Das Lawinenrisiko ist beim Skitourengehen und beim Wintersport im freien Gelände, ob Freeriden oder Schneeschuhwandern, immer präsent. Spaß und Erlebnis zu maximieren, gleichzeitig aber das Risiko so minimal wie möglich zu halten, lautet das logische Ziel. Basics & mehr in Sachen Sicherheit im alpinen Winter.

Oliver Pichler


Im gesicherten Skiraum sind alpine Gefahren weitgehend ausgeschaltet. Für die Sicherheit sorgen dort die Liftbetreiber. Bewegt man sich im freien Gelände, ist man ausschließlich selbst für die Sicherheit verantwortlich“, erklärt Bergführer Stefan Zoister. Und er warnt davor, die Risiken zu unterschätzen, umso mehr, als sich die Gefahrensituation am gleichen Berg bei umschlagendem Wetter schnell ändernden könne. „Drei Faktoren spielen beim Wetter als Risikofaktor zusammen: die niedrigen Temperaturen, etwaige Niederschläge während der vergangenen Tage, aber auch in der Zeit, in der man unterwegs ist, sowie schlechte Sicht und damit Orientierungsprobleme“, fasst Zoister zusammen. „Ist das Wetter schlecht, ist es besser auch einmal keine Tour zu unternehmen oder zumindest in tieferen, bewaldeten Regionen zu bleiben, wo die Orientierung leichter ist und die Witterungseinflüsse weniger stark sind“, rät er. 

Risikofaktor Lawinen
Gute Sicht steigert nicht nur das Erlebnis, sie ist auch zentral, um die Lawinensituation fundiert beurteilen zu können. „Lawinen sind im Winter der größte Risikofaktor. Es braucht viel Wissen, Erfahrung und Information etwa zum Wetter über längere Zeiträume hinweg, um die aktuelle Gefahrenlage professionell einschätzen zu können“, betont der Bergführer. „Die Gefahr von Lawinen wird von den meisten Bergsportlern unterschätzt, deshalb ist es eine unserer Grundaufgaben darauf hinzuweisen, was es heißt, im freien, ungesicherten Gelände unterwegs zu sein“, betont Martin Gratz, der für das Bergsportangebot des Hotels Taurerwirt in Kals in Osttirol verantwortlich ist. „Lawinen gilt es kategorisch zu vermeiden, weil ein Abgang trotz bester Ausrüstung so gut wie immer massive Auswirkungen hat“, lässt Stefan Zoister wissen. Überlebt man, so reicht die Möglichkeit von verloren gegangenen Ski und Stöcken über gebrochene Beine und Arme bis zu Kopfverletzungen, um nur einige der möglichen Folgen zu nennen.

Alpinunfälle im Winter

  • 1407 verunfallte Personen (davon 495 bei Skitouren)
  • 60 Tote (davon 19 bei Skitouren)

Zahlenbasis/Quelle: Zehnjahres-Mittelwert im Betrachtungszeitraum Winter 1.11.–18.4. | Inkludierte Winter-Sportarten (abseits des Pistenskifahrens): Skitouren, Wandern/Bergsteigen, Variantenfahren, sonstige Bergsportarten, Klettern, Langlaufen, Eisklettern, Kombitouren/Hochtouren | Quelle: Österreichisches Kuratorium für alpine Sicherheit

Lawinen-Ausrüstung
Um die eigenen Chancen und die seiner Tourpartner im Fall von Lawinenereignissen zu erhöhen, ist die komplette Sicherheits-Ausrüstung Pflicht. „Bei Touren im freien Gelände sind Lawinen-Verschütteten-Suchgerät (LVS), Sonde und Schaufel sowie Erste-Hilfe-Set, Biwaksack und Handy zwingend notwendig“, nennt Zoister die Basics. Bei der Wahl der Ausrüstung sollte man Profi-Rat einholen. „Schaufeln müssen einen verlängerbaren Stiel haben und das Schaufelblatt muss oben gerade sein. Denn Modelle, die oben abgerundet sind, kann man nicht mit den Skischuhen in den Schnee drücken, weil man abrutscht“, weiß Produkttester Oskar Pavelka. Einer der häufigsten Problemfälle bei LVS sei, dass die Batterien über den Sommer im Gerät bleiben, im schlimmsten Fall ausrinnen und das Gerät unbrauchbar machen. Daher sollte man, so der Experte, die Batterien außerhalb des Geräts lagern. Bei LVS sei es überdies wichtig, sich um mögliche Updates zu kümmern, die die Leistungsfähigkeit des Geräts verbessern. „Sonden sollten eher länger als kürzer sein. 2,4 Meter sind das Minimum. Denn um effizient sondieren zu können, muss die Sonde mindestens 1 Meter aus dem Schnee ragen“, verrät Pavelka. Ebenso wichtig wie das Mittragen der Ausrüstung ist es, sie professionell einsetzen zu können. „Im Notfall steht man sehr unter Stress. Da muss man gut geschult sein, um effizient mit dem LVS suchen, sondieren und dann graben zu können“, empfiehlt Martin Gratz gewissenhaftes Training mit der Sicherheitsausrüstung. Dafür sind Kurse ratsam und regelmäßiges Üben unabdingbar.

