erbsen, Bohnen. Und ich habe das Glück, dass sich meine Mutter und meine Schwester vegan ernähren. Bei uns wird vegan gekocht und ich nehme mir dann eben ein Ei dazu, wenn ich Lust habe.

In 2024 hattest du – trotz drittem WM-Titel – einige Probleme. Du warst von Salmonellen und Würmern geplagt. Dein Ernährungspartner Panaceo forscht viel mit Darmgesundheit und entzündungshemmenden Stoffen. Wie setzt du das für dich ein?
Die Salmonellen waren ein Kampf. Es dauerte, die Darmflora wieder aufzubauen. Ich habe gespürt, wie viel Kraft einem fehlt, wenn der Darm nicht die volle Energie aufnimmt. Starker Darm, starke Leistung: Dieses Motto habe ich wirklich verinnerlicht.

Ich habe gespürt, wie viel Kraft einem fehlt, wenn der Darm nicht die volle Energie aufnimmt.

Mona Mitterwallner

Was nimmst du während deiner ­Rennen zu dir? Ohne Zucker?
Bei MTB-Rennen trinke ich nur. Für vier Stunden auf dem Rennrad brauchst du Energie extra. Aber auch da bin ich speziell und nehme Gels, die auf Honig basieren.

Ist es nicht schrecklich anstrengend, immer das Richtige zu tun?
Wenn die Familie am Esstisch chillt und ich mein Pensum vor mir habe, kann man schon mal zweifeln. Bliebe ich daheim, würde ich mich aber nicht erfüllt fühlen. Ich mache Rennsport und solange ich das mache, mache ich es zu hundert Prozent. Alles andere wäre nicht ich.

Hast du einen Tipp für Hobbysportler, die sich nicht aufraffen können?
Sich ins Gefühl danach hineinversetzen! Vielleicht ist es schön auf der Couch. Wenn Körper und Geist an der frischen Luft waren, ist die Couch aber noch viel weicher. Das hat ein anderes Lebensgefühl. Und man muss den Berg ja nicht voll hochstoßen. Ein wenig Grundlage dort draußen ist doch schon genug.

Was sind die schönsten Momente auf dem Bike?
Da denke ich an meine Hausbergroute: Von oben blicke ich Richtung Tschirgant und sehe den Venet, das ist das pure Glück.

2025 bist du in deine erste Straßenrad-Saison gestartet, neu im US-Team Human Powered Health. Wo werden wir dich dieses Jahr sehen?
Ich darf verraten, dass ich für die Vuelta selektiert wurde, mein ­erstes World Tour Etappenrennen! Viele finden es nervig, nach einem Rennen noch zwei Stunden im Bus zu sitzen, aber ich freue mich drauf: erst Vollgas racen – danach Vollgas erholen. Für mich ist das die totale Challenge.

Wie viele Höhenmeter hat für dich ein harter Tag?
Wenn ich sechs Stunden mit 3000 bis 4000 Höhenmetern fahre, ist das für mich ein Entspannungstag. In der Natur unterwegs zu sein, ist ein Genuss. Harte Arbeit ist da, wo’s wehtut. Und das sind Intervalle: acht mal acht Minuten, Over-Unders an der Laktatschwelle, VO2max-Serien. Abends noch zum Krafttraining ins Gym. Dann weißt du, was du getan hast.

Lange Anstiege gelten als deine ­Spezialität. Wie erlebst du so einen Berg?
Die ersten Minuten sind ungenießbar. Ich versuche, die Wand des Schmerzes zu durchbrechen. Sobald ich durch bin, komme ich in den Flow. Das kann wie Fliegen sein, ein Gefühl, das ich liebe. Es gelingt mir aber nur, wenn ich wirklich ausgeruht bin.

Was hast du im Grenzbereich vor ­Augen?
Für mich ist wichtig, voll im Moment zu sein. Du musst dir sagen: Ich habe keine Angst vor der Anstrengung. Ich weiß, wie ich mich fühle. Ich bin klar mit mir und ich lasse es zu.

Wie fühlt sich dein Limit an?
Als ich jung war – na ja, ich bin ja noch jung, aber als ich noch jünger war, da war das Limit weniger deutlich zu erfühlen. Als junge Athletin fährst du auf dein Limit zu und stößt an eine Grenze. Als erfahrene Athletin spürst du, wo das Problem liegt. Machen die Beine zu, ist die Atemkraft am Ende oder streikt nur der Kopf? Ich denke, dass ich heute stärker und viel gezielter in mein Limit hineinfahren kann.

Und dann?
Willst du dich komplett aus den Schuhen fahren, gehst du einfach drüber. Das geht ein paar Minuten gut, funktioniert bei mir aber nur, wenn ich körperlich auf der Höhe bin. Nur dann ist auch mein Geist bereit.

Sobald ich durch die Wand des Schmerzes bin, komme ich in den Flow. Das kann dann ein Gefühl wie Fliegen sein.

Mona Mitterwallner

Parallel fährst du für Mondraker im MTB-Weltcup. Ist das nicht zu viel?
Beim Blick auf meinen Rennkalender könnte man das denken. Ich finde den Wechsel zwischen den Disziplinen aber reizvoll. Und das Gute an einem Straßenrennen ist: Läuft’s mal nicht so gut, haben die vier Stunden trotzdem einen schönen Trainingseffekt.

Wir werden also nicht erleben, dass du mal einen Gang runterschaltest?
Das habe ich nicht vor.

Hast du etwas in dir, das andere nicht haben?
Ich denke, dass jeder alles in sich hat, was er braucht, um zu erreichen, was er erreichen möchte. Viele Menschen haben das wohl im Laufe ihres Lebens in sich vergraben. Ich habe das Glück gehabt, dass meine Familie mir immer die Möglichkeit gab, mich auszuleben. Deshalb musste ich nie etwas ausgraben. Vielleicht weiß ich deshalb so genau, was ich will.

Welchen Tipp gibst du den Mädels, die so werden wollen wie du?
Meine Oma hat mich darin bestärkt, klar zu sagen, was ich denke. Ich bin sehr direkt. Und das kann ich nur empfehlen. Wenn ihr aufrichtig und zielstrebig seid, wenn ihr erklären könnt, warum ihr etwas tun möchtet, wird niemand etwas dagegen haben. Es gewinnen die, die am entscheidenden Tag etwas anders machen. Also tut, was ihr im Kopf habt! Und sagt „Ja“ zum Anderssein … 

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Mona Mitterwallner

wurde am 9. Jänner 2002 in Hall in Tirol geboren. 2021 wurde sie im Alter von 19 Jahren jüngste Cross-Country-Weltmeisterin im MTB-Marathon (XCM). 2023 und 2024 holte sie ihren zweiten und dritten WM-Titel im Marathon. Seit 2025 fährt sie für das spanische Factory XC Team Mondraker und startet in ihre erste Straßenradsaison für die US-Equipe von Human Powered Health. Ihr Ernährungspartner ist Panaceo.

Mona ist ledig und lebt in Imst.

Web: www.monamitterwallner.at