Welcher ambitionierte Rennradfahrer träumt nicht davon, einmal wie ein Profi über die berühmten Tour de France Alpenpässe zu fahren? SPORTaktiv Geschäftsführer Alfred Brunner wagte das Abenteuer unter dem Projekttitel „Projekt 8“, bei dem 8 große und legendäre Pässe in nur 4 Tagen erklommen wurden.

Alfred Brunner
Alfred Brunner


Seit den legendären Duellen Ulrich/Armstrong/Pantani in den 90er Jahren sind die TdF Pässe im Sommer TV-Pflichtprogramm eines jeden Rennradfahrers. Auch bei mir und meinen Radfreunden wuchs der Wunsch, einmal im Leben die Alpenlegenden abzuhacken. Unser Zugang war sehr ambitioniert, indem wir jeden Tag zwei Pässe am Plan hatten; das bedeutet dann eine sehr strikte Planung mit den drei Elementen Radfahren, Essen und Schlafen. Ein Begleitfahrzeug half uns, „leicht“ unterwegs zu sein und Ersatzwäsche und Verpflegung jederzeit zur Verfügung zu haben.

Das Kartenmaterial der Gegend zeigt eine Nord-Süd-Route, die meist entlang der „Westalpen Grand Route“ logisch angelegt ist, mit der einzigen Ausnahme „Alpe d’Huez“, die aber sein muss. Südlich von Albertville – der Olympiastadt 1992 – geht es auf den Col de la Madeleine auf 2.000m, mit über 27km/1.600hm der längste unserer 8 Pässe. Runter ins Tal geht es nach knapp einer Stunde 11km/900hm auf den Col du Telegraphe auf 1.566m. Dieser Berg ist meist die Vorspeise für den Galibier, der bei uns aber erst am Tag 2 am Plan ist. Genächtigt wird im wunderschönen Valloire auf 1.400m, wo uns ein perfektes Abendessen und eine angenehme kalte Alpenluft für einen Tiefschlaf erwartet.

Video: „Wie die Profis über die französischen Alpenpässe“ – SPORTaktiv lebt einen Rennrad-Traum

(c) YouTube / SPORTaktiv Magazin / Alfred Brunner

Tag 2 lebt von zwei Highlights. Gleich in der Früh geht es 18km/1.200hm auf den Col du Galibier auf 2.645m. Wir in Österreich und Italien erprobte Rennradler genießen in Frankreich die angenehme Steigung, die meist zwischen 5 und 8 % liegt, so gelingt es mit meiner 32er Übersetzung eine meist hohe Trittfrequenz beizubehalten, um die Muskel zu schonen. Das Traumwetter zeigt sich sogar am Gipfel von der besten Seite, in der Sonne hat es gefühlt fast 20 Grad; einzig die Abfahrt ist dann etwas kalt, aber mit der gewechselten Bekleidung und der Windjacke kein Problem. Nach ein paar Kilometern nehmen die den Col du Lautaret auf 2.058m quasi automatisch mit. Die erwähnte Ausnahme Richtung Westen folgt mit einer Abfahrt nach La Grave, danach geht es ins Auto, da die zahlreichen Tunnel in der beeindruckenden Schlucht für uns zu gefährlich sind. Es folgt ein ca. 25km Autotransfer zum Fuße des berühmtesten Kalibers: Alpe d’Huez auf 1.860m wobei die berühmten 21 Kehren auf 13km und 1.100hm erobert werden. Der große Unterschied zu all den anderen Pässen zeigt sich gleich zu Beginn, indem Steigungen konstant über 10 Prozent gleich zu Beginn zu großer Demut aufrufen.

Mein persönlicher Erfolg stellt sich ein mit der Egalisierung des Streckenrekords von Marco Pantanti mit 37 Minuten. Einziger Unterschied: bei mir steht vorne noch eine 1, konkret 1 Stunde und 37min. Der Anstieg ist beeindruckend, erst ganz oben wird es flacher, es wird nun klar, das es hier meist um die große Entscheidung geht. Oben angekommen erfüllt uns großer Stolz, es geschafft zu haben. Alles was jetzt noch kommt, ist quasi eine Zugabe. Am Abend folgt eine 1,5 Autofahrt ins wunderschöne Briancon.

Tag 3 verwöhnt uns wieder mit moderaten aber superlangen Steigungen. Berg Nummer 6 ist der Col d’Izoard auf 2.360m nach einer 19km Auffahrt über 1.200hm. Beeindruckend die Alpenlandschaft im gesamten Anstieg, ein Paradies für Bergfahrer. Die Abfahrt ins Tal ist fast noch spektakulärer, überall sieht man die Aufschriften des Anstiegs der Tour de France 2019, auch die meines Heros Tibaut Pinot. Nach einer langen Abfahrt ins Tal wartet der Col de Vars auf 2.109m wobei es diesmal über 19km du 1.100hm nach oben geht. Winterinfrastruktur links und rechts zeigen – wie fast jeden Tag – auch hier die gewaltigen Dimensionen des Alpinsports in den Westalpen. Die Pause am Gipfel – der Hüttenwirt scheint ein 70-jähriger Trailrunner zu sein – genießen wir bei mit Baguette und einer regionalen Käseplatte, mhhh lecker. Die Abfahrt führt uns nach Barcelonnette, ein mexikanisch angehauchter supernetter Ort in der Haute Provence.

Von dort geht es am Tag 4 auf den finalen Schlusspunkt, dem höchsten Alpenpass Europas, dem Col de la Bonette auf 2.802m Seehöhe. Davor warten aber finale 23km und 1.600hm auf meinen Radkumpl Arno und mich. Arno war all die Tage deutlich stärker als ich, spürt diesmal aber ein bissl die Höhe und fährt nach dem Gipfelerfolg gleich runter auf ca. 2.000m. Ich hingegen profitiere vom reservierten Fahren in den Tagen zuvor und erreiche nach exakt 2,5 Stunden voller Freude den Gipfel, der uns mit einer beeindruckenden Rundumsicht belohnt. Auch die Abfahrt ist ein Highlight, bester Asphalt, Traumwetter und kein Verkehr verleiten uns den alten Schuhplatter-Jauchzer zu reaktivieren und wir rollen Richtung St. Ettienne. Dort wartet wieder unser „best man“ Günter im Begleitauto und es geht ab nach Hause.

Es bleiben Eindrücke fürs Leben. Diese Pässe sind ein „MUSS“ für jeden halbwegs ambitionierten Rennradler. Mit den heutigen 32er oder gar 34er Übersetzungen sind die beschriebenen Pässe locker machbar, es müssen ja nicht zwei Pässe an einem Tag sein. Erwähnen möchte ich auch die sehr positiven Eindrücke der Franzosen, die immer sehr großen Abstand mit dem Auto halten, sehr freundlich sind und uns mit „Allez!“ oder „Courage!“ nicht nur einmal anfeuerten. Die Kulinarik ist sowieso Oberliga auf diesem Planeten. Unser Einsermenü mit „Entrecote & Creme Brülee“ gab uns die nötige Energie am Abend. Untertags bedienten wir uns an den Sportenergieprodukten von Peeroton, wobei uns speziell der Isodrink und die Gels mit den nötigen Kalorien versorgen.

Fazit: Wir kommen wieder, eine unfassbare coole Radgegend. Echte Oberliga, landschaftlich, kulinarisch und auch touristisch.

Bon Voyage!