Italien und Berglauf – da passt kein Blatt Papier dazwischen. Der Südtiroler Trailrunner Andreas Reiterer aus dem Team La Sportiva setzt diese große Tradition in seiner Heimat mit Leidenschaft fort.

Christof Domenig
Christof Domenig

Andreas Reiterer hat das Wettkampfgen, das lässt sich getrost sagen. „Ich bin gern draußen und bewege mich gern. Aber einstweilen ist es schon noch so: Das ganze Training mache ich, damit ich mich messen kann. Der Wettkampftrieb“, sagt der 32-jährige Südtiroler. Einer, der kein Lauter ist, sondern in Interviews stets bescheiden auftritt und extrem sympathisch rüberkommt. 

Zum Trailrunning fand er auf Umwegen, nachdem er sich als jugendlicher Skirennläufer zweimal in zwei Jahren das Kreuzband gerissen hatte. Nach ein paar Jahren ohne Sport nahmen ihn Kollegen zu einem Berglauf mit – und er fühlte sich sofort aufgehoben. In Südtirol und generell Italien hat das Laufen in den Bergen ohnehin seit jeher einen hohen Stellenwert. „Als kleiner Junge habe ich schon immer zugeschaut – bei mir im Dorf hat es ein Rennen gegeben, im Nachbarort ebenfalls. Fast in jedem Ort der Umgebung fanden Rennen statt. Wir haben auch richtig gute Läufer bei uns gehabt. Der reine Berglauf ist mittlerweile ein bisschen zurückgegangen – heute boomt Trailrunning dafür richtig. Wenn man will, könnte man jede Woche bei uns einen Wettkampf laufen.“ 

Und Andreas Reiterer will oft. Mit Skyraces, kurzen Bergaufrennen, stieg er 2014/15 in die Szene ein. Die Vorliebe für steiles und technisches Gelände hat er sich bis heute bewahrt, auch wenn sich mittlerweile Ultraläufe rund um 100 km als sein „Sweet Spot“ erwiesen. Das Training richtet er danach aus. Die Pläne schrieb er sich lange selbst – seit rund einem Jahr ist Lars Schweizer (Two peak sendurance) sein Trainer. Kürzere Rennen nimmt er als Vorbereitung für die langen immer wieder gern mit. Die Erfolge geben ihm recht: Seine sportliche Vita ist gespickt mit Siegen und Podestplätzen. Den Chianti Ultra Trail by UTMB hat er zweimal, zuletzt 2024, gewonnen. Beim Lavaredo Ultra Trail wurde er heuer Dritter.
 

Wenn man will, könnte man bei uns jede Woche bei einem Berglauf oder Trailrun mitlaufen.

WM-Sololauf an der Spitze 2023
2023 wurde Andreas Reiterer bei den World Mountain and Trailrunning Championships (WMTRC) in Innsbruck-Stubai Vizeweltmeister im Trail Long – was zu den Besonderheiten einer sich rasant entwickelnden Sportart überleitet. Die gemeinsame WM von Trailrunnern und Bergläufern fand heuer Ende September in Canfranc in den spanischen Pyrenäen (nach Redaktionsschluss) zum erst dritten Mal statt – zum dritten Mal an einem anderen Termin im Saisonverlauf. Einem, der Kritik hervorrief: nur einen Monat nach dem Jahreshighlight im Trailrunning, dem Ultra-­Trail du Mont Blanc (UTMB). Trotz kurzer Regenerationszeit nahm Reiterer beide Rennen in Angriff. Beim „CCC“, dem 100-km-Lauf im Rahmen des UTMB, lag er lange auf Platz fünf, wurde am Ende Elfter.

Die Weltmeisterschaften und Andreas Reiterer, das passt bislang sehr gut zusammen. Bei der ersten Auflage 2022 in Thailand holte er Bronze. Innsbruck-Stubai 2023, nur eineinhalb Stunden von seiner Heimat entfernt, war fast ein Heimrennen für ihn. Stundenlang lief er im Trail Long (86 km/6000 hm) solo an der Spitze, ehe ihn Mitte des letzten von sechs Anstiegen der Franzose Benjamin Roubiol abfing. „Ich war zuvor gefühlt jedes Wochenende auf der Strecke und hab sie in- und auswendig gekannt. Beim Rennen waren so viele aus meiner Heimat da, das war gigantisch – und ich hatte noch dazu einen sehr guten Tag.“ Dass er sich vom guten Gefühl hinreißen ließ und sich etwas zu früh vom Feld absetzte, sei vielleicht taktisch nicht ideal gewesen – „aber es war nie eine Enttäuschung, immer nur Freude über Silber“.

Mit 32 Jahren hat Andreas Reiterer noch etliche starke Jahre – und Rennen – im Ultratrailrunning vor sich. „Es kommen aber auch immer mehr starke Jüngere nach.“ Wie überhaupt Trailrunning stetig mehr Menschen in den Bann zieht. Sein Tipp für Hobbyläufer? „Zu Beginn macht es jeder aus Freude – mit der Zeit kommt der Ehrgeiz dazu. Dabei soll man die Lockerheit nicht verlieren und nicht vergessen, warum man es macht: Weil das Laufen, die Zeit in der Natur, einfach Freude bereitet.“ Und das sehen immer mehr Sportler:innen so – ob mit oder ohne Wettkampfgen. 

Einer mit ­Wettkampfgen: Der Südtiroler Weltklasse-­Trailrunner Andreas ­Reiterer im Porträt
Andreas Reiterer

Geb. am 10. Nov. 1992, wohnt in Hafling (Südtirol) und gehört zu den weltbesten Trailrunnern – speziell auf Distanzen rund um 100 km. 2023 Vizeweltmeister in Innsbruck-Stubai im Trail Long (86 km, 6000 hm), 2022 WM-Dritter auf derselben ­Distanz. Weitere Top-Erfolge: 2025 3. beim Lavaredo Ultratrail (120 km, 5800 hm), 2024 Sieg beim Eiger Ultra Trail (100 km) und Chianti Ultra Trail (100 km). Läuft für das Team La Sportiva.

Instagram: @andreas_reiterer