Kraftsportler ­brauchen Protein – und es hilft, zu regenerieren. Sagt das Halbwissen. Aber sonst? Passend zu ­unserem Regenerations-Schwerpunkt: Was ­Eiweiß in der Ernährung alles leistet, und wie Sportler es nutzen.

Christof Domenig
Christof Domenig

„Ohne Eiweiß kein Leben – und keine Leistung“. Dieser Merksatz des Ernährungsmediziners Dr. Meinrad Lindschinger ist zugespitzt, aber im Grunde stimmt er schon. „Der Mensch hat im Wesentlichen keine Eiweißreserven. Es muss also regelmäßig zugeführt werden“, präzisiert Lindschinger. Mit der Nahrung aufgenommenes Eiweiß dient dem Körper dazu, solches herzustellen, das dann unterschiedliche strukturelle Aufgaben erfüllt – z. B. Bindegewebe, Zellmembranen oder Muskelzellen zu bilden. Und das genauso funktionelle Aufgaben im Körper übernimmt, z. B. Transportfunktionen, Stoffwechselfunktionen. „Bausteine“ der Proteine sind Aminosäuren. 20 Aminosäuren gibt es, neun sind „essenziell“ – müssen also unbedingt mit der Nahrung aufgenommen werden. Aminosäuren haben aber noch weitere Funktionen zu erfüllen, etwa im Immunsystem oder sie dienen als Ausgangssubstanz für Hormone.

Im Sport, vor allem im Ausdauersport, wurden mit dem Fokus auf die Kohlenhydrate die Proteine lange Zeit zu wenig beachtet. Nicht missverstehen: Unterversorgt mit Protein ist in der westlichen Welt kaum jemand, weiß Lindschinger. Stattdessen rückt die ­Eiweiß-Qualität in den Blickpunkt.

Die tägliche Proteinmenge
Ein Blick auf die täglich benötigten Eiweißmengen ist dennoch zunächst zum Verständnis wichtig:

  • Der Basisbedarf liegt bei 0,8 bis 0,9 g Eiweiß pro kg Körpergewicht. Der erhöht sich auch nicht, wenn Sport im Grundlagenbereich ausgeübt wird.
  • Für Ausdauersportler mit mittlerem bis hartem Training (die z. B. auch regelmäßig Intervalltrainings durchführen und an Wettbewerben teilnehmen) liegt der tägliche Bedarf bei 1,2-1,6 g/kg Körpergewicht.
  • Kraftsportler benötigen etwa 1,2 bis 1,7 g/kg Körpergewicht.
  • Bei sehr harten Trainingsbelastungen, oder bei jugendlichen Sportlern, sind 2 g/kg Körpergewicht nötig. Was darüber hinaus geht ist nicht nur unnötig, sondern belastet sogar den Körper.

Um ein wenig Rechenarbeit kommen Ernährungsbewusste zunächst nicht herum – mit der Zeit entwickelt man dann ein Gefühl für die aufgenommene Menge. Ein 80 kg schwerer Kraft­sportler im Training benötigt folglich als Minimum 96 g Eiweiß pro Tag zum Erhalt seiner Muskulatur. Und bis zu 136 g, um Muskelmasse aufzubauen. Achtung: Nicht zu große Eiweißportionen auf einmal einplanen – mehr als 30 g kann das menschliche Verdauungssystem nämlich nicht aufspalten. Also lieber öfter kleinere – als weniger oft eine große Portion essen.

Auf die Kombination kommt es an
Ebenso wichtig wie die passende Menge ist die Eiweiß-Qualität. Je nach Quelle hat Eiweiß eine gewisse „biologische Wertigkeit“ – je höher dieser Wert, desto besser kann es der Körper nutzen. Den Referenzwert 100 liefert das „Weiße“ des Hühnereis. Milch-Eiweiß hat zum Beispiel eine biologische Wertigkeit von 86, Rindfleisch von 76 – entsprechende Listen findet man einfach im Internet. 
Die zweite wichtige Information lässt sich mittels einer einfachen Faustregel merken: 50:50. Heißt: Das über den Tag aufgenommene Nahrungsprotein sollte jeweils zur Hälfte aus hochwertigen tierischen und pflanzlichen Quellen stammen. Welche das konkret sein können, entnehmt ihr dem Kasten unten.

