Markus Rogan war als Schwimmer Weltklasse mit Tendenz zum Abheben. Heute ist er geerdet und froh, nicht ausgesorgt zu haben. Wo er Glück findet und warum Sport so wichtig für ihn ist.
Ein Strandlauf in Malibu kurz vor Sonnenaufgang ist an sich schon etwas Besonderes. Wenn der Laufpartner dann noch Markus Rogan heißt, umso mehr. Europameister, Weltmeister, Weltrekordhalter war der gebürtige Wiener. Und nicht zu vergessen, die beiden Silbermedaillen bei den Olympischen Spielen in Athen 2004. Wasser, das ist immer noch sein Element. Darum geht es zum Abkühlen nach dem Morgenlauf auch in den 12 Grad kalten Pazifik. Zum Surfen. „Das ist das, was dem Skifahren für mich am nächsten kommt“, sagt der 36-Jährige, der heute in Los Angeles eine Praxis als Psychotherapeut führt. Mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn lebt Rogan in Beverly Hills, im August erwarten die beiden ihr zweites Kind.
Markus, was fehlt dir aus deinem Leben als Spitzensportler?
Der Wettkampf. Und was ich noch vermisse ist: als Spitzensportler hast du eine Sache, auf die du dich konzentrieren musst. Das ist in Wahrheit ein unglaublicher Luxus. Du kannst wirklich sagen, mein ganzes Leben ist auf eine Sache ausgerichtet, was eigentlich verrückt ist, denn jeder normale Mensch hat 20, 30, 40 Aufgaben. Und du hast aber diesen arroganten Luxus, dass du sagen kannst, alles andere ist wurscht. Und wenn du dann auch noch gut verdienst, kannst du alles andere be-servicen lassen und dich stur auf eins konzentrieren. Das ist so eine beruhigende Art. Du kannst alles einsortieren in: hilft mir das in meiner einzelnen Aufgabe oder nicht. Das macht Entscheidungen extrem einfach. Das Gefühl vermisse ich.
Und die Herausforderung, dich mit anderen auf höchstem Niveau zu messen?
Im Alltag kommst du körperlich nie so an deine Grenzen. Nach der Geburt vom Kleinen vielleicht, wo du in der Nacht oft aufstehen musst, da kommst du in die Richtung. Aber hier beim Speed Project, wo wir durch die Wüste laufen, es heiß ist, du Schmerzen hast, aber weiterlaufen kannst – wo kriegst du das sonst?
Auspowern kann man sich doch auch alleine …
Das hab ich noch nie können. Auch in meinen besten Zeiten hab ich mich nie allein auspowern können. Das war immer im Wettkampf. Ich war im Training eigentlich immer relativ schlecht im Vergleich.
Spielt da die Wichtigkeit des Wettkampfs eine Rolle? Sprich: Gelingt das nur bei Olympia oder auch beim Hobbylauf?
Egal, welcher Wettkampf es ist. Völlig. Im Garten um die Wette pfitschigogerln – bin ich auch voll dabei.
Motivieren dich Gegner?
Eigentlich ist der Gegner egal. Aber am besten ist es, wenn er einen Millimeter besser ist als ich. Die Kunst ist, dass du dich grad ein bissl mehr forderst als du kontrollieren kannst, aber ein bissl weniger als dir Angst macht. Da ist der Flow zu Hause, an der Kreuzung von hoher Herausforderung mit hohem Können. Das hast du aber so selten.
Hast du das nach der Karriere noch jemals erreicht?
Ja, beim Surfen. Aber da ist es so: Du gehst drei Stunden surfen und wennst einen Bombentag hast, hast vielleicht fünf, zehn Wellen, wo du richtig dieses Gefühl hast.
Beim Schwimmen nicht mehr?
Nein. Wenn ich bei Mastersbewerben mitschwimme ist das wunderschön. Aber ich weiß halt jedes Mal, wenn ich auf die Uhr schau, wie weit ich hinter meinen besten Zeiten bin. Ich hau auf 50 Meter voll rein und bin vier Sekunden langsamer als früher. Auf die Distanz ein Wahnsinn. Dafür ist das beim Laufen schön. Das mach ich jetzt ein paar Monate und werde jedes Mal besser. Dieser Fortschritt gefällt mir und, dass du merkst: es ist noch Platz nach oben. Das kann ich beim Schwimmen nie wieder schaffen. Was mir dafür beim Laufen fehlt, ist dieses Gleiten. Beim Schwimmen kann ich so richtig gleiten und dadurch einen ziemlichen Speed mitnehmen. Dieses Gefühl vermisse ich beim Laufen.
Wird Marathon-Laufen also die nächste große Herausforderung?
