Nicht vom Draußen-Sein ist hier die Rede, sondern vom Ausrüsten fürs Draußen. Denn vielen ist heute der Fußabdruck ihres Sportequipments nicht egal. Aber woran orientiert man sich beim Kauf?

Christof Domenig
Christof Domenig

Immer mehr outdoor- und sportaffine Menschen machen sich Gedanken und wollen sich nicht mit „bloß“ funktionalen, sondern auch mit möglichst nachhaltigen Produkten ausstatten. Solchen, die einen kleinen Impact auf Natur und Klima haben, aber auch unter fairen Bedingungen gefertigt werden. Gehen wir das Thema dieses Mal mit ganz konkreten Fragestellungen an. Wie kann ich mich möglichst bewusst und verantwortungsvoll ausrüsten, worauf kann und soll ich beim Kaufen achten? Welche Rolle spielen etwa der Produktionsstandort und die verwendeten Materialien für ein nachhaltiges Produkt – und welche falschen Mythen kursieren hier vielleicht? 

Wir haben uns mit den Verantwortlichen von drei Unternehmen unterhalten, die in der Outdoorbranche den Ruf haben, mit dem Thema Nachhaltigkeit sehr verantwortungsbewusst umzugehen: dem deutschen Unternehmen Ortovox als großer Outdoor-Ausstatter im Alpenraum; dem Salzburger Hersteller Martini Sportswear als bekannter rot-weiß-roter Marke im Bereich Outdoor-Textilien; und dem Tiroler Unternehmen Chillaz als vergleichsweise kleiner österreichischer Marke, die vorrangig Textilien für den Klettersport herstellt. Die Essenz der Gespräche fassen wir hier zusammen – und Achtung, Spoiler: Nicht alles ist so eindeutig schwarz-weiß, wie man manchmal glauben will.

Für David Wilhelm von Chillaz ist ein erster Indikator, der anzeigt, ob ein Produkt nachhaltig und verantwortungsvoll hergestellt worden sein kann oder nicht, der Preis: „Wenn man ein Shirt um wenige Euro sieht, muss man sich im Klaren sein, dass niemand dafür ordentlich bezahlt werden kann.“ Natürlich lässt sich nicht umgekehrt schließen, dass preisintensive Produkte zwingend nachhaltiger sind, „aber es gibt eine gewisse Grenze, wo jeder vom Bauchgefühl her sagen kann: Das geht sich nicht aus.“

„Es gibt nicht das eine nachhaltige Produkt, das die Welt rettet – aber was viele Produkte können, ist, in dem Bereich besonders gut zu sein, der dir am meisten am ­Herzen liegt“, rät Lisa Pfeiffer von Ortovox Konsumenten als Erstes, sich zu überlegen, welcher Bereich Nachhaltigkeit einem persönlich wichtig ist. Aus Ortovox-Sicht lasse sich das Thema grob auf auf vier große Säulen stellen: Eine soziale Säule, „die soziale Verantwortung in der Lieferkette betreffend, dass etwa Beschäftigte in der Schneiderei respektvoll entlohnt werden“. Zweitens den Klimaschutz, drittens den weiter gefassten Umweltschutz, wo es etwa um Chemikalienmanagement geht. Und viertens die Säule Tierwohl, etwa Daune oder – Ortovox-spezifisch – Wolle betreffend.

Der Produktionsort
Viele Konsumenten blicken als Erstes auf den Produktions­standort, um den Fußabdruck eines Produkts einzuschätzen. „Sofern es möglich ist, fertigen wir immer schon in Europa, heute ca. 98 % unserer Produkte“, erklärt Ludwig Moz für Martini Sportswear. In Annaberg in Salzburg gibt es 53 Mitarbeiter, ein neues Lager wird einen Kilometer entfernt gebaut. Die Fertigung selbst erfolgt bei Martini hauptsächlich in Bulgarien, Portugal, Litauen und Italien. „Unser Produktionsleiter ist zu jeder Saison in den Fabriken, schaut sich die Arbeitsbedingungen dort an, wir haben Agenten, die vor Ort alles kontrollieren.“ 

Chillaz arbeitet ebenfalls mit mehreren Fertigungen in Europa zusammen, am längsten mit einem Familienunternehmen in Istanbul: „Hier ist schon eine freundschaftliche Basis da“, erzählt David Wilhelm. „Zur Frage, ob Europa zwangsläufig besser als Asien ist, muss man sagen: leider nein. Es geht vielmehr um Handschlagbasis, einen Umgang auf Augenhöhe. Dass man hinfährt und sich anschaut, wie dort gearbeitet wird.“ 

Ortovox’ CSR-Managerin Lisa Pfeiffer bestätigt klar die Aussage Wilhelms: Es kommt nicht ausschließlich auf „Europa oder Asien“ an – sondern darauf, mit welchen Partnern konkret zusammengearbeitet werde. „Bei uns sind die Arbeitsbedingungen vor Ort sehr wichtig, wir achten sehr darauf, langfristig mit Produzenten zusammenzuarbeiten, die sich diesem Thema stellen. Wenn es ein schlechtes Management gibt, ist es egal, wo das ist: Das kann in Deutschland  oder in Vietnam sein“, so die Ortovox CSR-­Managerin. 

