Telemarken ist ein junger Sport mit alter Tradition und offiziellen FIS-Rennen. Warum aber auch Hobby-Skifahrer Telemarken unbedingt ausprobieren sollten.

Von Christoph Heigl


Wunderbar elegant und edel. So empfindet man den Stil, wenn man Telemark-Fahrer ab und zu auf den heimischen Pisten sieht. Wie anstrengend diese Fahrweise wohl sein muss, kann man staunend nur erahnen. Die „Freifersler" und „Kniabiager", wie die Telemarker auch genannt werden, gehen zurück auf Sondre Norheim, der den Stil vor 150 Jahren erfand (siehe Infobox unten). Der Rennsport, der sich daraus entwickelte, wird mittlerweile über den internationalen Skiverband FIS sogar auf Weltcup-Niveau und bei Weltmeisterschaften betrieben.

Beim Telemark-Skifahren ist die Ferse des Skischuhs nicht fixiert, sondern nach oben frei beweglich. Damit kann man das Knie beugen und bei jeder Richtungsänderung einen Ausfallschritt machen, einen kleinen Knicks. So weit, so gut. Jetzt wird es knifflig: Der Rennlauf vereint die drei nordischen Disziplinen Skifahren, Skispringen und Langlaufen, weshalb er auch als „Triathlon auf Ski" bezeichnet wird. Die Zeitläufe beginnen mit Torlauf-Sektionen wie bei den Alpinen, haben dann einen Sprung eingebaut (bis zu 20 Meter weit!), eine 360-Grad-Steilwandkurve zum Herunterbremsen und schließen mit dem Langlaufen (Skating, bis zu 150 Meter) ab.

Die Bewerbe, auch im Parallel-Format ausgetragen, sind für Zuschauer attraktiv, das Regelwerk hat kuriose Feinheiten: Der Schrittwechsel muss technisch sauber sein, sonst gibt es Strafsekunden. Auch wer nicht weit genug springt und nicht mit Telemark-Landung aufsetzt, bekommt Zeitstrafen. Gefahren wird mit Alpin-Rennski, spezieller Telemark-Bindung ohne hinteren Backen und mit Langlaufstöcken. Da lacht das winterliche Triathlon-Herz!

DIE NATIONALE SZENE
Die Community in Österreich ist klein und fein, Freundschaft und Spaß sind keine Fremdwörter. Der internationale Slogan „Feel the Heel" (Fühl die Ferse) wird austro-rustikal als „Biag die Knia" interpretiert. „Telemarker sind alles klasse Leute", lacht Walter Unterberg. Er ist seit 2011 Referatsleiter beim ÖSV und einer der führenden Köpfe in der Szene. Anfang Dezember traf sich die Elite beim Weltcupauftakt am Hintertuxer Gletscher. Leider ohne österreichische Athleten. Warum das so ist, erklärt Unterberg: „Wir haben in Österreich zwar 600 bis 800 Telemarker, aber noch kein Rennteam und keine Spitzenfahrer. Wer berufstätig ist, kann unmöglich eine gesamte Weltcupsaison bestreiten."

Der siebenfache Weltmeister Tobias Müller (25) und seine deutschen Kollegen dominieren mit den Schweizern, Norwegern und Franzosen die Szene. In Österreich schnuppern ein paar Jugendfahrer an die Spitze heran. Und da will Unterberg ansetzen. „Wir haben den ÖSV überzeugt, dass im Training und in der Ausbildung immer wieder Telemark eingestreut wird. Es trainiert andere Muskelgruppen und schult Gleichgewicht und Koordination. Hermann Maier, Michael Walchhofer und Didier Cuche sind begnadete Telemark-Fahrer." Unterberg bringt noch ein Beispiel: „Jeder Skifahrer hat eine gute und eine schlechte Seite beim Schwung, links oder rechts. Beim Telemarken sehe ich das nach fünf Minuten und kann sofort korrigierend eingreifen." So sieht man Österreichs Alpine immer wieder mit Telemark-Ausrüstung auf Kursen.

Doch nicht jedes Talent kommt in die ÖSV-Kader. „Wenn man ehrlich ist: 98 Prozent schaffen es nicht. Aber das sind topausgebildete junge Rennläufer und denen können wir anbieten, über das Telemarken den Sprung nach oben zu schaffen." Über diese 14- bis 16-Jährigen, ihre Trainer, Vereine, die Landesverbände und Ski-Akademien wird derzeit eifrig gekurbelt.

Aber es müssen nicht gleich 20-Meter-Sprünge und Skating-Duelle sein: Die Telemark-Technik können auch Hobby-Skifahrer ausprobieren. Die heimische Plattform Telemark Austria, Institutionen wie der Alpenverein, die Ostalpen-Telemark-Tage am Hochkar und die Instruktoren-Ausbildung in Wien bzw. Obertauern bieten genug Möglichkeiten. Zu einem Kurs können Anfänger auch ohne Skierfahrung kommen, wie Martin Rainer von Telemark Austria erklärt: „Aber im Regelfall sind es gute bis exzellente Skifahrer. Nach zwei Tagen Kurs schaut es dann schon nach Telemarken aus." Unterberg betont: „Ich warne aber selbst sehr gute Skifahrer davor, das alleine auszuprobieren. Ich habe schon die besten Leute im ÖSV-Anorak gesehen, die nicht auf Anhieb um die Kurve gekommen sind. Man sollte sich die Zeit für einen Kurs nehmen." Und natürlich gute Fitness mitbringen, denn wenn die Technik noch nicht ausgereift ist, kann Telemarken sehr anstrengend sein – oder wie Unterberg lachend anfügt: „Telemarker sind fitte Leut'."

DIE PERFEKTE SKIAUSRÜSTUNG?
Interessierte können sich die Ausrüstung ausleihen, denn es bedarf spezieller Schuhe und Bindungen. „Bei ambitionierten Kursen gibt es Leihmaterial, flächendeckend aber leider zu wenig Leihmöglichkeiten", sagt Rainer. Wer sich einen Kauf überlegt, für den hat Unterberg ein gutes Argument: „Du kannst mit Telemark-Ausrüstung auf jeder Piste und auch mit normaler Alpintechnik fahren, im Tiefschnee, dank der eingebauten Steighilfe in der Bindung auch Touren gehen oder ein paar Meter in den nächsten Hang überbrücken. In Wahrheit ist das die perfekte Skiausrüstung", sagt er. „Ich selbst fahre seit 15 Jahren nichts anderes mehr."

DER TELEMARK-STIL
... ist benannt nach der gleichnamigen Provinz Telemark im Süden Norwegens, wo der Skipionier Sondre Norheim (1828–1897) den Schwung um 1860 erfand. Er war einer der besten Abfahrer und Springer seiner Zeit, sprang bereits 30 Meter weit und machte sich auch als ­Organisator und Entwickler einen Namen. 1868 gewann er ein SkiRennen, zu dem er 200 Kilometer mit Skiern angereist war.

Die FIS-Rennformate sind der Klassische Telemark (CL, bis zu 3 min Laufzeit), der Sprint-Telemark (SP)und der Telemark-Parallel-Sprint (TPS).

Infos bei Walter Unterberg:
E-Mail: walter.unterberg@oesv.at
Renntermine, Kurse und alle Daten unter www.telemark-austria.at



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