Das Schlittschuhlaufen ist nicht nur ein wunderschöner Ausdauer- und Ausgleichssport, sondern auch Meditation, manchmal sogar Mediation.

Egyd Gstättner
Egyd Gstättner

Der Schlittschuhschritt wiederum ist nicht nur erhaben und elegant, sondern verhindert im Unterschied zum Laufschritt auch bei korpu­lenten oder gar barocken Personen das Aneinanderreiben der Oberschenkelinnenseiten, sodass es – anders als zum Beispiel beim Joggen – zu keiner Aufscheuerung kommt, dem sogenannten Wolf. Nicht nur ist der Mensch dem Menschen (homo homini ...) sondern auch das Bein dem Bein und der Oberschenkelhals dem Oberschenkelhals ein Wolf (... lupus; hier: Oberschenkelhalsweh).

So schön ist das Schlittschuhlaufen also, dass es immer wieder Dichter zu Dichtung, Poeten zu Poesie inspiriert hat: Goethe lief Schlittschuh und schrieb dann darüber, Klopstock tat es (die deutschen Dichter waren und sind ja Flachländer; niemals haben Goethe oder Klopstock Großschanzenbewerbe, Herrenabfahrten, Mausefallen bedichtet), mein Landsmann Alois Brandstetter, meine Landsfrau Helga Glantschnig und viele, viele andere. Eines der schönsten einschlägigen Gedichte stammt von Christian Morgenstern und geht so: 

„Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis / Und träumte von Liebe und Freude. / Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß / glänzten die Stadtwallgebäude. / Der Seufzer dacht’ an ein Maidelein und blieb erglühend stehen. / Da schmolz die Eisbahn unter ihm ein –und er sank – und ward nimmer gesehen.“

Wahrscheinlich werde ich diese Fahrt mit ins Grab nehmen!

Egyd Gstättner

Der visionäre Dichter Morgenstern hat also schon zu seinen Lebzeiten die Klimaerwärmung vorhergesehen und geahnt, dass große Seen immer seltener und schließlich gar nicht mehr zufrieren werden und die Welt um ein Vergnügen ärmer sein wird. Nun ist es nämlich bereits fast zwanzig Jahre her, dass mein See, der Wörthersee, das letzte Mal zugefroren ist (2006) und ich auf ­Kufen von Klagenfurt bis nach Velden ­gefahren bin. Wahrscheinlich werde ich diese Fahrt mit ins Grab nehmen …“

Der Eislaufverein Wörthersee existiert zwar noch – es gibt ihn seit über 130 Jahren – aber er hat mittlerweile jedenfalls nominell eigentlich seine Bedeutung und Berechtigung verloren. (Man könnte ihn in Eislaufverein Lendkanal umbenennen – das Wasser des Klagenfurter Denkmals Lendkanal friert noch zu –, doch bis jemand auf die Idee kommt, es zu putzen und zu betreuen, ist es auch wieder geschmolzen … Da gäbe es noch etwas zu tun …) 

Der winterliche Wörthersee ist aber auch ohne Eis nicht menschenleer. In der letzten Jännerwoche habe ich weit draußen, wo früher Schlittschuhläufer waren, einen Stand-up-Paddler im Neoprenanzug gesehen: Der Mensch ist ein anpassungsfähiges Wesen … 

Egyd Gstättner
Egyd Gstättner

Der Klagen­furter ist freier Schriftsteller und Hobby­sportler.