Auch im Urlaub machen sich immer mehr Menschen Gedanken über ihren ökologischen Fußabdruck – Gäste wie Anbieter. Wir haben uns folglich auch in der Tourismusbranche umgehört.

Christof Domenig
Christof Domenig


Welche Spuren hinterlasse ich mit meinem Tun in der Landschaft und der Welt? Wie kann ich mein Verhalten danach ausrichten, möglichst wenig CO2 zu verursachen? Fragen dieser Art stellen sich immer mehr Menschen auch für ihren Urlaub. Denn auch dort gilt: Die Natur als Ressource für Erholung und Aktivität erhält sich nicht von selbst, sondern benötigt die Mithilfe jedes Einzelnen! 

Auch jene der Tourismusanbieter – und diese nehmen die Herausforderung zunehmend an. Zum Beispiel in der Tiroler Region Wilder Kaiser, wo 2017 ein Prozess unter Bürgerbeteiligung gestartet wurde, „weil man sich Gedanken um die Zukunft gemacht hat, aber auch, weil an manchen Stellen ein gewisses Unwohlsein spürbar war. Aufgrund des Verkehrs oder weil zu manchen Zeiten an bestimmten Punkten schon zu viele Menschen waren“, wie Theresa Aigner vom TVB Wilder Kaiser erläutert.

Auf Basis der „Strategie 2024“, die 2019 als Zukunftsprogramm für die Region beschlossen wurde, entstand im Winter 2021 die Initiative #wirzusammen – mit zahlreichen Ansätzen, um Tourismus in der Region nachhaltiger zu leben und anzubieten. Von CO2-Einsparungen, über die regionale und saisonale Lebensmittelversorgung bis hin zum Erstellen einer Gemeinwohlbilanz als erster österreichischer Tourismusverband. „Tourismus ist kein Selbstzweck. Wir betreiben Tourismus, damit es einerseits uns in den Bergen gut geht und es andererseits auch den Gästen, die zu uns kommen, gut geht. Daraus ist diese Vision einer ausgezeichneten Lebensqualität aller hier lebenden, arbeitenden und urlaubenden Menschen entstanden“, sagt Aigner. 

Auch wenn also weit mehr dazugehört als Mobilität – beim „klimaschonenden Reisen“ denkt man in der Regel zuerst an die An- und Abreise sowie das Bewegen vor Ort. Zu Recht, denn dadurch lässt sich als Urlaubsgast der größte Brocken an CO2-Emissionen einsparen. Laut Fußabdrucksrechner der TU Graz (www.fussabdrucksrechner.at), mit dem sich die Auswirkungen von Urlauben berechnen lassen, verursachen 600 Kilometer im benzinbetriebenen Pkw mit Zweierbesetzung rund 250 kg CO2-Emissionen pro Person. Die Bahnfahrt schlägt dagegen mit weniger als 10 kg pro Kopf zu Buche.

Intelligente Lösungen sind vor allem für die „letzte Meile“ gefragt: „Wir haben dafür zweierlei Ansätze“, so Aigner: Erstens die Gästecard, die man sich vorab digital schicken lassen und dann vom Bahnhof weg alle öffentlichen Verkehrsmittel gratis nutzen kann. Seit heuer gibt es zudem das Konzept der „grünen Anreise“ in der Tiroler Region, bei der viele Unterkünfte mitmachen. Der Shuttle vom Bahnhof in die Unterkunft ist dann schon dabei und organisiert. Neben Öffis stellen etwa auch Leih-E-Bikes die Mobilität während der Urlaubswoche sicher. 

Mit zum Mobilitätskonzept gehören auch die Urlaubsberaterinnen im Tourismusverband, die auch ausgebildete Mobilitätsberaterinnen sind: „Gästen wird geholfen, die besten Verbindungen zu finden, ein Shuttle zur Unterkunft organisiert usw. Es geht darum, es den Menschen so einfach wie möglich zu machen – damit sie erkennen, dass eine Bahnanreise eigentlich sehr angenehm ist“, sagt Aigner. 