Na, eher so Abenteuergeschichten wie das Speed Project, das spür ich schon. Das ist gefährlich. Da gibt es schon viele so verrückte Sachen. Es gibt auch Studien darüber, und ein Buch: Happy money. Da geht es darum, dass, wenn die Leute über ihre persönlichen Grenzen gehen, da in Wahrheit das Glück ist. Tough Mudder. 25 Kilometer durch den Schlamm. In Wahrheit eine Tortur, aber es macht die Menschen glücklich. Grenzen sehen, suchen, finden, scheitern, durchkommen. Das sind schon interessante Glücksformeln. Wenn wir jetzt nach Vegas fahren und uns einen Ferrari kaufen, bist vielleicht ein paar Wochen glücklich. Aber so was intrinsisches, wie dieses Laufabenteuer, das trägst du dein Leben lang mit dir herum.
Vermisst du Österreich als Heimat? Ist Amerika keine Heimat geworden in den vielen Jahren?
Ja. Naja, es wird schon langsam. Weil ich sehe es durch die Augen meines Sohnes. Da wird es ein wenig heimatlich. Wann ich mich freue, dass ich da wohne ist, wenn ich im Oktober, November in Wien war, wo alle granteln, und dann flieg ich her und die Leute sind freundlich und lachen – da denke ich schon: da bin ich gerne zuhause. Aber wenn ich im Restaurant sitz und es ist grad gemütlich und dann kommt der Kellner zehnmal her und sagt: No rush, but if you wanna pay und schiebt dir die Rechnung her. Also so Heurigen sitzen oder im Kaffeehaus sitzen, das gibt es hier halt nicht und das vermisse ich schon.
In deinem neuen Beruf – wie viel von deiner Spitzensporterfahrung bringst du ein?
Das war für mich eine Lehrstunde, am Anfang hab ich mir gedacht: jo, ich kenn mich aus, Burschen. Mentale Härte, ich war Olympiamedaillengewinner, weißt eh. Grad am Anfang hab ich viel mit Heroinsüchtigen oder Schwerdepressiven gearbeitet – ist denen vollkommen wurscht wer du bist. Es ist klinisch auch nicht vollkommen richtig zu sagen: Schau, was ich alles geschafft hab. Das war schon ehrlich gesagt schwer. Das war schwer für mich zu lernen, dass es überhaupt nicht um das geht. Ich hab gedacht, dass das denen irgendwie hilft. Aber du musst voll bei einem Patienten sein. Wenn du dich da zum falschen Zeitpunkt reinbringst, oder glaubst, du musst jetzt was erklären, da steigt der aus. Dieses Zuhören und, dass es jetzt ehrlich um wen anders geht, das hab ich schwer lernen müssen und muss ich immer noch weiterlernen. Als Journalist verstehst du: es geht nicht um dich. Aber das war und ist schwierig.
Wenn du zurückschaust: War Schwimmen das Richtige, oder hätte ich vielleicht besser was anderes gemacht?
Natürlich wäre es schön, wäre ich Skifahrer gewesen, das kann ich auch ganz gut. Nur ich glaub, dass dass, wenn du mit 25 so viel hast, dass du fertig bist, dass du dich dann nicht mehr anstrengst, und ich dann auch noch arroganter geworden wäre. Ich finde es schon schön, wieder eine Aufgabe zu finden.
Weil es dich erdet?
Ja, genau. Das ist bei mir, aber auch bei vielen wirklich nötig. Nichts erdet mich mehr als ein Patient mit schwerer Depression oder schwerer Angststörung, wo du wirklich dann aus dir heraus musst und den spüren, sehen, spiegeln musst. Da merkst schnell wie unwichtig man selbst ist. Das ist für mich wichtig, immer wieder zu merken, wie unwichtig ich bin.
Wo liegen eigentlich die Olympiamedaillen von Athen?
Boah, da ärger ich mich jedes Jahr, weil ich jedes Jahr um die Zeit eine Rechnung von der Raiffeisen krieg, für den Safe irgendwo in Wien und ich hab den Schlüssel verloren. Wenn ich die Medaillen einmal haben will muss ich noch einmal relativ viel zahlen um den aufzubrechen. Bis jetzt ist es nur die Depotgebühr.
Also keine zur Erinnerung im Büro?
Ich hab mir schon gedacht, dass ich mir die Medaillen in die Praxis häng. Irgendwo bin ich aber auch stolz, dass ich es nicht getan hab. Ich hoff, dass ich das noch durchhalt. Wenn ich für einen Patienten präsent bin, ist es wurscht, ob ich sie hab oder nicht. Olympiamedaillen heilen keine Depression.