Warum etwas Tempo im Training nie schadet und wie man Intervalle, Fahrtenspiel und Tempoläufe „richtig“ anlegt.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer


Hauptsache schnell? Tempolauf, Fahrtenspiel und Intervall werden im Volksmund allzu oft synonym verwendet, haben aber in ihrer Natur nur eines gemein – man läuft dabei schneller, als man es von seiner klassischen Feierabendrunde gewohnt ist. Warum man diesen Ausbruch aus dem immergleichen Trott auch als Hobbyläufer wagen sollte und was nun tatsächlich Nutzen und Unterschiede zwischen den drei genannten Trainingsmethoden sind? Wir haben uns durch die aktuell gängige Lehrmeinung der Sportwissenschaft gewühlt und für euch beim heimischen On-Athleten, erfolgreichen Mittelstreckenläufer und österreichischen U23-Rekordhalter über 10.000 Meter, Sebastian Frey nachgefragt, wie er Geschwindigkeit in sein Training bringt.
 

Intervall, Fahrtenspiel und ­Tempodauerläufe
Klassiker im Training sind sicherlich die sogenannten Intervalle. ­Dabei wechseln sich gezielte Belastungsintervalle mit vorgegebener Distanz und Dauer oder Zeit und ­Intensität mit klar definierten Erholungsintervallen planmäßig ab. ­Typischerweise bewegt man sich dabei in den Belastungsintervallen leicht unter oder über der aerob-anaeroben Schwelle (synonym zu anaerobe Schwelle, Laktatschwelle), also jenem Leistungsbereich, an dem sich Sauerstoffverbrauch und -angebot sowie Laktat­abbau und -bildung gerade noch die Waage halten. Die Wissenschaft ordnet diese in etwa um die 85 bis 88 % der HFmax ein. Wo genau diese Schwelle und auch andere Bereiche liegen, das testet man im Idealfall gemeinsam mit erfahrenen Sportmedizinern oder -wissenschaftern. Bei einer solchen Leistungsdiagnostik erhält man auch wertvolle Trainingsempfehlungen und Pulsbereiche mit auf den Weg, die dabei helfen, das gesamte Training effizienter zu steuern.

Je nachdem, ob man seine Intervalle in der Intensität nun über oder unter dieser Schwelle ansetzt, spricht man von extensiven (leichte bis mittlere Intensität, 70–80 % der HFmax, u. a. zur Verbesserung der aeroben Energiebereitstellung, Kraft- und Grundlagenausdauer) oder intensiven (hohe Intensität, 80–100 %, u. a. Optimierung der anaeroben Energiebereitstellung, Verbesserung der anaeroben Kapazität, Schnelligkeitsausdauerfähigkeit) Intervallen. Belastungszeit/­Distanz, Tempo, Pausenlänge und Anzahl der Wiederholungen steuern bei Intervallen je nach Trainingsziel die Intensität. 
 

Typisch für extensive Intervalle sind Streckenlängen zwischen 400 und 1600 Metern, wobei mit steigender Wettkampfdistanz in der Regel auch die Intervalldistanz wächst. Als typische Erholungszeit (Trabpausen) gelten je nach Trainingsziel 50 bis 100 % der Belastungszeit (1:1, 2:1, 1:2) als Faustformel.
 
Bei intensiven Intervallen fallen die Belastungsintervalle kürzer (etwa 15 bis 90 Sekunden), dafür das Tempo entsprechend höher aus. Die Erholungszeiten variieren auch hier je nach Trainingsziel, sind tendenziell aber etwas länger. 

Im Allgemeinen verbessern Intervalle unter anderem den Laufstil und die -ökonomie, halten die Motivation hoch, sind effiziente Fat- Burner, erhöhen die Kapilarisierung und Vaskularisierung (bringen also eine bessere Blut- und damit Sauerstoffversorgung des Gewebes), wirken sich insgesamt positiv auf die Herzmuskulatur und das Herz-Kreislauf-System aus und verbessern die VO2max.

