Wer schneller rennt, ist früher am Ziel. Was für Wettkampfläufer eine Binsenweisheit ist, ist auch für reine Fitnessjogger von größerer Relevanz, als es auf den ersten Blick scheint. Denn tatsächlich spricht vieles dafür, im Lauftraining von Zeit zu Zeit ordentlich Gas zu geben.


Fallen in Hobbyläuferkreisen Worte wie „Intervalltraining“ oder „Entwicklungsbereich“, dann klinken sich viele gleich einmal reflexartig aus: „Danke für den Hinweis, aber das überlass ich lieber den Profis und Ehrgeizlern.“ Und los geht’s wieder im gewohnten Trabtempo. Leider verzichten damit diese Speedverweigerer auch auf die Vorteile, die ein regelmäßig eingestreutes, verschärftes Tempotraining bringt. Denn im Laufen ist es wie im Leben: Um wirklich vorwärts zu kommen, muss man ab und zu raus aus seiner Komfortzone!

„Viele Hobbyläufer verfügen über eine gut trainierte Ausdauerfähigkeit. Um aber länger auch in forciertem Tempo laufen zu können, bedarf es regelmäßiger Belastungsspitzen – am besten in Form eines Intervalltrainings“, erklärt SPORTaktiv-Laufexperte Kurt Steinbauer. Diese Trainingsform, bei der innerhalb einer Einheit mehrmals über bestimmte Zeiträume oder Strecken fast „auf Anschlag“ gelaufen wird, tun sich aber nur wenige an. Dabei ist sie, richtig eingesetzt, viel wirkungsvoller als ständig eintöniges Langsamlaufen.

MUT ZU HOHEN "DREHZAHLEN"
Die Frage, warum von der schnelleren Gangart nicht nur die Wettkampfläufer und „Bestzeitenjäger“ profitieren, will unser Laufexperte lieber umgekehrt gestellt wissen: „Wer kann vielmehr darauf verzichten? Nur reine Gesundheitsläufer können sich aufs Dahintraben beschränken, denn die Gesundheitseffekte des Laufens lassen sich auch im Grundlagentempo erzielen. Allen anderen ist jedoch regelmäßiges Tempotraining zu empfehlen.“

Aber beim Thema „Gesundheit“ sind wir schon bei einem Vorurteil, das nicht wenige gegenüber Tempoläufen haben: Oftmals wird vermutet, dass große Anstrengung schädlich fürs Herz-Kreislauf-System sei oder zumindest das Immunsystem über Gebühr belaste. Aber das stimmt schlicht nicht – unser Körper ist grundsätzlich auch für hohe Pulsbereiche angelegt! Man darf sich daher ruhig trauen und sich selbst fordern, indem man sich nach und nach an schnellere Laufpassagen herantastet. Denn vor allem die „passiven Strukturen“, also Muskeln, Sehnen und Gelenke, benötigen Zeit, um sich an mehr Tempo anzupassen.

AUCH ANFÄNGER KOMMEN SCHNELLER VORAN
Die Empfehlung zu hohen Belastungsspitzen gilt auch – und damit sind wir bei Vorurteil Nummer zwei – keineswegs nur für die gut Trainierten, also für die, die bereits langsam und geduldig eine „solide Grundlagenausdauer“ aufgebaut haben, wie es oftmals zu hören ist. Aber auch das ist ein Läufermythos, der so vereinfacht nicht stimmt.

Kurt Steinbauer: „Sogar Laufanfängern empfehle ich explizit ein Training nach der Intervallmethode – denn nichts anderes ist abwechselndes, einminütiges Gehen und Laufen für den reinen Anfänger. Dadurch lassen sich viel schneller Fortschritte erzielen, als würde wenn man krampfhaft versucht, im ‚Schleichtempo’ den Grundlagenpuls einzuhalten. Außerdem verfallen mit dieser Run-and-go-Methode Laufanfänger nicht in diesen schlurfenden Laufstil, der von Neueinsteigern gern verinnerlicht wird und für die weitere Entwicklung einer Läuferkarriere alles andere als ideal ist.“

Übrigens, falls es noch eines Beweises bedarf, dass Intervalltraining das Herz- Kreislaufsystem nicht ungebührlich belastet: Neuerdings wird sogar in der Rehabilitation von Herzinfarktpatienten dazu übergegangen, mit kurzfristigen hohen Belastungsspitzen statt mit ausdauernder, aber mäßiger Pulsbelastung zu trainieren. Wie aktuelle Studien beweisen, lassen sich so einfach schnellere Fortschritte erzielen.

