In den Bergen wurde schon gelaufen, als es noch gar keine speziellen Schuhe dafür gab. Heutige Trailrunningschuhe sind vollgepackt mit Hochtechnologie und vielfältig wie nie. Freizeitläufer profitieren dabei direkt von der Erfahrung von Elite-Trailrunnern. Von groben Stollen zum Hightech-Sportgerät – unser Blick auf die Trailschuhe 2025.
Trailrunning ist für viele heute zum Lebensgefühl geworden. Dabei ist das Laufen abseits befestigter Wege nicht neu – in den Bergen wurde schon gelaufen, ehe es spezielle Schuhe dafür gab und als man noch Berglauf statt Trailrunning sagte. So erinnert sich der siebenfache Berglauf-Weltmeister Jonathan Wyatt, heute Produktentwickler bei La Sportiva, an seine Anfänge zurück: „Ich benutzte Straßenlaufschuhe und fand ein paar mit einer Außensohle, die kleine, griffige Gummiteile hatte. Diese benutzte ich für zwei Saisonen, weil sie die besten waren, die ich finden konnte. Generell waren Trailrunningschuhe früher zu schwer, um sie bei Rennen einzusetzen. Sie waren entweder wie leichte Wanderschuhe, zu hart oder zu steif. Oder sie waren Straßenlaufschuhe mit groben Stollen ohne Stabilität.“ Österreichs Traillauflegende Markus Kröll kann ebenso etliche Anekdoten aus den Frühzeiten seiner Karriere erzählen, unter anderen, dass ihm sein damaliger Ausrüster beschied: „Markus, kein Mensch läuft in den Bergen.“ Bei Salomon stieß er dann endlich auf offene Ohren und auf einen legendären Schuh, den es heute noch gibt: den Speedcross. Bei Brooks ist ein ähnlicher Klassiker ebenfalls nach wie vor im Trail-Sortiment zu finden: Der Cascadia, mittlerweile in der 18. Generation, entsprang ursprünglich in den frühen 2000er-Jahren einem Zufallstreffen des heute nicht minder legendären Trailrunners Scott Jurek mit dem damaligen Brooks-CEO Jim Weber. Mit Hilfe des vielfachen „Western States 100“-Siegers entstand ein Schuh, der nicht nur bis heute alle Trends überlebt hat, sondern ähnlich wie der Salomon Speedcross den Weg zum modernen Trailrunningschuh geebnet hat.
Entwicklung im Labor und an Athletenfüßen
Heute? Sind Trailrunningschuhe in einer Vielfalt wie nie zuvor zu haben – und hochtechnologische Meisterwerke. Das ist auch der Zusammenarbeit zwischen Marken und Athleten zu verdanken. Sascha Stöfelmayer von Salomon sagt dazu: „Der größte Innovator ist der Athlet selbst.“ Am Beispiel von Salomons S/LAB Ultra-Serie: Dieser Schuh als frühes, stark gedämpftes Modell wurde in enger Zusammenarbeit mit dem dreifachen UTMB-Sieger Francois d’Haene entwickelt, der mit seiner Statur (189 cm, 80 Kilo) den federleichten Trailrunnern à la Kilian Jornet entgegensteht und entsprechend seinem Laufstil eigene Ansprüche an einen Schuh stellt. Hinter einfachen Zielen – mehr Dämpfung, mehr Komfort – verbergen sich komplexe Entwicklungsprozesse.
So gleicht die Außensohle des aktuellen 2025er-Topmodells S/LAB Ultra Glide – als direkter Nachfahre der genannten Serie – einer Mondlandschaft, die das Ergebnis zahlloser Druckpunktanalysen mit Hunderten Athletenfüßen ist. „Wenn du bei Kilometer 50 eine schmerzende Stelle bekommst, dann wird das nicht besser – sondern im Gegenteil: Die Schmerzen werden exponentiell stärker“, sagt Stöfelmayer dazu. Die Einbuchtungen der Sohle verhindern den permanenten Druck auf die empfindlichen Stellen der Fußsohle. Ergebnis der ganzen Forschungsprozesse ist heute insgesamt ein leichter, komfortabler und dennoch extrem reaktionsfreudiger Schuh, der gezielt Ermüdung und Verletzungsrisiken senkt. Freizeitläufer können damit Schuhe tragen, die auf den anspruchsvollsten Ultratrails von den besten Athleten der Welt gestestet wurden – und auf ihrer Haus-Trailrunde oder auch am Waldweg davon profitieren.
