Wie ist der Markt für Kinder-­Mountainbikes aufgestellt? Viel besser jedenfalls als noch vor ein paar Jahren. Die Erkenntnis, dass Qualität, ­Ergonomie und Leichtbau zählen, setzt sich durch. 

Christof Domenig
Christof Domenig


Kinderbikes sind meistens viel zu schwer und selten entsprechend kindlicheren Körper-Proporionen konstruiert. Man sieht das zum Beispiel daran, wenn das Kind im Stand mit den Zehenspitzen gerade noch zum Boden kommt und die Knie beim Pedalieren dennoch auf Ohrenhöhe sind“, sagte ein Nachwuchs-Mountainbiketrainer vor ein paar Jahren zu SPORTaktiv. Damals stimmte das mit wenigen Ausnahmen. Doch bei Kinder-Mountainbikes hat sich jüngst viel getan. Der Anstoß kam durch den Erfolg spezieller Kinderbikemarken. Der Grazer Alexander Friedl etwa war zu Beginn der 2010er-Jahre vergeblich auf der Suche nach einem passenden Mountainbike für seinen Sohn. Er zerlegte ein handelsübliches Kinderbike, legte die Teile kopfschüttelnd auf die Waage und sah sich mit haarsträubender Ergonomie konfrontiert. Friedl gründete als Konsequenz Ende 2012 „Federleicht Bikes“. Die Kinder-Mountainbikes der Premiumklasse werden nicht nur dem Markennamen voll gerecht, sie sind heute vor allem in der Nachwuchswettkampfszene eine Macht.

In Klosterneuburg waren es ebenfalls zwei Väter – Christian Bezdeka und Marcus Ihlenfeld –, die für den eigenen Nachwuchs kein kindgerechtes Rad fanden. 2013 gründeten sie woom. Heute werden woom-Bikes in 30 Ländern verkauft, die Zahl der verkauften Räder steige jährlich um 75 Prozent, heißt es von woom. Seit letztem Herbst gibt es die Off-Serie, die ersten richtigen woom-Mountainbikes in Größen zwischen 20 und 26 Zoll. „In den letzten Jahren hat sich bei den Kinderbikes enorm viel entwickelt“, sagt auch Mario Pucher, Bikeexperte bei Giga­sport. Mit Eightshot hat Gigasport eine deutsche Kinder- und Jugendbikemarke im Programm. Durch den Anstoß der Kids-Spezialisten hätte aber auch die etablierte Bike-Industrie den Nachbesserungsbedarf erkannt. Kleine Bikes von Scott, Cube und KTM gibt es in den Gigasport-Filialen. „Das Gewicht war früher ein großes Manko. Seit gut zwei, drei Jahren steuert die Industrie dagegen. Es geht um Fragen wie: Wie schwer darf ein Kinderrad sein? Was ist ergonomisch zu berücksichtigen? Oder auch: Braucht es unbedingt eine Federgabel?“, sagt Pucher. 

Zur Gewichtsfrage ist der Vergleich mit den Erwachsenen ein guter Anhaltspunkt: Achtjährige, die rund 25 Kilo wiegen, mit 13, 14 Kilo schweren Bikes auszustatten: Das wurde in der Vergangenheit kaum hinterfragt. Natürlich auch aus Kostengründen: Leichtbau kostet und Kinder wachsen schnell. Trotzdem bleibt es als Tatsache, dass das Gewichtsverhältnis sich so verhält, als würde man sich selbst mit 75 Kilogramm Körpergewicht auf ein 40-Kilo-Rad setzen. Dass das nicht viel Spaß machen kann, liegt auf der Hand. 7 bis 9 Kilogramm bei 20-Zoll-Mountainbikes (ca. 6–8 Jahre) sind heute ein reeller Maßstab. Bei 24 Zoll-Bikes ( für ca. 7–11-Jährige) muss man mit 8 bis 11 Kilogramm rechnen. Ein gewisses Maß an Stabilität und Haltbarkeit braucht es aber. „Gewichtsminimierung um jeden Preis würde beim Mountainbike nicht funktionieren“, sagt Gigasport-Experte Pucher. „Hochwertige Felgen und Reifen von Mountainbikes haben einfach mehr Gewicht als ein Straßenlaufradsatz. Es geht dabei auch um die Haltbarkeit.“ Auch die woom-Off-Räder sind etwas schwerer als ihre gleich großen Straßen-Pendants.

Federleicht-Bikes aus der Grazer Edelschmiede von Alexander Friedl fahren, was Gewicht (z. B. 24 Zoll: 6,6 kg), aber auch den Preis betrifft, in einer eigenen Liga. Sie sind etwa so kompakt konstruiert, dass Kinder schon früher mit größeren Laufrädern unterwegs sein können und von den Vorteilen profitieren, die für die Erwachsenen bei Einführung der 29-Zoll-Räder oft genannt wurden, sagt Friedl. Die Komponenten sind vielfach Eigenkonstruktionen. Schon kurz angesprochen: Brauchen Kinder eine Federgabel? „Jein“, antwortet Christian Bezdeka von woom. Am Beispiel der Marke lässt sich auch ablesen, dass die gefederte Front aufs Gewicht drückt: Das woom Off mit Carbon-Starrgabel in 24 Zoll spart im Vergleich zum gefederten „Off Air“ 1,5 kg ein. „Wer bergab über Wurzeln fährt, nimmt das Bike mit Federgabel. Wer auf leichten Singletrails, Pumplines oder Forstwegen unterwegs sein will, ist mit dem leichteren Rad besser dran.“ Als Elternteil weiß man aber auch: Wenn das eigene Bike gefedert ist, braucht es Überzeugungskraft, um dem Kind zu erklären, warum es das nicht braucht.

