Mountainbiken mit E-Antrieb? SPORTaktiv-Bikeexperte Rene Sendlhofer hat ausprobiert, wie es sich so anfühlt, auch im Gelände mit "Zusatzschub" herumzukurven. Im Test: Das E-Mountainbike XDURO AMT PRO von Haibike.


Das Testfahrzeug: Ein „Haibike xDuro amt pro“ aus der modernsten E-Bike-Generation. Die Aufgabe: Dieses „Allmountainbike mit Zusatzantrieb“ auf Herz und Motor zu testen. Die Herausforderung: Möglichst nicht gesehen zu werden ...
Soweit die Fakten zu meinem zweiwöchigen Ausflug in das Reich der Pedelecs. Und ich muss zugeben, dass ich äußerst skeptisch war. Und gleich vorweg: Ich bin es eigentlich immer noch. Nicht von ungefähr ist das E-Mountainbike und im Speziellen das Fully zurzeit wohl der am meisten polarisierende Drahtesel am Markt. Genau aus diesem Grund schoss mir anfangs kurz der Gedanke durch den Kopf, meine Runden nur zu nächtlicher Stunde zu drehen, nach dem Motto „Ist der Ruf erst mal ruiniert ...“. Ich entschied mich dann doch für Tageslicht, schließlich wollte ich während der Ausfahrten auch Kommentare von anderen Bikern sammeln. Und damit gleich mitten hinein in meine ersten Er-Fahrungen mit einem E-Mountainbike.

DIE TECHNIK
Rein technisch funktioniert die Regelung des Antriebes sehr gut und feinfühlig. Er zieht gut durch und es ist kein allzu großes Ruckeln zu bemerken. Lediglich auf kontinuierlicher Fahrt in der Ebene spürt man die Regelung ganz leicht – ähnlich, wie wenn man auf der Autobahn immer wieder für einen Moment den Fuß vom Gaspedal nimmt. Die Steuerung ist intuitiv und das ursächliche System jedes E-Antriebs deutlich spürbar: Je stärker ich in die Pedale trete, desto mehr Unterstützung liefert mir die jeweilige Stufe.
Gespannt war ich natürlich auf die Reichweite. Laut Hersteller reicht der Akku je nach eingestellter Stufe von ca. 40 bis 100 km – bei leicht hügeligem Gelände, 25 km/h Durchschnitt, günstiger Trittfrequenz und richtiger Gangwahl. Ich habe mit mittlerer Unterstützung auf knapp 50 km und 1.100 Höhenmetern ca. 90 Prozent des Akkus verbraucht. Daher hier gleich die Botschaft an alle E-Bike-Benützer: Ein vorsichtiges Herantasten an lange Touren kann ich nur dringend anraten – das „Schwergewicht“ im letzten Abschnitt ohne Akku den Berg rauf zu bringen ist eine echte Herausforderung. Wie überhaupt gilt: Startet eure E-Touren generell gemütlich und fahrt, wo immer es leicht geht, mit geringer Unterstützung des Antriebes!
Zurück zum Test – und zu einem technischen Detail: Bei aktivierter E-Unterstützung ist der Schaltvorgang etwas ruppig und kracht leicht. „Schalten unter Last“ – was man bei normalen Bikes tunlichst vermeiden will, ist hier durch das aufgebrachte Moment des Antriebs an der Tagesordnung. Dies kann man nur verhindern, wenn man vor dem Schaltvorgang konsequent aufhört zu treten, was aber oft nicht möglich ist und den Fahrfluss stört.