SCHNELLER LAUFEN – SCHNELLER ABNEHMEN
Legen wir einen Zwischenstopp ein und halten wir vom bisher Gesagten nochmals fest: Wer immer nur dahinjoggt, stößt in puncto Trainingsfortschritt rasch an seine Grenzen. Es geht nichts mehr weiter – und das gilt auch für das für viele Hobbyläufer wichtige Thema Abnehmen. Womit wir beim dritten Vorurteil angelangt sind – nämlich dass man sich ausschließlich langsam im „Fettverbrennungspuls“ bewegen muss, um lästiges Körperfett loszuwerden. Auch mit diesem Märchen räumt Lauftrainer Kurt Steinbauer auf: „Abnehmen funktioniert mit schnellem Tempo deutlich besser! Zum einen, weil im schnelleren Tempo einfach mehr Kalorien in gleicher Zeit verbraucht werden. Aber ganz entscheidend für den Energieverbrauch ist auch der aktuelle ‚Fitnesslevel’, über den man verfügt. Das heißt: Wer insgesamt fitter ist, verbrennt nicht nur im Training, sondern auch in Ruhe mehr Kalorien – und damit schmelzen die Kilos leichter. Und den Fitnesslevel kann man eben durch schnelle Läufe oder durch gezielte Spitzenbelastungen viel schneller und effektiver verbessern als durch langsames Laufen.“

WAS HEISST EIGENTLICH „SCHNELL“?
Gründe für schnelleres Laufen gibt es also genug – doch wie geht man es nun genau an? Da ist vor allem Läufern, die noch nicht allzu lange im Geschäft sind und ihren Körper dementsprechend noch nicht so gut kennen, eine Trainingssteuerung durch Herzfrequenzmessung zu empfehlen: Unter den schnellen (Intervall-)Einheiten, von denen wir hier reden, versteht man ein Training, das im Bereich von 85 bis 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz, im sogenannten „Entwicklungsbereich“, durchgeführt wird. Weil aber dieses höhere Tempo nur begrenzt durchgehalten werden kann, werden die Einheiten eben als Intervalle abgespult, bei denen sich schnelle und langsam gelaufene (oder gegangene) Passagen abwechseln.

Die Herzfrequenzmessung ist auch deshalb wichtig, weil Läufer, die sonst immer nur joggen, oft gar nicht glauben, dass sie länger als ein paar Sekunden im Entwicklungsbereich laufen können. Es geht sehr wohl – man muss sich nur dazu überwinden. Eines allerdings muss man unbedingt beachten: „Gerade vor einer schnellen Einheit soll man sich frisch und fit fühlen – sonst kann der Körper den hohen Trainingsreiz auch gar nicht verwerten“, warnt Kurt Steinbauer. Deshalb sollten neben den schnellen Einheiten auch immer genügend Laufeinheiten im Grundlagentempo sowie Erholungspausen auf dem Trainingsplan stehen. Bei drei regelmäßig über die Woche verteilten Laufeinheiten könnte das zum Beispiel so ausschauen:

  • eine lange Einheit im Tempobereich DL1 (= lockerer Dauerlauf mit einem Pulsbereich von 60 bis 75 % der maximalen Herzfrequenz),
  • eine etwas kürzere in DL2 (= mittlerer Dauerlauf, Puls: 75 bis 85 % der HFmax),
  • eine schnelle Intervalltrainingseinheit.

Noch etwas: Je mehr Tempo im Spiel ist, umso wichtiger ist ein ordentliches Aufwärmprogramm. Ist der Körper aber richtig auf Betriebstemperatur, dann darf diese schnelle Trainingsform ruhig ein bisschen weh tun.

FLOTTE TRAININGSVARIANTEN
Zur Gestaltung deines Tempotrainings kannst du auf die zwei bekanntesten Methoden setzen:

  • Das Fahrtspiel: Bei dieser Methode variierst du dein Lauftempo einfach nach Lust und Laune. Die Belastungsvariation kann auch bergauf und bergab übers Gelände erfolgen. Wer sich aber lauftechnisch verbessern (oder auf einen schnellen Wettkampflauf) vorbereiten will, der sollte in der Ebene übers Tempo variieren.
  • Das Pyramidentraining: Diese Trainingsform mit auf- und anschließend wieder absteigender Belastung gibt es im Ausdauer- wie im Krafttraining und ermöglicht es, den Körper auszubelasten. Der Vorteil: Mit zunehmender Ermüdung werden die Intervalle wieder kürzer und dadurch schaffbar. Ein Beispiel fürs Pyramidentraining: Du läufst 1.000 m/1.500 m/2.000 m/1.500 m und 1.000 m, dazwischen machst du jeweils 2 Minuten Gehpausen.


SO WÄRMST DU RICHTIG AUF
Vor Tempo-Trainingseinheiten ist längeres und intensives Aufwärmen nötig. Beispiel: 10 min einlaufen, dehnen, 2 bis 4 Übungen aus dem Lauf-ABC und 2–3 Steigerungsläufe über 80 bis 150 m und schon kann es losgehen!