Deutlich monotoner, aber nicht minder fordernd läuft ein Tempolauf oder Tempodauerlauf ab. Hier läuft man – am besten ebenfalls in Rücksprache mit einem Trainer oder Sportmediziner respektive basierend auf einer Leistungsdiagnostik – nach einem gründlichen Warm-up für längere Zeit möglichst gleichmäßig knapp unter der anaeroben Schwelle. Wie lange diese Zeit ist, hängt von der eigenen Leistungsfähigkeit ab. Zu Beginn sind wohl schon 10 Minuten sehr fordernd, sehr gut trainierte Marathonläufer schaffen auch bis zu 1,5 Stunden. Als sehr intensive Methode sollte man sie sparsam einsetzen, die Zeit nur in kleinen Schritten steigern. Wie auch mit Intervallen lässt sich durch dieses Training nahe der anaeroben Schwelle einerseits die Leistungsfähigkeit und Ökonomie in diesem Bereich verbessern (man kann längere Zeit an der Schwelle laufen), andererseits aber auch die Schwelle selbst auf lange Sicht verschieben. 20 Minuten gelten dabei schon als gute Balance aus Belastung und Nutzen. Wichtig ist dabei wirklich an der Schwelle zu laufen – zu langsam ist genauso kontraproduktiv wie zu schnell.

Das Fahrtenspiel, international auch gerne nach dem schwedischen „fartlek“ (was so viel wie „Geschwindigkeits-Spiel“ bedeutet) benannt, versteht sich als Mix aus kontinuierlichem Training und Intervallmethoden. Anders als bei einem Tempolauf variiert hier das Tempo ständig, anders als beim Intervall fallen diese Variationen aber unregelmäßig und in mehr als nur zwei Tempovariationen aus. Beispiel: Nach einem kurzen Warm-up von etwa 10, 15 Minuten wird für 30 bis 45 Minuten unregelmäßig das Tempo variiert. Bis zum Baum Tempo anziehen, danach etwas nachlassen, über den Hügel auf ein mittleres Tempo erhöhen, anschließend bis zur nächsten Kurve in zweihundert Metern nochmals erhöhen … So oder so ähnlich könnte man seine Tempovariationen anlegen.

Wer es lieber strukturiert hat, kann sich aber auch vorab fixe Belastungszeiten und Strukturen, etwa 4, 3, 2, 1 Minute(n) flotte Pace mit 1, 2, 1, 2 ­Minute(n) lockerer Erholung, zurechtlegen. Zeit, Tempo und somit auch Intensität lassen sich dabei perfekt an individuelle Anforderungen adaptieren, wodurch sich das Training für sämtliche Fitness­level eignet. 

Laufen wie Sebastian Frey

Trainieren wie ein Profi? Sebastian Frey, unter anderem österreichischer U23-Rekordhalter über 10.000 Meter, hat uns seine Favoriten unter den schnellen Einheiten für mehr Geschwindigkeit bei Wettkämpfen um die 10 Kilometer verraten.

Vor allen Einheiten gilt: Nicht ohne gründliches Warm-up – zumindest 10 Minuten locker einlaufen, kurze Schwunggymnastik und Lauf-ABC zur Aktivierung, danach eventuell noch 2 bis 3 lockere Steigerungsläufe über 50 bis 80 Meter.

1000-Meter-Intervalle: Um den Körper „gemächlich“ an das erhoffte Renntempo zu gewöhnen, läuft Sebastian 8 bis 10 mal 1000 Meter in 10 km Rennpace, gönnt seinem Körper dazwischen eine Minute Pause, ehe es ans nächste Intervall geht.

2000-Meter-Intervalle: Ebenfalls perfekt – um den Körper auf das hohe Renntempo vorzubereiten – sind Intervalle über längere Distanzen. Sebastian bevorzugt hier 4- bis 5-mal 2 Kilometer im individuellen 10-km-Renntempo. Die Pausenzeit verlängert sich hier mit der Distanz auf zwei Minuten.

Wettkampfaktivierung: Am Tag vor dem Wettkampf signalisiert Sebastian seinem Körper gerne nochmals: „Bald ist es so weit“. Dazu läuft er nochmals 3- bis 4-mal 400 Meter im für den nächsten Tag geplanten Renntempo.

Sebastian Frey
Sebastian Frey

Der österreichische Rekordhalter über 5000 m und 10.000 m ist seit Oktober 2022 Teil des On Athletics Clubs (OAC).

WEB: www.sebastianfrey.at