DAS FAHRVERHALTEN
Generell ist das Fahrverhalten des E-Mountainbikes nicht mit einem normalen Bike zu vergleichen. Gewöhnungsbedürftig zum Beispiel: Hörte ich auf zu treten, schob der Antrieb noch ungefähr eine Sekunde lang nach. Heißt beim Anfahren von Kurven: Ich muss früher das Tempo rausnehmen, um keine böse Überraschung aufgrund zu hoher Geschwindigkeit zu erleben.
In technisch schwierigeren Passagen sollte man sich langsam an die Unterstützung herantasten. Hindernisse kommen plötzlich schneller auf einen zu, als man es gewohnt ist. Will man seine erlernte Technik beim Aufwärtsfahren über kleine Wurzeln und Hindernisse spielen lassen, so muss man damit rechnen, dass der Motor beim Antreten und Entlasten des Vorderrades zusätzlich Schub gibt, das Vorderrad rasch zu weit hochkommt. Mit einem Wort: Auch eine saubere Fahrtechnik muss E-Mountainbike-mäßig adaptiert werden.
Der Schwerpunkt des Bikes ist für meinen Geschmack eine Spur zu weit oben, was sicher am knapp 2,6 kg schweren Akku-Pack liegt. Im Wiegetritt neigt das Rad zu kippen und es kostet Kraft, dies auszugleichen. Auch in den Kurven merkt man dem Rad seine Trägheit aufgrund des Gewichts und des veränderten Schwerpunktes an. Klar, ein Allmountain mit 22 kg und 150 mm Federweg ist eben kein agiles Trailbike mehr. Es erinnert mich viel eher an die frühen Anfänge des Downhill -Sports.

DIE MEINUNGEN
Auf meinen Testfahrten hatte ich die Möglichkeit, verschiedene Biker zum Thema „E-Mountainbike“ zu befragen, einige drehten auch interessiert eine Runde mit dem Haibike. Das Fazit aller Probanden (die aber allesamt aus der hochsportlichen Faktion kamen) war ziemlich eindeutig: „Nettes Teil, aber für mich, wenn überhaupt, erst eineAlternative, wenn ich alt bin“.
Das Image des „angetriebenen Bergrades“ ist nach wie vor noch etwas angeschlagen, und viele unter den Hardcore-Bikern werten den EMotor sogar als „Betrug am Sport“.
Für das E-Mountainbike braucht es schon noch viel Aufklärungsarbeit, wie überhaupt zum ganzen E-Bike-Sequement. Etwa, dass man mit dem Extraschub ja nicht zwangsweise weniger Leistung erbringen muss. Man kann auf seiner Hausrunde dieselbe Menge an Kalorien verbrennen, ist mit dem Antrieb eben entweder schneller unterwegs oder fährt in derselben Zeit eine längere Strecke.

DIE ZIELGRUPPE
Der Radmarkt wird derzeit von verschiedenen Kategorien an Pedelecs besetzt. Gefragtester Vertreter ist sicher das Trekkingrad, das hauptsächlich auf Straßen oder Radwegen seinen Einsatz findet. In dieser Kategorie spielt der Antrieb die größte Rolle – Zielgruppe sind vor allem Radfahrer, die ohne Unterstützung nicht die Möglichkeit haben, längere Radtouren oder Radurlaube zu meistern. Dabei sollten Kritiker nicht übersehen, dass gerade in dieser Gruppe die ermöglichten Belastungsreize sehr wohl auch die Gesundheit fördern und Spaß und Erlebnis bieten.
Im Bereich E-Mountainbike setzen Hersteller auf Biker, die zwar grundsätzlich ohne Antrieb ihre Touren meistern, aber den E-Schub nutzen, um ihre Reichweite oder den Umfang der Ausfahrten zu erhöhen. Und schließlich noch das E-Rennrad: Da mit den Straßenmaschinen meistens Geschwindigkeiten jenseits von 25 km/h gefahren werden, ist der Einsatz des Motors (der laut Gesetz ja bei 25 km/h abschalten muss) rein technisch schon eher gering. Die E-Hilfe wird hier also überwiegend eingesetzt, um bei steilen Anstiegen oder langen Bergauf-Etappen mit stärkeren Fahrern mithalten zu können.