Auch eine Frage: Scheibenbremsen – oder tun es auch V-Brakes? Der Trend geht deutlich zu den Scheibenbremsen, „wobei es eher um die Dosierbarkeit und Adjustierbarkeit geht“, sagt Pucher. Dass Hebel in Kinderhände passen müssen: Auch das war früher nicht selbstverständlich und hat sich gebessert. Kurbeln sind ein wichtiges Ergonomiethema – was Länge und Breite betrifft. Alexander Friedl empfiehlt, dass die Kurbellänge in mm in etwa der Körpergröße in cm entsprechen sollte. Auch Lenkerbreite und Vorbau sind wichtige Bauteile, an denen sich ergonomisch die Spreu vom Weizen trennt. Seit Kurzem gibt es auch E-Mountainbikes für Kinder. Daran scheiden sich die Geister – mehr noch als bei den Erwachsenen-E-MTBs. Federleicht-Gründer Alexander Friedl meint: „Kinder sollten die Möglichkeit bekommen, Körpergefühl, etwa auch ein Gefühl für Steigungen, entwickeln zu dürfen. Mit dem E-Bike geht das nicht. Da kommt leider auch die Bequemlichkeit der Erwachsenen zum Ausdruck: Richtiges Biken mit Kindern besteht zu Beginn eben einmal auch aus Warten.“

Mario Pucher von Gigasport meint dagegen: „Es gibt aktive Eltern, die für sich den Vorteil von E-MTBs im Vergleich zum Mountainbike erkannt haben. Etwa: mehr Lächeln im Gesicht, wenn du rauffährst. Warum soll man Kindern nicht das Gleiche bieten?“ Von woom gibt es ganz neu ebenfalls ein E-MTB, das „Up“. Christian Bezdeka sagt: „Wir haben schon überlegt, ob wir das wollen. Aber es gibt gute Argumente dafür.“ Das vielleicht wichtigste: „Egal, welches Kind das Up Probe gefahren ist: Es war nicht mehr herunterzukriegen.“

Die Totgesagten leben länger
Bei Erwachsenen ist 26 Zoll aus der Mode gekommen. Aber bei den Kids feiert es eine Wiedergeburt. Und bei Bastlern. 
von Christoph Heigl

Die Erfolgsgeschichten von Woom, Federleicht und Vpace zeigen es vor: Große Ideen kommen oft aus kleinen Bastelkellern. Sie werden von talentierten Papas soweit vorangetrieben, bis alle Nachbarn und Freunde auch so ein „Ding“ für ihre Kleinen wollen, ein Kinder-Mountainbike, das was taugt.  Zur Serienreife ist es zwar ein weiter Weg, aber eines hilft ambitionierten Bastlern: Weil die 26 Zoll-Reifendimension bei Erwachsenen de facto ausgestorben ist, gibt es eine Unmenge an Teilen, die in Werkstätten und auf Onlineplattformen lagern, oder sich mit irren Rabatten hinterm %Sale%-Button im Onlineshop verstecken und auf ein „second life“ warten. Diese Teile, oft von hochwertigster Qualität, sind den Komponenten vieler normaler Kinderbikes weit überlegen. Mit etwas Expertise lassen sich Kinderräder mit einst teuren Leichtbaukomponenten toll aufpimpen oder gleich selber bauen. Bei Kleinkindern (14, 16, 20 Zoll) macht es noch wenig Sinn, aber von der Volksschule bis zur Firmung und ab Körpergrößen von etwa 130 cm kann man Kids auf 26 Zoll setzen und ihnen so etwas wie den „29er-Effekt“ bei Erwachsenen bieten.

Wichtig: Die Rahmen müssen extrem klein und kurz sein, weshalb sich in erster Linie Rahmen für Jugendliche und kleingewachsene Frauen für Bastelprojekte eignen. Gewicht ist das zentrale Thema. Leichte Laufräder und superleichte Reifen helfen den Kleinen enorm: Tipp: „altmodische“ Semislicks wie Schwalbes Thunder Burt (nur 400 Gramm). Mit normalen Kurbeln (wichtig: kurze Kurbelarme) und Zahnkränzen lassen sich kindertaugliche Übersetzungen kreieren. Kurze, negativ gedrehte Vorbauten sorgen für passable Sitzpostionen, Bremshebel von alten V-Brakes (z.b. XT oder XTR) lassen sich bestens auf Kinder einstellen, Luftfedergabeln genauso. Und keine Sorge: Wer das nicht schafft, weiß, wo er die Profi-Papas von Woom und Federleicht findet. 

Coole Zeiten für kleine Biker: Qualität, Ergonomie und Leichtbau zählen auch bei Kinderbikes