Österreichs Bike-Community traf sich in Saalbach wieder zum Mountainbike-Kongress und lernte viel: Über E-MTB, Anti-Tuning, neue Zielgruppen, Vermarktung und Apps. Und, logo: Biken waren wir auch. 

Christoph Heigl
Christoph Heigl


Vorweg: Na klar musst du biken gehen, wenn du im Home of Lässig bist, beim 3. Österreichischen Mountainbike-Kongress. Organisator Hari Maier hat wieder nach Saalbach geladen. Ende September war es, der erste Schnee hat den Hacklberg-Trail angezuckert. Doch unglaublich viele der 110 Kongress-Teilnehmer ließen es sich nicht nehmen, nach den vielen Vortragsstunden  als Belohnung auch die Trails unter die Räder zu nehmen. Mit Guides wie Weltmeisterinnen-Papa Walter Höll vom Spielberghaus fuhren wir Hacklberg, Buchegg, Blue Line, Höllentrail und das eine oder andere Schmankerl geschmeidig wie Kettenfett. Übrigens: Ganz viele E-Mountainbikes waren in der Kongressgruppe. Echte Biker. Hier längst kein Reizthema mehr. Friedliche Koexistenz, wie es sie überall geben sollte.

Zurück in den Vortragssaal. „Lernen“ hat Hari Maier als Thema seines dritten Krongresses an die Tafel gemalt und definiert: Was lernen wir aus den Erfahrungen bei Ski und Wandern und können es aufs Biken und E-Biken umsetzen? Wie erreichen wir ein Umdenken in der Mehrheitsbevölkerung? Wie können wir den Bike-Tourismus fördern? Was tun wir für die Sicherheit bei den E-Bikern?

Die Impulsvorträge und Podiumsdiskussionen wurden ergo gegliedert in die Blöcke Wege, Services, Identität und Vermarktung, und es wäre nicht der Querdenker Maier, hätte er nicht wieder Hochkaräter als Vortragende für seine Bikebühne gewonnen. Bike-Pionier Uli Stanciu, Bosch-E-Bikes-Geschäftsführer Claus Fleischer, Jurist und Bike-Experte Armin Kaltenegger, Bike-Hotelier Kurt Resch, Fahrtechnik-Guru Stefan Schlie, Martin Höbarth von der Landwirtschaftskammer, Kärntens Ober-Radfahrer Paco Wrolich, dazu Trailbauer, Destinationen-Entwickler wie Darco Cazin und Bike-Verleiher. Moderatorin: Steffi Marth. Im Publikum: Biker, Touristiker, Jäger, Journalisten, Weltcupfahrer. Eine fesche Familie. Und bunt wie das Leben.

Konstruktives Klima
Wie schon in den vergangenen Jahren stand im Fokus das gemeinsame, positive Bemühen aller Player um Lösungen in Sachen Mountainbike-Trails und Bike-Tourismus in Österreich. Konstruktiv statt destruktiv, das muss nicht eingefordert werden, das wird hier völlig relaxed gelebt und beim Netzwerken in den Pausen umgesetzt. „Wir verstehen uns als Plattform für Menschen, die in Sachen Mountainbike etwas positiv bewegen wollen“, formulierte es Organisator Maier und war diesbezüglich hoch zufrieden. „110 Teilnehmer sind ein schöner Step, am ersten Tag waren wir quasi ausverkauft. Auch, dass 48 Biker bei Schnee den Hacklberg fahren, find ich stark.“ Die Qualität und Motivation der Vortragenden und Besucher war also hoch, „manche haben ihre Diskussionen bis Mitternacht fortgesetzt“, schmunzelt Maier. Erstmals waren auch Vertreter der Landwirtschaftskammer und der Forstwirtschaft anwesend, als nächsten Schritt will Maier die Bike-Industrie und Hersteller sowie den Gesundheitsbereich (das Thema für 2019) noch stärker ansprechen. Auch Ost-Österreich war diesmal besser vertreten.

