„Pogacar“ sagte mir zuerst gar nichts: Das konnte ein Pyrenäenpass, ein Alpengipfel oder ein Rennrad sein. 

Egyd Gstättner
Egyd Gstättner

Gegen Ende der Tour, als er vier Finger zeigend seinen vierten Etappensieg feierte, freihändig über die Ziellinie fuhr und sich dabei wie ein Burgschauspieler nach der Vorstellung verbeugte, war mir Tadej Pogacar freilich schon ein Begriff …

Ich hatte letzten Sommer also die Empfehlung eines Freunds, mir einmal im Leben die Tour de France zu gönnen, beherzigt – als Fernsehzuschauer. Und zugegeben: Ich war beeindruckt. Zwar hat mich weniger das Duell des edlen Pedalritters ohne Furcht und Tadel Poga­car mit dem ebenso edlen Pedalritter Vingegaard gepackt; als völliger Laie verstehe ich die Feinheiten und Kompliziertheiten der verschiedenen Wertungen, Punktevergaben und Trikotfarbbedeutungen ebenso wenig, wie mir wirklich einleuchtet, worin die Hilfe der „Helfer“ besteht: Wenn ich Rad fahre, hilft mir niemand!

Aber was man an Landschaften und kulturkundlichen Erhellungen so alles mitgeliefert bekommt: Chapeau! Unterwegs zum Zielort Pau ein Thermalbad mit Heilschlamm (37°!), dann Le Circuit Paul ­Armaniac, der Asphalt in Pau ist ruppig! Le Pont de Riscle, l‘eglise Saint Pierre, Maisfelder, bewegt nicht vom Helikopter, sondern von natürlichem Wind … Eben noch 39 km/h, jetzt 64 km/h – die Schaltung funktioniert nicht mehr, oje, das ist natürlich schwierig jetzt – au, Sturz – aber er bekommt ein Rad vom neutralen Materialwagen … In Terra Santa gibt es, wie der Name schon sagt, viele Kapellen und Kirchen. Morgen geht’s ins Hochgebirge: Die Pyrenäen rauher als die Alpen, viel Stein, das höchstgelegene Observatorium Europas (2877 m, seit 1878, „Museum der Sterne“) … 

Die Rennfahrer haben für all das natürlich keinen Blick. Das größte Rätsel ist mir das Publikum, das kreuz und quer in Frankreich ca. 5 Stunden (samt Wohnmobil und Pipapo) am Straßenrand wartet und in die Luft schaut – dann zischen ca. 10 Sekunden lang Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard, Pascal Ackermann und noch 150 Radfahrer vorbei (Publikum winkt, jubelt und fotografiert), dann ist es wieder still (Publikum fährt in der Wohnmobilkarawane zum nächsten Pass hinauf, schläft, wacht auf und wartet wieder 5 Stunden – drei Wochen lang. Der beste Platz bei der Tour de France ist meiner Meinung nach der Beifahrersitz im Helikopter des französischen Fernsehens.