Einen Tag lang null Kalorien, am nächsten Tag null Beschränkung: Es klingt nach Crashdiät, ist aber wissenschaftlich begründet. „Intervallfasten“ findet immer mehr Anhänger und ist auch für Freizeitsportler sinnvoll.

Christof Domenig
Christof Domenig

Einen Tag Nulldiät und am nächsten Tag alles essen, was man will, in unbeschränkter Menge. Diese Darstellung von „Intervallfasten“ ist natürlich etwas verkürzt, stimmt aber im Kern. Für Ernährungsinteressierte klingt die Kurzformel zunächst schräg, radikal und für Menschen maßgeschneidert, die sich den mühsamen Weg einer Ernährungsumstellung ersparen wollen. Doch es stecken wissenschaftliche Erkenntnisse dahinter, die nahelegen, dass Intervallfasten durchaus mehr ist als ein weiterer (oft ungesunder) Diät-Hype. Forschungen von Mikrobiologen der Karl-Franzens-Universität Graz zum Thema Zellalterung, die in Zusammenhang mit Intervallfasten durchgeführt wurden, haben weltweite Beachtung gefunden. Diese Ernährungsform, so legen die Studien nahe (die übrigens auch mit der Med-Uni Graz gemeinsam durchgeführt wurden und werden), könnte tatsächlich ein Schlüssel zum langen und vitalen Leben sein.

Dr. Slaven Stekovic gehörte bis vor Kurzem der Grazer Forschergruppe, geleitet von Dr. Frank Madeo an – und Stekovic hat 2018 ein Buch zu diesen jungen Erkenntnissen der Zellforschung veröffentlicht: „Der Jungzelleneffekt“. Zur Fastenzeit passend wollen wir mit dem seit Herbst 2018 in Cambrigde in England tätigen Wissenschafter die Erkenntnisse rund ums Intervallfasten zusammenfassen. Stekovic ist überzeugt, dass der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme bisher in der Ernährungslehre zu wenig Beachtung gefunden hat. Acht Fragen – acht interessante Antworten.

1. Was ist Intervallfasten?
Intervallfasten, intermittierendes Fasten oder Kurzfasten: Die Bezeichnungen sind unterschiedlich, gemeint ist stets dasselbe – eine Ernährungsweise, bei der sich Phasen, in denen normal gegessen wird, mit restriktiven Fastenphasen abwechseln. Die Wissenschaft geht davon aus, dass der Körper hier noch im Steinzeitmodus funktioniert, wo die Nahrungsversorgung unregelmäßig und beispielsweise vom Jagderfolg abhängig war. Beim Intervallfasten können zum Beispiel ein, zwei oder drei Fastentage pro Woche, alternierend mit Esstagen, eingelegt werden. Ein anderes Konzept beschränkt die Nahrungsaufnahme auf acht Stunden pro Tag, um dazwischen 16-stündige Fastenphasen zu erreichen.

2. Welchen Vorteil bringen die kurzen Fastenphasen?
Im Mittelpunkt des Intervallfastens steht ein Vorgang in den Körperzellen, den man noch nicht lange nachweisen kann: „Autophagie“. Stekovic beschreibt ihn als „Aufräumprozess“ in der Zelle. Stark vereinfacht erklärt: Werden Zellen mit Energie versorgt, sind sie mit dem Umwandeln der Energieträger ausgelastet; „Abfallprodukte“, die entstehen, werden in der Zelle zwischengelagert und bleiben dort liegen. Gönnt man den Zellen zwischen der Nahrungsaufnahme längere (Fasten-)Pausen, setzt Autophagie ein: Der „Zellmüll“, zum Beispiel aus defekten Proteinen und Mitochondrien bestehend, wird verwertet, die Zelle sozusagen entrümpelt.

Dieses „Zellrecycling“ scheint wesentlich zu sein, um der Zellalterung und daraus entstehenden Krankheiten entgegenzuwirken. Sozusagen ein „innerer Jungbrunnen“. Doch abgesehen vom Prozess der Zellreinigung (für dessen Erforschung der Japaner Yoshinori Osumi 2016 den Nobelpreis erhielt) berichten viele Intervallfastende von zahlreichen unmittelbar spürbaren positiven Effekten physischer und psychischer Natur. Dass sich das Körpergewicht durch regelmäßiges Kurzfasten meist auf ein gesundes Maß einpendelt, „ist ein angenehmer Nebeneffekt“, so Stekovic.

Slaven Stekovic: „Der Jungzelleneffekt. Wie wir die Regenerationskraft unseres Organismus aktivieren“.

