Noch sind Trailrunner auf den Bergpfaden eine überschaubare Gruppe. Aber eine, deren Zahl rasch wächst. Was auch in den Gebirgs-Urlaubsregionen nicht verborgen bleibt.

Christof Domenig
Christof Domenig

Auf Wanderwegen begegnet man ihnen immer öfter, den meist luftig gekleideten Frauen und Männern in grobstolligen Laufschuhen, mit leichtem Gepäck am Rücken, die bergauf zügigen und bergab lockeren Schrittes gämsengleich leichtfüßig Meter machen. Und die ob ihrer beneidenswerten Verfassung („zach“ sagt der Volksmund) fast immer noch einen Gruß und ein Lächeln für alle überholten Rucksackträger in deren klobigen Wanderschuhen parat haben. Kein Wunder, dass im Land der Berge und in den umliegenden Alpenregionen auch Tourismusdestination die berglaufenden Genießer als Zielgruppe entdecken – und als Trailrunning-Regionen zum Beispiel mit eigens ausgewiesenen und -geschilderten Trailrunning-Strecken, aber auch mit Camps und Events um die neue Zielgruppe buhlen.

Wobei: Wo ein Wanderweg, da auch ein Weg zum Trailrunning – oder etwa nicht? Was unterscheidet eine Trailrunning-Region also von jeder beliebigen Bergurlaubsregion? „Nicht jeder Weg eignet sich zum Laufen“, hält Gerhard ­Gstettner, Geschäftsführer vom TVB Pitztal in Tirol, zu der Frage zunächst fest: „Zu steil heißt unlaufbar und auch ein zu hoher Forstwege-Anteil ist nicht das, was die Zielgruppe sucht. Wir haben deshalb aus mehreren Wanderwegen die idealen Strecken zusammengesetzt und extra beschildert.“

Franz Naturner, Geschäftsführer von Gasteinertal Tourismus in Salzburg, merkt zur selben Frage an: „Ein wesentlicher Unterschied ist meines Erachtens die Kompetenz, die vor Ort gegeben ist.“ Und Peter Semmler vom TVB Obertauern weist auf die spezielle Höhenlage des Ortes an der Grenze zwischen Salzburger Lungau und Pongau hin: „Bei uns läufst du auf 1700 m weg und kommst bis über 2500 m hinauf, bist also immer in dieser Höhenlage drin, die besonders für ein Höhentraining empfohlen wird.“


Bleiben wir gleich noch bei der Streckenbeschaffenheit, die Trailrunner suchen: abenteuerlich, aber nicht nur steil, abwechslungsreich und vor allem ans jeweilige Leistungsniveau angepasst. „Es sollte für jeden etwas dabei sein“, sagt Semmler. Ausgewiesene Trailrunningstrecken werden oft mit Kategorisierungen bezeichnet, wie man sie von den Skipisten kennt (leicht, mittel, schwer), zur besseren Einschätzung werden meist auch Kilometer und Höhenmeter sowie das Streckenprofil ausgewiesen. GPS-Tracks zum Download auf die Uhr anzubieten, ist auch nicht verkehrt. Die Beschilderung sollte zugleich so gut sein, dass sie auch Orientierung ohne GPS ermöglicht, sagt der Gasteinertaler Naturner. Natürlich spielt auch der Natur- und Landschaftsfaktor eine große Rolle: „Sobald du aus dem Ort heraußen bist, ist nur Natur um dich herum. Wir haben außerdem richtig schöne kleine Gebirgsseen – und an vielen Streckenabschnitten hast du Aussicht ohne Ende“, wirbt der Obertauern-Touristiker.