Ein erfolgreiches Konzept mit Gästekarte, die als Ticket für den öffentlichen Regionalverkehr gilt, gibt es auch im Tiroler Pillerseetal in den Kitzbüheler Alpen. „Laut im Juli 2019 durchgeführter Zählung waren es 780 Gäste pro Tag, die die Regionalbahn zwischen Wörgl und Hochfilzen mit der Gästecard genutzt haben, mittlerweile werden es schätzungsweise 1000 sein“, sagt Armin Kuen, Geschäftsführer der Region Pillerseetal. Die Nachfrage nach zertifizierten „bahnfreundlichen Unterkunftsbetrieben“, die sich zum Beispiel durch die Erreichbarkeit vom Bahnhof auszeichnen, steige spürbar, so Kuen.

Vom Verband zum einzelnen Betrieb: Aus dem Grundgedanken heraus, Gästen den Nationalpark als Schutzgebiet näherzubringen, entstanden schon 2009 die „Nationalpark Hohe Tauern Partnerbetriebe“ im Osttiroler Teil des gleichnamigen Nationalparks. „Gäste achten heute immer stärker darauf: Wo wird nachhaltiger Urlaub angeboten und welche Gedanken macht sich ein Gastgeber zu diesem Thema“, bestätigt Elisabeth Rogl, Obfrau der Vereinigung, die Bedeutung des damals eingeschlagenen Wegs. Der Gast merke die entsprechende Ausrichtung in den Partnerbetrieben an vielen Kleinigkeiten, sagt Rogl. Wichtigstes Thema: ein saisonales und regionales sowie zunehmend auch vegetarisches und veganes Angebot. „Wir bieten dazu Kurse für unsere Mitglieder an. Das ist ein großer Punkt, um den Ansprüchen der Gäste gerecht zu werden.“
 

Gäste achten immer stärker darauf: Wo wird nachhaltiger Urlaub geboten, welche Gedanken macht sich ein Gastgeber zu dem Thema.

Werfen wir noch einen Blick ein Stück weiter in den Süden Österreichs: Die Kärntner Tourismusregion Nassfeld-Pressegger See/Lesachtal/Weissensee wurde vom Klimaschutzministerium für ihren Weg zur „nachhhaltigsten Tourismusregion Österreichs“ ausgezeichnet. Warum man sich dort für einen „anderen Weg“ im Tourismus  entschieden hat? Christopher Gruber, Geschäftsführer der Tourismusregion, verweist einerseits auf die große Bedeutung des Naturschutzes in der Region schon in der Vergangenheit. Er betont aber auch: „Im Fokus aller Überlegungen stehen die Menschen in der Region. Denn wenn in der Region zufriedene Menschen leben und arbeiten, schlägt sich das automatisch auf den Gast nieder.“ 

Auch in der Kärntner Region geht es einerseits um viele Einzelmaßnahmen – in Summe aber vor allein um ein Gesamtkonzept, wo ein Rad ins andere greift: 29 Institutionen und Unternehmen haben gemeinsam ein umfangreiches Konzept mit zehn großen Maßnahmenfeldern und Hunderten Einzelmaßnahmen ausgearbeitet. Aufbauend auf vielem, das bereits umgesetzt wurde, hat man sich zahlreiche ambitionierte Ziele gesetzt, die je nach Umfang zwischen 2024 und 2030 erreicht werden sollen. Zu den Schwerpunktthemen gehört Energieeffizienz, der Ausbau der klimafreundlichen Mobilität oder die Positionierung als „Slow-Food-Travel-Region.“

Letztere, als Zusammenarbeit zwischen Tourismus und den landwirtschaftlichen Produzenten, sei eine Art „Leuchtturm-Projekt“, erklärt Gruber. „Wir möchten unsere Gäste wie Einheimische an der Lebensmittel-Produktion teilnehmen lassen, um ein Gefühl zu vermitteln: Wie ticken die regionalen Produzenten, warum ist die Erzeugung nachhaltiger Lebensmittel etwas mühsamer als die industrielle Produktion? Warum kostet es, was es kostet?“ Rund 130 Workshops gibt es übers Jahr zu dem Thema. Genuss- und Naturbotschafter werden  ausgebildet, um die Botschaft weiterzutragen. Ziel im Bereich der Kulinarik ist die regionale Ernährungssouveränität und der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft.

All die Beispiele zeigen, dass der „grüne Wandel“ auch im Tourismus eingesetzt hat – wenngleich der Weg, der zurückgelegt werden muss, noch weit ist. Die Vorreiter unter den Regionen und Anbietern darf man gern unterstützen – und so auch mit seinem eigenen Urlaubsverhalten einen kleinen Beitrag in der gemeinschaftlichen großen Anstrengung, die es braucht, leisten.