Buchtipp
Slaven Stekovic: „Der Jungzelleneffekt. Wie wir die Regenerationskraft unseres Organismus aktivieren“.
edition a, € 19,95

3. Wie lange sollen Fastenphasen sein?
Wann genau Autophagie in den Zellen einsetzt, ist noch nicht geklärt und laut Stekovic auch von mehreren anderen Faktoren als der Nahrungsaufnahme abhängig: Als Mindestzeit werden allerdings 16 Stunden ohne Kaloriennachschub angenommen (daher auch die 8:16-Stunden-Methode). Stekovic empfiehlt jedoch, lieber volle Fastentage einzulegen. Heißt konkret: vom Abend bis zum Morgen des übernächsten Tages zu fasten, womit sich jeweils 36 Stunden fürs Zellrecycling ergeben.

4. Was bedeutet nun „Fasten“ im Intervallfasten genau?
Anders als etwa bei einwöchigem Heilfasten soll in den Kurz-Fastenphasen auf Energiezufuhr zur Gänze verzichtet werden. Also: null Kalorien. Man soll ausreichend (aber nicht im Übermaß) Wasser trinken, circa zwei Liter an normalen Tagen. Schwarzer Kaffee (der die Autophagie sogar unterstützt) sowie schwarzer oder grüner Tee stören nicht. Jede zugeführte Kalorie sollte aber besser vermieden werden, weil die Autophagie damit verhindert oder verzögert wird. Und weil damit der Körper das Signal erhält: „Gleich kommt mehr“ und sich Hunger einstellt. Deshalb sollte man auch auf (kalorienfreien) Süßstoff, aber auch etwa Früchtetee verzichten.

5. Wie fühlen sich diese Fastenphasen an?
Viel besser als Skeptiker glauben. Das weiß Stekovic von durchgeführten Studien, aus jahrelangen Selbstversuchen („einen Fastentag pro Woche hab ich in mein Leben fix integriert“) sowie aus vielen Rückmeldungen aus der Intervallfasten-Community. Bescheidene erste Versuche des SPORT­aktiv-Redakteurs bestätigten: Fastentage sind nicht nur problemlos machbar, man fühlt sich in der Regel gut dabei. Keine Heißhunger­attacken, keine zitternden Knie, keine Schweißausbrüche, keine Müdigkeitsgefühle. Im Gegenteil: Viele fühlen sich an den Fastentagen energiegeladen, die Lust auf (moderate) Bewegung ist groß.

6. Besteht die Versuchung, nach Fastentagen doppelt zuzuschlagen?
In der Regel nicht. Im Gegenteil: Das Fastenintervall steigert die Sensibilität für die wahren Bedürfnisse des Körpers, der kommuniziert, was und wie viel er wirklich braucht. Etwa Nährstoffe, die in Obst und Gemüse stecken. Man lernt wieder, Appetit von Hunger zu unterscheiden, und greift instinktiv zu hochwertigeren und gesünderen Lebensmitteln. Das wird von vielen Anhängern des Intervallfastens betont. Mit ein Grund, warum sich damit auch das Körpergewicht sehr gut regulieren lässt.

7. Vertragen sich Sport und Intervallfasten?
Dazu existieren zwar leider kaum Studien, betont Slaven Stekovic. Der aber selbst in seiner Jugend Leistungsschwimmer war und sogar von Leistungssportlern weiß, die Fastenphasen nutzen. Vor allem aber lässt sich ein moderat bewegtes Leben, wie es viele Hobbysportler führen, mit Intervallfasten in der Regel sehr gut in Einklang bringen. An Fastentagen sowie an den Tagen danach (entleerte Speicher) sollte man freilich keine Höchstleistungen von seinem Körper verlangen, aber gerade Grundlagenausdauersport im Bereich von 70 bis 80 Prozent der maximalen Leistungsfähigkeit sei meist sehr gut machbar.

8. Gibt es Gründe, lieber nicht zu fasten?
Ja, auch die gibt es. Bei akuten Infektionen soll man nicht fasten, Menschen mit chronischen Erkrankungen sollten mit ihrem Arzt Rücksprache halten, ehe sie Intervallfasten versuchen. Auch wer an Essstörungen leidet, soll davon Abstand nehmen. Frauen in der Schwangerschaft sowie allen unter 25 ist vom Intervallfasten ebenfalls unbedingt abzuraten, sagt Slaven Stekovic. Wer aber mindestens 25 Jahre alt und gesund ist, kann es einfach versuchen. Es gilt, langsam (mit einem einzelnen Fastentag) beginnen, schauen, wie der Körper reagiert. Fühlt man sich gut, spricht nichts dagegen, den „inneren Jungbrunnen“ durch regelmäßige ­Fastenintervalle ­anzuwerfen.

Dr. Slaven  Stekovic
Dr. Slaven Stekovic

ist 29, Mikrobiologe, lehrt und forscht zum Thema Alterung und Gesundheit. Bis Herbst 2018 am Institut für Mole­kulare Biowissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz, seither in Cambridge, England.

Web: stekovic.com