Kompetenz ist gefragt
Ein Stichwort, das schon gefallen ist: Eine Trailrunning-Region soll Kompetenz ausstrahlen. Als Urlaubsregion profitiere man von der speziell in den Gebirgsregionen hohen und weiter steigenden Popularität der Sportart, erklären die Experten. So seien viele im Tourismus, bei den Bergbahnen und Unterkunftsbetrieben Beschäftigte selbst in ihrer Freizeit laufend in den Bergen unterwegs, so Gstettner. Im Gasteinertal, wo seit 2017 mit den „adidas Infinite Trails“ eine Trailrunning-Teamweltmeisterschaft stattfindet, könne man etwa auch mit dem sportmedizinischen Leistungszentrum der Alpentherme bei seinen trailrunnenden Gästen punkten, so Naturner: „Dort gibt es die perfekten Trainings- und Analysetools, um alle Interessierten beim Start ins Laufen professionell zu begleiten.“


„Wir arbeiten seit zehn Jahren am Thema Trailrunning“, erklärt der Pitztaler Gstettner, „haben uns andere Events und Regionen angeschaut und sind inzwischen die Benchmark im Alpenraum geworden. Auch das Europäische Trailrunning-Symposium, das wir ins Leben gerufen haben, hat uns geholfen, mit Experten und Sportlern in einen Gedankenaustausch zu kommen. Viele Ideen kommen direkt aus der Bevölkerung.“
Wer sind Trailrunning-Gäste, was suchen sie? „Zwischen 30 und 60 Jahre alt und rund 60 Prozent Männer, 40 Prozent Frauen“, so schätzt Gerhard Gstettner. „Wir stellen fest, dass Trailrunner bewusste Menschen sind, denen Nachhaltigkeit ein Anliegen ist. Dem können wir einerseits mit dem sustainable Eventkonzept des „adidas Infinite Trails“-Rennen gerecht werden. Kulinarisch braucht es eine entsprechende Vielfalt im Angebot, damit sich auch Vegetarier oder Veganer unter den Sportlern wohlfühlen“, sagt Franz Naturner.


Ob Trailrunner eine Urlaubswoche als Art Trainingslager verbringen würden – oder zum Beispiel mit Familie kommen und den Traillauf neben anderem (Familien-)Berg­sport nebenbei betreiben? Dass also Mama oder Papa morgens schon eine Runde durch die Berge laufen, dann gemeinsam frühstücken und mit den Kindern wandern gehen? Beide Varianten treffen zu, meinen unsere Ansprechpartner. „Der  Trend zu mehr Bewegung in der Natur, der Zug der Städter in die kühleren Alpenregionen im Sommer – das ist schon seit einigen Jahren spürbar“, sagt Naturner. „Die Kühle durch die Höhenlage ist im Sommer absolut gefragt“, bestätigt Obertauern-Touristiker Semmler. Trailrunning ist eben eine weitere Spielart, um die Berge zu erleben.

Die Rolle der Rennen
Sich den ganzen Urlaub über gezielt dem Berglauf zu widmen, passiere einerseits dann, wenn Camps angeboten werden, sagt Gerhard Gstettner – „zwölf haben wir dieses Jahr“. Und natürlich auch rund um die großen Renn-Events: Die Trail- und Ultratrailläufe, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. „Unser „Pitz Alpine Glacier Trail“ ist nun seit vier Jahren immer frühzeitig ausgebucht und ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor geworden. Laut unserer Befragung bleibt der Teilnehmer im Schnitt 3 Tage und reist mit 1,8 Personen an“, erklärt der Touristiker. Gut möglich, dass manche aber auch deutlich länger als zwei bis drei Nächte in den Regionen bleiben, um ihr jährliches Ultralauf-Highlight mit Kind und Kegel gemeinsam zu zelebrieren. 


„Bei uns im Gasteinertal war das erste adidas Infinite Trails 2017 ein Kick-off, um das Themenfeld zu erarbeiten“, sagt Franz Naturner. „Die traumhaften Trails, die oft auf historischen Pfaden hin zu herrlichen Wasserfällen führen, die tiefblauen Bergseen und herzlichen Almleuten die gibt es schon seit Jahrhunderten in unserem Tal.“ 
Mit diesen Ressourcen als Ausgangspunkt braucht es dann also gar nicht mehr so viel, um zum ­„Urlaubs-Traildorado“ zu werden.