Ein Gespräch unter Läufern. Es geht um das richtige Verhalten bei einem anrückenden Gewitter. Der eine plädiert für das Unter­stellen bei großen Bäumen. Der andere für das genaue Gegenteil. Besser wir fragen gleich den Experten, den ORF-Wetterchef und mittlerweile viel gebuchten Klima-Vortragenden Marcus Wadsak. Der ganz nebenbei ein begeisterter Läufer und Radfahrer ist.

Wolfgang Kühnelt


Marcus, der natürliche Feind des Outdoorsportlers ist das Gewitter. Werden die durch den Klimawandel häufiger oder heftiger – oder beides? Womit müssen wir in Zukunft rechnen?
Bisher ist es schwer, bei Gewittern einen signifikanten Trend zu sehen. Was aber rein logisch die Physik bedingt: dass mit zunehmender Temperatur mehr Energie in der Atmosphäre ist und die Gewitter damit häufiger und heftiger werden. Wir sehen das beim Starkniederschlag sehr deutlich.

Wie gut und wie punktgenau sind eure Prognosen mittlerweile? Soll ich vor dem Laufen wirklich noch den Wetterbericht checken? 
Ich muss gestehen, dass es in der Prognose zwei Dinge gibt, die für uns noch sehr schwierig sind: die Bildung und Auflösung von Hochnebel und die Gewitter. Man kann sie zwar fünf Tage vorher sehen, drei Tage vorher kann man sagen, in welchen Teilen Österreichs die Wahrscheinlichkeit für Gewitter am höchsten ist, am Tag davor ist es noch genauer erkennbar, in welcher Region es gewittrig werden kann. Das war es dann aber auch schon mit der längerfristigen Prognose. Läufer können und sollen sich daher unmittelbar vor dem Start über die Wetterlage informieren, am besten über ein Radar. Das geht punktgenau und exakt. Sehr gut für Niederösterreich, Oberösterreich, Wien und das Burgenland geeignet ist das tschechische Radar, das kostenlos verfügbar ist. Für den Süden und Westen gibt es andere Angebote im Netz. Das Radar der Austro Control ist halt leider ziemlich kostspielig. Aktuelle Wetterwarnungen gibt es auch immer auf Ö3 und auf wetter.orf.at

Bei Regen laufen ist ja eigentlich schön. Bei welcher Prognose sollte ich trotzdem zu Hause bleiben?
Das muss jede und jeder für sich selbst entscheiden. Manche laufen gar nicht bei Regen, andere gehen auch bei Gewitter raus und zählen die Sekunden. Wenn eine aktuelle Wetterwarnung für mein Gebiet kommt, würde ich den Lauf aber jedenfalls verschieben.

Lieber nass werden und nicht vom Blitz getroffen werden.

Marcus Wadsak, ORF-Wetterchef

Was tun, wenn man dann doch im Wald unterwegs ist und rundherum beginnt es zu blitzen und zu donnern?
Darauf gibt es keine wirklich gute Antwort. Wenn man im unverbauten Gebiet und nicht im Gebirge unterwegs ist, wird man als Erstes die Sekunden zwischen Blitz und Donner zählen. Dividiert durch drei ist das dann der Abstand in Kilometern. Habe ich also drei Sekunden und damit einen Kilometer, wird es langsam heikel. Sicher bin ich in einem Auto oder in einem Haus mit Blitzableiter. Wenn das nicht zur Verfügung steht, würde ich mich von den höchsten Bäumen fernhalten und mir einen Unterschlupf suchen. Vor allem, wenn es ein hoher Baum ist: Lieber nass werden und nicht vom Blitz getroffen werden!

Also raus aus dem Wald?
Ja, allein schon, weil vor dem Gewitter die Sturmböen kommen. Und wenn da vorher schon die morschen Äste herunterfallen, möchtest du auf keinen Fall unter einem Baum stehen.

Die alten Weisheiten wie „Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen“ sind Quatsch?
Nein, das beruht auf einem Übersetzungsfehler. Das Weichen von Eichen steht für: Weg von den hohen Bäumen. Während mit den Buchen eigentlich Büsche gemeint waren. So gesehen passt das durchaus.

Wenn du in deinem natürlichen Habitat am Neusiedler See läufst, merkst du da die Einflüsse des Klimawandels auch schon?
Ja, absolut. Das zweite Problem neben den Gewittern ist ja für Sportler die Hitze. Was wir 2018 erlebt haben, war einfach unfassbar. Ab 25 Grad wird es mühsam mit dem Laufen. Wir haben im Burgenland im langjährigen Durchschnitt ungefähr 60 Tage, an denen das zu erwarten ist. Im vergangenen Jahr aber hatten wir im Seewinkel 127 solcher Tage, also mehr als doppelt so viele. Wir müssen damit rechnen, dass sich die heißen, schwülen Tage häufen. Und das merkt wahrscheinlich jeder, der alt genug dafür ist.

Kann man die Gewittersaison eigentlich genau eingrenzen? Ist das nur der Hochsommer?
Die meisten Gewitter finden im Juli und August statt. Von April bis Ende September kann man von der Gewittersaison sprechen, im Oktober sind sie schon recht selten. Aber ausschließen kann man sie nie. Wir hatten heuer in Wien, wo Gewitter eigentlich recht selten sind, schon im Jänner zwei solcher Tage. 

Marcus Wadsak
Marcus Wadsak
startete seine Karriere unmittelbar vor dem Abschluss des Meteorologie Studiums beim Radio und leitet seit 2012 die ORF-TV-Wetter Redaktion. Mit seiner Frau, einer prominenten ATV-Moderatorin, lebt er am Neusiedler See. In seiner Freizeit fotografiert er leidenschaftlich gern und läuft am See oder im Wiener Prater.