Die Vielfalt auf den Trails
Typisch ist heute auch die Vielfalt der Sortimente: Marken wie Salomon, Brooks, La Sportiva, Scott oder Asics bieten Modelle für jeden Trailtyp und jedes Leistungslevel. Am Beispiel Brooks: „Der Cascadia 18 bietet durchgehenden Schutz, perfekte Traktion und genug Dämpfung und ist für schnelle, wendige Bewegungen auf technischen Trails ideal“, wie es Brooks-Experte Tim van Beelen beschreibt. Daneben stehen Modelle wie der Caldera 8, ein komfortabler Ultralaufschuh für lange Distanzen auf weniger technischem Untergrund oder der leichte Catamount 4, der Speed-Fans auf gemischten Trails anspricht. Mit dem Divide 5 gibt es zudem einen Schuh, der auf der Straße und genauso auf Schotter funktioniert.
Auch bei La Sportiva ist das aktuelle Portfolio extrem diversifiziert. Jonathan Wyatt beschreibt es so: „Heute haben wir Schuhe für Vertical Races, Ultratrails, technische Bergtrails, aber auch Schnee und Matsch – keine dieser spezifischen Optionen war früher verfügbar.“ Stolz ist Wyatt auf die aktuelle Prodigio-Serie, die mit innovativem Schaumstoff, internem Wrapping-System und Powerwire-Obermaterial sowohl Komfort als auch Stabilität bietet. Zwei Pole, die unter einen Hut zu bringen, alles andere als einfach ist.
Gravel – keine Grenzen im Kopf
Was beim Radfahren etabliert ist, hält auch im Laufsport Einzug – nämlich Gravel. Sowohl Salomon also auch Scott bieten seit heuer Schuhe unter dieser Kategorisierung. Wie das Gravelbike, das auf der Straße ebenso wie auf (leichten) Geländewegen eine Top-Performance abliefert, sollen das nun auch die Laufschuhe schaffen. Der Schritt war nur logisch – denn auch wenn die Werbebilder anderes suggerieren, sind die meisten Freizeit-Trailläufer nicht im hochalpinen Gelände unterwegs, sondern auf Forststraßen, Wiesen und Feldwegen. Und einige Kilometer Anlaufstrecke von der Haustür, ehe man ins Gelände gelangt, hat fast jeder.
Von Scott gibt es den Pursuit Gravel als Ergänzung zum Straßenlaufschuh Pursuit Ride ganz neu im Sortiment. Neben einer geländetauglichen, griffigen Außensohle „liegt ein Unterschied im verstärkten Außenmaterial, das dem Schuh neben besserer Abriebfestigkeit auch ein gewisses Maß an Stabilität gibt“, erklärt Alexander Schober von Scott. Ob sich „Gravel“ beim Laufschuh als neue, feste Kategorie etablieren wird? Einiges spricht dafür, meint Schober: „Hier wie dort geht es um die Verbindung von Straße und Offroad, also das Laufen auf wechselndem Untergrund ohne extremes Gelände – das Bedürfnis nach solchen vielseitigen Schuhen wächst.“ Und auch wenn (noch) nicht alle „Gravel“ sagen, so haben unter Bezeichnungen wie „Door-to-Trail“, „Hybrid“ oder „All-Terrain“ auch andere Marken ähnlich vielseitige Schuhe im Angebot.
Schon der zweite Gravelschuh ist bei Salomon mit dem Aero Glide 3 GRVL soeben auf dem Markt gelandet. Neben der Vielseitigkeit der Außensohle findet Sascha Stöfelmayer auch die „Vielseitigkeit der Zwischensohle“ spannend: „Ich kann den Schuh gemütlich laufen, mit hohem Komfort, aber auch schnell durch den starken Rebound, den man sofort spürt, wenn man den Schuh trägt.“ Keine Grenzen im Kopf, nicht nachdenken müssen, welchen Schuh man heute anzieht, wenn man losläuft – auch das ist für den Salomon-Experten „Gravel“.
Für wirklich jedes Bedürfnis findet man heute also seinen Trailrunningschuh. „Vielleicht wäre ich mit den heutigen Schuhen damals schneller gewesen“, mutmaßt Jonathan Wyatt – ziemlich sicher wäre er mit noch mehr Freude gelaufen.