„Sehr etabliert haben sich in den letzten Jahren Airbag-Lawinenrucksäcke. Richtig angelegt, inklusive Schrittgurt und rechtzeitig ausgelöst, sollten sie im Fall des Falles verhindern, verschüttet zu werden. Eine Überlebensgarantie sind sie allerdings nicht“, bringt Zoister ein weiteres Sicherheits-Mosaiksteinchen ins Spiel. Gleichzeitig warnt er davor, auf Grundlage der vom Airbag vermittelten Sicherheit zu große Risiken in Kauf zu nehmen.
Während beinahe alle Alpinskifahrer:innen mit Helm unterwegs sind, verzichten bis heute viele Tourengeher darauf. „Helme sind bei jeder Art von Abfahrt absolut sinnvoll. Wählen würde ich einen leichten, fürs Tourengehen zertifizierten Helm, auch weil klassische Skihelme zu warm und zu schwer sind“, rät Tourenskiexperte Zoister. „Ich halte einen Helm beim Skitourengehen für lebensnotwendig. Bergauf hat man ihn am Rucksack fixiert. Bergab trägt man ihn als verlässlichen Schutz“, bricht Produktprofi Pavelka eine Lanze für den Helmeinsatz. Ergänzend, je nach geplanter Tour, ist zu prüfen, ob Harscheisen, Steigeisen, Pickel sowie Klettergurt und Seil als weitere Sicherheitsausrüstung mit dabei sein sollten.

Schneeschuhtouren & Sicherheit
„Wir wählen bei unseren Schneeschuhtouren nur Gelände, wo zu dem Zeitpunkt der Tour, des Schneedeckenaufbaus und der geringeren Steilheit wegen, jedes Lawinenrisiko auszuschließen ist. Deshalb meiden wir Hänge, die steiler als 30 Grad sind. So können wir auf Lawinenausrüstung verzichten“, beschreibt der Kalser Bergprofi Gratz, wie er seine Schneeschuhtouren plant. „Der wichtigste Grund, warum wir Lawinenrisiken bei Schneeschuhtouren ausschließen, liegt in der Besonderheit der Schneeschuhe begründet. Während man mit Skiern die Möglichkeit hat, schnell aus dem Gefahrenbereich zu gelangen, ist man mit Schneeschuhen chancenlos. Überdies wird man von den Schneeschuhen in die Lawine hineingezogen, weil sie sich im Gegensatz zu Skiern nicht von den Schuhen lösen“, warnt Gratz.

Weitere Winter-Gefahren
Auch wenn Lawinen die größte Einzelgefahr darstellen – immerhin sind sie für drei Viertel aller Todesfälle bei Skitouren verantwortlich – sind beim Bergsport im Winter eine Reihe weiterer Gefahren nicht zu unterschätzen. Kurze Tage und die Kälte sind zwei davon. Damit verbunden ist, dass man bei jeder Tour dafür gerüstet sein soll, durch eine Verletzung o.Ä. erzwungene längere Wartezeiten bis zur Bergung unbeschadet zu überstehen. „Man kann nicht davon ausgehen, dass eine Rettung per Hubschrauber jederzeit möglich ist. Sind etwa Sicht und Wetter schlecht, kann es bis zur Bergung viele Stunden dauern“, warnt Stefan Zoister davor, immer und überall schnelle, unproblematische Rettung zu erwarten.
 

Nie ohne Versicherung
Der dringende Rat von Bergprofis lautet: Nicht ohne Versicherungsschutz unterwegs sein. Denn Unfälle im winterlichen alpinen Gelände können massive, kostspielige Folgen haben. „Beim alpinen Bergsport gibt es drei Bereiche, für die Versicherungen überlegenswert sind: erstens Unfälle und ihre unmittelbaren Folgen für einen selbst, etwa Bergungskosten, Schäden an der Ausrüstung u.v.m. Zweitens langfristige Unfall-Auswirkungen, etwa eigene Invalidität. Und drittens Schäden anderer, deren Verursacher man ist“, erklärt Christian Winkler von der Nürnberger Versicherung. Entscheidend bei der Frage, welche weitere Versicherung empfehlenswert ist, ist vorab zu prüfen, welche man bereits abgeschlossen hat. Auch die Frage, wie oft man am Berg unterwegs ist, ist ein zentrales Kriterium. Überdies ist zu bedenken, dass Mitglieder alpiner Vereine oft im Rahmen ihrer Mitgliedschaft versichert sind. „Wer oft im alpinen Bereich unterwegs ist, dem sind Versicherungen, die das ganze Jahr über gelten, zu empfehlen. Wer nur ab und zu am Berg ist und dabei einen speziellen Schutz haben will, wird mit einer Versicherung, die für einzelne Tage bis zu einer Woche abschließbar ist – beispielsweise der Nürnberger Bergschutz-Versicherung – besser bedient sein“, betont Winkler.