Konkretes Rechenbeispiel mit unserem vorhin angenommenen Kraft­sportler: Bei rund 120 g Eiweißbedarf sollen 60 g (= 6 Portionen) über den Tag aus hochwertigen tierischen Quellen gegessen werden. Die zweiten 60 g stammen dann aus der zweiten Tabelle mit pflanzlichen Quellen. Vorteil: Die pflanzlichen Eiweißlieferanten wie Getreideprodukte, Reis oder Kartoffeln liefern gleichzeitig viele der ebenfalls benötigten Kohlenhydrate. „Am besten kombiniert man tierische und pflanzliche Lebensmittel in einer Mahlzeit. Die Aminosäuren ergänzen sich und dadurch kann der Organismus mehr körperspezifisches Eiweiß aufbauen“, erklärt Lindschinger. Durch diese Kombination erhöht sich die „biologische Wertigkeit“ in Summe deutlich.

Kurzer Sidestep: Vegetarier haben selbst bei hohen sportlichen Belastungen gegenüber Fleischessern keinen Nachteil, sagt der Ernährungsmediziner. Vegan wird die Sache schwieriger. Mit Expertenhilfe lässt sich aber auch eine vegane Ernährungsweise mit Sport vereinbaren.

Neben Eiweiß-Menge, -Qualität und der Kombination gibt es natürlich noch weitere Einflussfaktoren, für eine gute Protein-Versorgung. Der Zeitpunkt der Aufnahme (im Krafttraining möglichst knapp vor und nach der Belastung) spielt eine Rolle, ebenso wie andere Nährstoffe. Um etwa als Kraftsportler einen optimalen Muskelzuwachs zu erzielen, ist ferner die Gesamt-Energieaufnahme zu beachten: Sie soll um rund 500 bis 700 kcal pro Tag erhöht sein.

Besondere Aminosäuren
Zu erwähnen sind auch die „BCAA“: Mit diesem Begriff fasst man die essenziellen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin zusammen, erklärt Experte Lindschinger. Aufgrund ihrer Form werden sie als „verzweigtkettige Aminosäuren“ (im Englischen: Branched Chain Amino Acids – also BCAA) bezeichnet. Die BCAA werden besonders leicht und schnell in die Muskeln transportiert, und mit zunehmender körperlicher Belastung direkt zur Energiebereitstellung genutzt. Muskeleiweiß wird geschont und die Regeneration gefördert. Auch bei der Widerstandskraft gegen Erkältungen spielen die BCAA eine Rolle. Thunfisch, Lachs, Fleisch, Hülsenfrüchte, Weizenkeime sowie Milch und Milchprodukte sind hochwertige Quellen für Valin, Isoleucin und Leucin.

Auch in der Regeneration ist Eiweiß ein wichtiger „Mitspieler“. Am besten wirken Proteine nach Trainingsbelastungen, wenn sie mit Kohlenhydraten kombiniert werden. „Kohlenhydrate stimulieren einen Anstieg des Hormons Insulin, welches seinerseits den Muskel zur Aufnahme von Aminosäuren stimuliert“, erklärt der Ernährungsmediziner. Unmittelbar, also innerhalb einer Stunde nach der Trainingsbelastung, erfolgt die Zufuhr einer Eiweiß-Kohlenhydrat-Kombination am besten in flüssiger Form (z. B. mit einem Recoveryshake – siehe HIER; auch als Bananenmilch oder Joghurt-Obst-Drink). Ist mehr als eine Stunde nach dem Training vergangen, ist eine normale Mahlzeit ideal. „Spät-Trainierern“ empfiehlt Lindschinger im Sinn der Schlafqualität, eher auf eine leichte Mahlzeit zu setzen: Topfencreme, Fruchtjoghurt, Milchreis oder Cornflakes mit Milch eignen sich sehr gut. Schließlich ist auch ein guter Schlaf ein wesentlicher Regenerationsfaktor.

Hochwertige Eiweißlieferanten

Tierische Eiweißquellen – 1 Portion = 10 g hochwertiges Eiweiß ist enthalten in

  • ¼ l Mager- oder Buttermilch, Joghurt, Kefir
  • 100 g Topfen (10 % oder 20 %), magerer Frischkäse (0,1 %)
  • 70 g Magertopfen, Cottage Cheese, Tofu
  • 50 g Hartkäse, mageres Fleisch, Geflügel, Fisch, magerer Schinken, Krakauer, Karree, Rohschinken
  • 1 Ei


Pflanzliche Eiweißquellen

  • Getreide (Brot, Nudeln, Couscous, Ebly, Müsli, Cerealien)
  • Reis
  • Kartoffeln
  • Hülsenfrüchte
Dr. Meinrad Lindschinger
Dr. Meinrad Lindschinger

ist Facharzt für Innere Medizin und Ernährungsmedizin und ärztlicher Leiter am Institut für Ernährung und Stoffwechselerkrankungen in Laßnitzhöhe (St). Er ist auch Begründer des Ernährungskonzepts Functional Eating®.

Web: www.lindschinger.at