DIE PROBLEMATIK
Bleiben wir aber nochmals beim E-Mountainbike und bei einer Problematik, die allen E-Bikern bewusst sein muss: Durch die Motor-Unterstützung können nun Biker in Regionen vorstoßen, die sie mit einem normalen Bike aufgrund ihrer konditionellen oder technischen Möglichkeiten nicht erreichen würden. Wer aber mit seinem Bike zuvor noch nie im alpinen Gelände unterwegs war, muss aber wissen, dass in höheren Lagen natürliche Gefahren lauern und eine Planung von Touren mehr Know-how erfordert. Auch Abfahrten über schmale Single Trails setzen gute Technik und Beherrschung des E-Mountainbikes voraus – das hohe Gewicht der E-Bikes macht das Handling am schmalen Weg nicht gerade einfacher. Auf alle Fälle ist für Einsteiger zu empfehlen, den Motor beim Bergabfahren auszuschalten, um Überraschungen durch einen plötzlichen Schub zu verhindern.

FAZIT
Nach vielen Stunden am Bike und einem Wochenpensum, das ich sonst nur am Rennrad schaffe, hier mein Testurteil: Technisch funktioniert die Unterstützung einwandfrei, ich war überrascht, wie gut die Regelungen und der Antrieb auf die Fahrweise reagieren. Für geübte Biker ist es nötig, das Fahrverhalten ein wenig anzupassen. Weniger versierte Fahrer sollten sich erst langsam an schwierigeres Gelände oder höhere Geschwindigkeiten herantasten, um Verletzungen zu vermeiden. Anzuraten: Ein Techniktraining oder geführte Touren mit Bikeguides helfen, um mit dem nötigen Wissen, Können und Verhalten in neue Regionen – und in eine neue Dimension des Bikes vorzustoßen.


ZUM TESTBIKE: DAS HAIBIKE XDURO AMT PRO
Getestet wurde ein Haibike xDuro amt pro mit 150 mm Federweg und somit in der klassischen Allmountain-Kategorie angesiedelt. Satte 22 kg bringt es auf die Waage. Der von Bosch verwendete Motor besitzt 400 Watt und laut Angaben regelt er bei 25 km/h ab. Mit den Avid X0 Trail Bremsen wurde die richtige Wahl getroffen, um das Schwergewicht unter Kontrolle zu bringen.

Steuerung und Anzeige
Ein großes Display am Lenker, Intuiva genannt, bietet eine gute Übersicht über Tourdaten und Reichweite. Statt einem vorderen Schalthebel kann man hier per Knopfdruck die gewünschte Unterstützung auswählen. Fünf Stufen (Off, Eco, Tour, Sport und Turbo) sind verfügbar. Die Anzeige ist zusätzlich mit einer USB-Schnittstelle ausgestattet, um ein Handy oder den MP3-Player während der Tour zu laden.

Reichweite und Geschwindigkeit
Hängt von der gewählten Stufe und vom Gelände bzw. Untergrund ab. Wird die Turbo-Stufe gewählt, unterstützt der Motor bei 100 % Eigenleistung mit zusätzlichen 250 % – da geht schon was weiter, auch auf steilen Anstiegen.
Zum Rechtlichen: In Österreich muss sich der Motor eines E-Bikes – egal, ob Trekkingrad, Mountainbike oder Rennrad – bei 25 km/h abschalten und er darf nicht mehr als 600 Watt haben. Tut er das nicht, wird das Fahrzeug als Moped eingestuft.

Akku
Der Akku ist je nach Ausstattungsvariante direkt am E-Mountainbike zu laden oder muss dazu abgenommen werden. Das Ladegerät benötigt einen normalen 220V-Anschluss. Platz für Aus- und Einbau ist ausreichend, der Akku wird am Bike mit einem Schlüssel versperrt. Vorsicht: Akku rastet erst sicher ein, wenn man ihn versperrt.

Belastungstest
Die Bodenfreiheit ist trotz des eher klobigen Antriebes ausreichend. Der Hersteller gibt an, dass der Motor auch Steinschlag standhält – bei der Plastikabdeckung auf der Unterseite bin ich allerdings skeptisch, ob diese ein Aufsitzen auf Hindernissen übersteht.
Um die Wasserfestigkeit des Systems zu prüfen, habe ich das E-Mountainbike bei Regen und Schlamm ausgeführt und einer gründlichen Wäsche mit dem Schlauch unterzogen. Ergebnis? Test bestanden!


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