Eines Abends, ich ging gerade­ durch den Stadtpark nach Hause, da wartete sie, ausgerechnet sie! Sie lehnte an der Ecke und ihr Blick sagte mir, dass sie mich schon länger beobachtete und sich ihrer Sache sicher war. „Na, mein Lieber", sagte sie mit verrauchter Stimme, „lange nicht mehr gesehen, was?" Ich schluckte. „Was, was willst du denn da", stammelte ich, „... dass es dich überhaupt noch gibt?" „Oh doch, mein Lieber", antwortete sie, „ich habe eigentlich nur auf dich gewartet." Dazu naturgemäß ein gekonnter Augenaufschlag. Ja, ja, Frauen wissen eben, wie sie einen Mann um den Finger wickeln können.
„Sonst noch Wünsche?", fragte ich noch frech, dabei hatte sie mich schon längst einkassiert. Anstatt links ins traute Heim bog ich nach rechts ins Bistro ab. Ich öffnete die Türe, der Geruch war mir gut vertraut, da machte mir die Kleine auch schon meinen Stammplatz am Tresen frei und steckte mir so ein braunes, wunderbar duftendes­ Ding zwischen die Lippen, genannt Zigarillo.
Ach ja, jetzt habe ich ganz vergessen, meine Kleine vorzustellen: Es ist die Stubenfliege Amanda, hält sich gern­ in Beiseln und an Bars auf. Mit einer Fliege ist man nie allein, dachte ich mir einmal, seitdem gibt's Amanda. Und unter uns gesagt: Mittlerweile habe ich schon einige Generationen Amandas hinter mir, sie schauen sich alle zum Verwechseln ähnlich. Und keine hat sich noch daran gestoßen, wenn ich sie mit dem Namen ihrer Vorgängerin angesprochen habe.

Zores mit dem Gewissen

Nun ja, ich hatte Spaß, nicht nur diesen einen Abend, sondern einige Abende mehr. Ich ließ es mir gut gehen, um nicht zu sagen, ich ließ mich gehen. Doch eines Nachts, im Treppenhaus, klopfte jemand bei mir an. Mein Gewissen machte sich sanft, aber stetig bemerkbar: „Hey, Alter, Kumpel, für was hast du denn mit dem Rauchen aufgehört, wenn du jetzt wieder anfängst? Und überhaupt, ich meine - schau dich einmal an!". „Schon gut", antwortete ich und schlich mich ins Gemach, so wie der Comic-Kater Silvester, wenn er gerade wieder etwas ausgefressen und Angst vor Grannys Kopfnüsse hat.
Ich schlief nur kurz und nicht gut, muss ich ehrlich sagen. Schon in den kurzen wachen Momenten wusste ich, der inneren Stimme folgen zu müssen. In der Morgendämmerung griff ich in die hinterste Reihe im Schrank und brachte meine ältesten Laufschuhe wieder zum Vorschein, klopfte den Staub ab und ab ging's.
Halt, zuvor zerriss ich noch meine­ Zigarillos. Nur keine Experimente, dachte ich und lief den altvertrauten Weg an der Mur entlang. Nach einigen Minuten tat mir die Frischluft gut, die ausgeleierten Laufschuhe waren wie alte Kumpels, die sich freuten, dass ich wieder an Bord war. Da sah ich bei Kilometer 5 eine Werbung für den Graz-Marathon und da wusste ich: Das muss sein! Endlich ein gottverdammtes Ziel vor Augen!