Die etwas andere Radfahrt: Die Fuga 300 führte vom Gletscher ans Meer und hat das Zeug zum Klassiker. SPORTaktiv war wieder im Sattel.

Christoph Heigl
Christoph Heigl

Die Fuga ist anders. Wo sonst sieht man exakt an der Staatsgrenze einen Motorradpolizisten beim freudigen Abklatschen mit einem 85-köpfigen Feld von Radfahrern? Bis hierher begleiten uns nämlich zwei Beamte auf Motorrädern fürsorglich, leiten uns über rote Ampeln und sperren Kreuzungen. Für diesen Superservice gibt es im Vorbeifahren High Five und Daumen nach oben. Der Polizist als Freund und Helfer des Rennradfahrers? Erlebt man auch nicht alle Tage.

Wo sonst verkleiden sich Radfahrer wie Banditen, die eine Postkutsche überfallen wollen? Halstücher über den Mund, Helm tief ins Gesicht gezogen, breite Brillen, entschlossener Blick. So steht das Starterfeld der Fuga um 6.45 Uhr auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe. Die 2369 Meter Seehöhe bieten einen atemberaubenden Blick auf den Großglockner, allerdings bei exakt –0,2 Grad. Durch den böigen Wind fühlt es sich wie im Gefrierfach an, unsere Freude auf die Fahrtkann er aber nicht verblasen.

Flucht aus der Komfortzone
Wo sonst kann man den Begriff Fuga so vielschichtig interpretieren? Das italienische Vokabel für „Flucht“ ist eben nicht nur im Radsport die Ausreißer- und Fluchtgruppe, sondern wird bei uns auch interpretiert als Flucht aus der Kälte, Flucht aus der Komfortzone, Flucht aus dem Bürojob, Flucht in den Süden. Vorweg: Keine Hetze, alle „Flüchtlinge“ kommen wohlbehalten in Grado an.

Wo sonst tanzen Radfahrer am Strand um einen Eisblock (!) wie Kannibalen um ihre Beute im kochenden Suppentopf. Da zücken selbst die gechillten Urlauber in Grado ungläubig ihre Handys, als Organisator Michael Kummerer vor den Augen von Grados Bürgermeister Dario Raugna als Gag einen Eisblock präsentiert, den er in der Früh am Glockner eingepackt und im Auto mitgenommen hat. Wie den WM-Pokal stemmen ihn viele euphorisch in die Höhe. Campeones, oh, oh! In der adriatischen Abendsonne bekommt „Gletscherschmelze“ dann eine ganz neue Dimension. Auch als sich ein sechsjähriger Knirps später mit den Glockner-Überresten aus dem Staub macht …

Wo sonst sagt ein gestandener Ex-Profi wie Paco Wrolich, so eine Ausfahrt habe er auch noch nie erlebt. Mit SPORTaktiv-Geschäftsführer Alfred Brunner meistert ein weiterer Ideengeber dieser Aktion die 300 Kilometer. Nachdem SPORTaktiv schon 2017 bei der inoffiziellen Geburtsstunde live dabei war, als eine Handvoll Radler aufbrach, radeln wir auch 2018 bei der offiziellen Premiere stolz in der Lagunenstadt ein. Übrigens: Vier mutige Damen mischten sich unters Männervolk, die Fuga wird weiblich.

9 Stunden Fahrtzeit und 300 Kilometer
Wo sonst ist man als Hobby-Radfahrer mit neun Stunden reiner Fahrzeit 300 Kilometer lang (1700 Höhenmeter) und mit einem rasanten 33er-Schnitt unterwegs? Der Windschatten im großen Feld lässt jeden mitkommen, die Fittesten fahren eben in den ersten Reihen „im Wind“, die anderen hinten. Für jede(n) ist etwas dabei. Wo sonst hat man bei einer Radausfahrt einen Profi-Mechaniker wie Norbert Kostel mit mobiler Werkstatt dabei? Einen Emil Haller am Begleitmotorrad mit Trinkflaschen, zwei Reisebusse als Shuttle, zwei Stationen mit bestem Essen und ein fürsorgliches Organisationsteam, das dir jeden Wunsch von den Lippen abliest? Oder einen Start- und Zielbogen? Das ist wie bei einem Profirennen. Oder noch viel besser, weil eben ohne Wettkampfstress.

Wo sonst kann man bei einer Ausfahrt den Faxen von Ex-Profi und Stimmungskanone René Haselbacher lauschen. Sein „Herrrrrlich“ schallt wieder über der Fuga, seine feinen RH77-Trikots zieren die Körper aller Teilnehmer. Übrigens, Skisprung-Olympiasieger und Weltmeister Martin Koch ist auch „auf der Flucht“ live dabei.
Die Fuga ist erwachsen geworden, wird noch weiter wachsen und viel Eis schmelzen lassen. Wir steigen 2019 garantiert wieder in den Sattel. 
Denn die Fuga ist anders.

Das war die FUGA 2018

FUGA 300 – 23. Juni 2018:
Strecke: 300 km, 1700 hm
Start: Franz-Josefs-Höhe am Großglockner, Winklarn, Spittal, Villach, Tarvis, Predilpass, Soca-Tal, Cividale, Grado (Ziel)