Welcher Typ Läufer bist du? Zieht es dich im Herbst zum Laufen in die Dunkelheit? Oder rennst du lieber am Laufband? Wir haben beides ausprobiert und viel über Reize erfahren.

Christoph Heigl
Christoph Heigl
Christoph Heigl beim Nacht-Run


Es ist sowas wie eine Erstbesteigung. Meine Erfahrungen mit Laufbändern sind gleich null. Doch der Trainer ist zur Hand und weist mich ein. „Das Laufband ist gedämpft und simuliert keinen Asphalt, sondern weichen Waldboden“, sagt Alexander Rossi, Fitnesscoach bei John Harris. Das Technogym-Laufband, auf das ich gerade klettere, ist eine Hightech-Maschine neuester Prägung und hat den Gegenwert eines Kleinwagens. Am riesigen Display kann man alle Parameter einstellen und ich trabe mit 7 km/h los. Es gelingt ohne Stolperer, fühlt sich sehr natürlich und angenehm an. Doch das Super-Ding kann mehr. Via Handy und QR-Code können sich Mitglieder einloggen und ihre ganz persönlichen Vorlieben einstellen. Auch sämtliche Trainingsdaten und individuell zusammengestellten Programme sind abrufbar, via App („My Wellness“) auch am Handy und Heim-PC immer aktualisiert.

Neben Trainingsprogrammen sind zum Zeitvertreib nette Gimmicks wie Youtube und viele TV-Stationen am Display. Skype wurde wegen des Telefonierverbotes während des Trainings im Studio wieder entfernt. Handys kann man andocken, der Pulsgurt wird vom Laufband erkannt. Selbst Google Maps ist am Bildschirm. In einem Fitnessstudio? Klar, man kann sich mit anderen Usern zusammenreden und virtuell gemeinsam den New-York-Marathon rennen. Durch Google Street View sieht man, wo man (und die „Konkurrenz“) gerade läuft. Mir stellt Trainer Rossi ein Intervall mit „Hügeln“ zusammen, das Laufband stellt sich steil auf und simuliert eine Steigung, so reize ich die 25 km/h Maximalspeed des walzengetriebenen Endlosbandes gerade nicht aus. Der Schweiß fließt auch so. Bei John Harris, erzählt man, laufen Triathleten mitunter auch ganze vier Stunden am Stück auf dem Laufband.

Wenig Unterschied
„Die modernen, qualitativ hochwertigen Laufbänder erlauben wirklich tolles Lauftraining“, sagt Sportwissenschafter Stefan Arvay. „Die Laufbewegung am Band kommt der natürlichen sehr nahe.“ Wo der Unterschied noch liegt? „Beim normalen Laufen im Freien setzt du den Fuß auf und musst den Körperschwerpunkt über den Fuß bringen und dich abstoßen. Am Laufband zieht es dir ja quasi den Boden unter den Füßen weg. Das erzeugt geringfügig andere Bewegungsabläufe und Muskelbelastungen.“ Für Geübte kann das Laufband auch als Lauftechniktraining eingesetzt werden. „Bei kurzen Interval­len kann man wegen des wegfallenden Luftwiderstandes höhere Geschwindigkeiten realisieren als im Freien und läuft mehr über den Mittelfuß und mit höherer Frequenz, was ökonomischer ist als ein zu langer Schritt mit Fußaufsatz über die Ferse.“ 
Ein weiterer Einsatzbereich ist die Diagnostik im Labor. Der Vorteil gegenüber Feldtests liegt in der permanenten Überwachungsmöglichkeit des Probanden (z. B. mittels EKG), der Nachteil darin, dass die erhobenen Geschwindigkeiten nicht immer 1:1 ins Freie übertragbar sind.
Besonders gut anwendbar ist das Laufband in der Reha. Arvay kennt Beispiele von älteren Patienten genauso wie von Profisportlern. „Beim deutschen Bundesligaklub Hoffenheim habe ich gesehen, wie sie Fußballer nach Verletzungen gewichtsentlastend aufs Band heben und die Profis beispielweise nur mit 40% des Körpergewichtes erste Laufübungen machen können.“ Was auch für das Laufband spricht, ist die Möglichkeit, in einem Studio das Laufen noch mit Kraftübungen oder Regeneration mit Sauna und Massagen zu verbinden. 

Raus ins Freie
Szenenwechsel, wir tappen im Dunkeln. Nur eine kleine Stirnlampe sorgt für etwas Licht, als wir in der anbrechenden Dunkelheit eines Herbstabends eine Laufrunde ziehen. Die Augen versuchen, Hindernisse zu erkennen, damit man nicht stolpert. Man sucht die Nähe von Straßenlaternen und hofft, auf keine unbeleuchteten Radfahrer und Hunde auf Gassi-Tour zu treffen. Frische Luft, frische Eindrücke. Bekannte Laufrunden werden im Halbdunkel zu Neuentdeck­ungen. Und auch, wenn man die eine oder andere Schicht mehr anhat als im Sommer: Laufen im Freien fühlt sich subjektiv nach mehr Freiheit an.
„Dieses Freiluftgefühl kann das beste Laufband nicht bieten“, bestätigt Sportwissenschafter Arvay unser Empfinden. „Unebenes Gelände, Wurzeln, Gehsteigkanten, das fordert und fördert permanent unsere Gelenke und Bänder. Dadurch läuft man im Dunkeln konzentrierter und ist offener für Reize. Auch, was den ,Tastsinn‘ der Füße betrifft.“ Später, wenn es rutschiger und eisig wird, aktiviert man wie beim Auto das ESP, um Schleudern und Rutschen zu verhindern. Der ganze Körper wird zum Tastorgan. Der „Erlebnisfaktor“ sei beim Laufen im Finstern sowieso eine willkommene Abwechslung, meint Arvay: „Mit einer Stirnlampe durch die Nacht oder durch den Schnee zu laufen, ist einmal ein ganz anderes und cooles Erlebnis.“ 
Immer wieder betont er die Wichtigkeit von Reizen im Training: „Das Laufband kann super Reize bieten, ein Lauf im Finstern sorgt für neue Eindrücke und sehr zu empfehlen sind im Winter auch Läufe im Gelände. Das ist nicht so monoton, man muss ständig die Schrittlänge variieren und wechselt im kupierten Gelände häufig die Schrittfrequenz – das alles sorgt für Reize und macht ein abwechslungsreiches Training aus, für Hobbyläufer genauso wie für Leistungssportler.“

Keine Ausrutscher
Somit gibt es bei unserem „Duell“ Laufband gegen Finsternis-Run wie erwartet keinen Sieger. Dosiert eingesetzt kann man sich von beidem die nötigen Reize für sein Laufraining holen. Und übrigens: Die Räubersgeschichten von Menschen, die am Laufband stolpern und rückwärts aus dem Laufband geschossen werden, passieren in der Studiopraxis nie, wie Trainer Alexander Rossi mit einem Schmunzeln versichert: „Das findet man nur auf Youtube.“