Und zum Thema „kürzere Wege“ für weniger CO2-Ausstoß? Auch da komme es nicht ausschließlich auf den Standort, sondern auf die Art des Transports an. Per Frachtschiff etwa lasse sich der Fußabdruck im Vergleich zur Luftfracht stark verringern, erklärt Pfeiffer. David Wilhelm führt auch an, dass man sich bei Chillaz auch deshalb für die Türkei entschieden habe, weil sehr viele Rohstoffe dort vor Ort vorhanden sind.

Materialien – ist Natur besser?
Das Verwenden von Naturmaterialien und recycelten Kunststoffen – zwei Dinge, auf die bewusst Konsumierende in Sachen Material achten können, so zumindest die spontane Assoziation. Ortovox hat sich als Woll-Spezialist etabliert, verwendet für viele Produkte sogenannte „Swisswool“, spezielle Schweizer Schafwolle. Gerade bei der beliebten Merinowolle komme es aber auch darauf an, dass sie ohne für die Tiere schmerzhaftes Mulesing hergestellt werde, so Lisa Pfeiffer. 

Bei Martini Sportswear spielt Tencel, eine Funktionsfaser auf Holzbasis, die noch dazu aus Österreich stammt, eine wichtige Rolle. Auf selbige Faser setzt auch Chillaz in vielen Textilien. Je nach Einsatzbereich sehen unsere Expert:innen beim Naturmaterial aber auch Grenzen, an gewissen Kunststoffen (oder -anteilen) komme man im Sinn der Funktion nicht vorbei.

Beim Thema Recycling-Material habe man bei Martini schon vieles ausprobiert, so Moz, „etwa recyceltes Polyester aus alten Fischernetzen oder Primaloft-Füllungen aus recycelten PET-Flaschen. Wichtig ist aber auch, dass der Recycling-Prozess einfach und der Energiewaufwand dafür nicht zu hoch ist, damit sich der CO2-Fußabdruck nicht wieder stark verschlechtert“.

Bei Ortovox hat man sich zu einer Abkehr vom recycelten PET-Material entschieden – wie im aktuellen Nachhaltigkeitsreport des Unternehmens, dem Planetreport 2023, im Detail nachzulesen ist. Die Begründung in Kurzform: „Wir wollen unseren eigenen Kreislauf fördern und in keinen Fremdkreislauf eingreifen: Ein Textil kann nie wieder eine Flasche werden“, erklärt Lisa Pfeiffer. 

Langlebigkeit & Reparierbarkeit
Was ein Produkt sicher nachhaltiger macht, ist, wenn es möglichst lange hält und verwendet wird. Selbstverständlich könne man als Hersteller die Langlebigkeit seiner Produkte beeinflussen, so Ludwig Moz: „Da kommt es nicht nur aufs Hauptmaterial an, sondern auch auf die Fäden, mit denen genäht wird, es gibt Komponenten wie Reißverschlüsse in stark unterschiedlichen Qualitäten mit entsprechend unterschiedlichen Kosten.“ 

Wie Martini bietet auch Chillaz einen Reparaturdienst an. Bei dem kleinen Tiroler Unternehmen setzt man auch besonders auf direkte Kommunikation mit den Kunden, so David Wilhelm. „Ware mit kleinem Defekt verkaufen wir zu reduziertem Preis. Viele sagen: Hat meine Kletterhose einen kleinen Schönheitsfehler, ist mir das egal.“

Ähnliches gibt es bei Ortovox: einen „2nd-Life Shop“ für B-Ware oder Retourware wie auch einen Reparaturdienst. Nicht alles kann repariert werden, aber vieles. Oft fehle es noch am Bewusstsein für Reparierbarkeit und dafür, was alles machbar ist, dass ein Wegwerfen noch gar nicht nötig wäre: „Es ist unsere Verantwortung, das noch publiker zu machen. Aber generell wächst das Bewusstsein dafür“, sagt die Ortovox-Managerin.

Jacke bleibt Jacke
Die nahe Zukunft sollen geschlossene Kreisläufe sein: dass alte Textilien zu neuen Textilien, alte Jacken zu neuen Jacken, alte Rucksäcke zu neuen Rucksäcken werden. Eine Kreislaufwirtschaft möglichst ohne neuen Ressourceneinsatz (siehe dazu auch die Outdoor by ISPO-Story). Ansätze dafür gibt es schon viele, etwa einzelne voll recycelbare und damit kreislauffähige Produkte aus „Monomaterialien“. Jetzt gehe es darum, alles möglichst flächendeckend auszurollen, es wird Sammelstellen für ausgediente Produkte brauchen, um sie im Kreislauf zu halten, etwa über Händler. An allem wird im Hintergrund gearbeitet.

Welches Fazit man ziehen kann? Es gibt Indikatoren für nachhaltigere Produkte, aber eine einfache Einteilung in Schwarz und Weiß ist nicht möglich. Es geht auch um Vertrauen, das Unternehmen durch vielfältige Initiativen, offene Kommunikation darüber, aber etwa auch das Benennen von Grenzen der Nachhaltigkeit schaffen können. Und es gehe, so Lisa Pfeiffer, bei jedem Einkauf um eine reflektierte Entscheidung: „Wenn wir etwas kaufen, dann sollte es unser Lieblingsprodukt werden – und nicht, weil mir die Farbe gerade gefällt. Das nachhaltigste Produkt ist das, das wir auch wirklich anziehen.“