Stichwort Industrie: Da war Bosch-E-Bike-Geschäftsführer Claus Fleischer wieder da. Ideal, weil er Bike-Leidenschaft, Fachkompetenz und Eloquenz verbindet. Sein heißes Thema: illegales E-Bike-Tuning. Und er ließ mit einer Neuheit aufhorchen. „Noch bevor uns der Gesetzgeber etwas vorschreibt, haben wir als Industrie entschieden, dem Software-Tuning einen Riegel vorzuschieben.“ Ab Mitte 2019 wird die Selbstverpflichtung der Industrie zum Anti-Tuning die Bezeichnung „EN15194:2017“ tragen und per Software-Update eine systemimanente Tuning-Selbsterkennung sein. Das Gerät schaltet dann einfach ab. Grundtenor: Die Motorunterstützung darf nur bis 25 km/h gehen, sonst drohen der „Status Fahrrad“ abhanden zu kommen und gesetzliche Vorschriften wie beim Motorrad. Wer sein Fahrrad auf 45 km/h oder mehr „auffrisiert“, macht es zum Kraftfahrzeug, Händler könnten in des Teufels Küche geraten. „In Deutschland hat die Polizei schon Prüfstände, Bikes werden aus dem Verkehr gezogen“, erzählte Fleischer. „Das wollen wir doch alle nicht.“ 

Plädoyer für Freiheit
Bezüglich Reglementierungen hielt Journalist Ernst Sittinger, Moderator des Diskussionsabends, ein leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit beim Biken und für mehr Verantwortungsbewusstsein. „Biken ist ein noch weitgehend regelfreier Sport, sorgen wir gemeinsam dafür, dass es so bleibt.“
Vonseiten der Grund- und Waldbesitzer warb Martin Höbarth (Landwirtschaftskammer) um Verständnis. „Wir stehen für vertragliche Lösungen und sind immer gesprächsbereit.“ Jurist Kaltenegger zerschmetterte wieder gekonnt Mythen um Wegehaltung, Haftung und Fahrverbote. 
Großes Thema waren Sicherheit und Fahrtechnikangebote für die Kategorie der neuen E-Mountainbiker. „Am E-Bike wirken durch Motor und Masse einfach mehr Kräfte“, sagte Fahrtechnikexperte Tobias Krause. Verpflichtende Kurse oder einen „Führerschein“ will niemand, Freiwilligkeit, positive Multiplikatoren und Anreize des Handels sollten genügen. Angeregt wurden Dinge wie eine Fahrradtechniker-Lehre, eine Regulierung des Gewerbes „Coaching und Guiding“ und normierte Guiding- und Verleih-Preise – alles schwierig, weil es ein immer noch neuer Markt ohne klare Regeln ist.
In Sachen Sicherheit stellte der Däne Morten Schubert seine App Singletracker vor, die ein Livetracking von Radfahrern anbietet und mit „Tilt“ auch einen Crash-Sensor an der Vorderradnabe hat. Erkennt der Sensor dank verschiedener Parameter einen Sturz, wird automatisch ein Alarmsignal an (ebenfalls eingeloggte) Biker in der Umgebung geschickt, die sofort zur Hilfe eilen können. 
Den Beherbergungsbetrieben schrieb der Bike-Hotelier Kurt Resch ein knackiges Rezept ins Stammbuch: „Lebe Mountainbike! Stehle mit den Augen! Bilde dich weiter!“

Neue Ideen
Zum Glück gibt es auch in Österreich Vorzeigebeispiele, wo rund ums Rad etwas gelungen ist. Paco Wrolich präsentierte das Kärntner Verleihkonzept „rent e bike“, das „weit über dem liegt, was wir erwartet haben“, und Horst Marterbauer hat erzählt, wie man im Wienerwald als Community mittels Crowdfunding 52.000 Euro für Trails auf der Hohen-Wand-Wiese gesammelt hat. Es tut sich was in Österreich.

BIKE-WEISHEITEN


"Wenn Goethe heute leben würde, wäre er Mountainbiker. denn er hat sich mit dem Sinn des Lebens beschäftigt. "

Armin Kaltenegger, Jurist beim KFV

"Das Tourenangebot  ist wie ein Tattoo: Es muss einen bleibenden Eindruck hinterlassen. “

Kurt Resch, Bike-Hotelier in Südtirol

„Ein E-Mountainbiker sollte fahrtechnisch alles können, was ein normaler Mountain­biker auch kann.“

Stefan Schlie, Bosch-Fahrtechnik-Coach

„80.000 Volksschüler machen jährlich die Radprüfung. Das Feedback von Lehrern und Polizei sagt: Die kinder fahren von Jahr zu Jahr schlechter Rad.“

Christian Kräutler, KFV

„Der Mensch ist eine Funktion der Natur. Wir vergessen das. Stadtkinder wissen nicht mehr, woher die Milch kommt."

Uli Stanciu, Bike-PIonier und Vordenker

„Skikurse sind ganz normal. Wieso geht das beim Rad und
E-Bike nicht?"

Paco Wrolich, Kärnten