Für viele ist die Tourenplanung ein Vergnügen – andere verzichten ganz darauf. Warum Planung aber unabhängig von der Bergsportart und vom Anspruch der Tour immer dazu gehört, kann euch Experte Martin Edlinger genau erklären.


Vorfreude ist die schönste Freude: Ab der Wochenmitte die Tour fürs Wochenende vorzubereiten, ist für viele Bergsportler kein Muss, sondern ein Vergnügen. Gut so. Denn gewissenhafte Tourenplanung ist der erste wesentliche Sicherheitsfaktor im Bergsport. Leider gibt es auf der anderen Seite auch manch „Planlose". „Auf Tourenplanung zu verzichten, kommt leider tatsächlich häufig vor. Aber auch eine mangelhafte Tourenplanung ist ein Fehler, der dann später oft Probleme bereitet", weiß Naturfreunde-Experte Martin Edlinger.

Besonders oft hapert es schon bei der Selbsteinschätzung. Sprich: Das physische und technische „Können" hält mit dem „Wollen" nicht mit – auch bei den einfachen Sportarten wie dem Wandern. „Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass beim Wandern Herz-Kreislauf-Probleme und Stürze als Folge von Ermüdung die häufigsten Unfallursachen sind", analysiert der Leiter des Bergsportreferats der Naturfreunde Österreich.

VIER PUNKTE SIND ZU BEACHTEN
Was gehört zur Planung einer Bergtour? Grundsätzlich geht es um bloß vier Punkte, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen:

1. Ermitteln der objektiven, feststehenden „Kenndaten" der geplanten Tour, also Länge, Höhenmeter und daraus resultierende Gehzeiten; dazu sind noch Schwierigkeiten, Schlüsselpassagen und Wegzustand herauszufinden.

2. Dazu kommen als „Variable" die Wetterverhältnisse am Tourentag/an den Tourentagen dazu.

3. Eine realistische Einschätzung, ob man selbst der Tour gewachsen ist, muss angestellt werden, ebenso wie alle anderen in der Gruppe fit genug sein müssen.

4. Die Ausrüstung muss auf Vollständigkeit und Tauglichkeit gecheckt werden (eine genaue Packliste findest du hier).

LÄNGE, GEHZEIT, HÖHENMETER
Zurück zu Punkt 1: Zunächst werden also Daten und Fakten über die Wunschtour zusammengetragen. „Länge, Höhenmeter und meist auch Gehzeiten sind in Tourenführern oder guten Internetportalen (wie tourenportal.at der Naturfreunde) in der Regel angegeben." Weniger erfahrenen Bergsportlern rät Martin Edlinger, sich an eine Tour mit vollständiger Datenlage zu halten. Die andere Möglichkeit: „Man kann aus einer topografischen Karte sehr genau Länge und Höhenmeter herausmessen – sofern man sich damit auskennt."

Für die Wegzeitberechnung gibt es eine altbewährte Formel: „Man errechnet sie aus einem Längenwert und einem Höhenmeterwert. Für eine Strecke von 4 km ist eine Stunde zu veranschlagen. Für 300 Bergauf-Höhenmeter oder 500 Bergab-Höhenmeter ebenfalls eine Stunde. Streckenwert und Höhenwert werden zusammengezählt, wobei der kleinere Wert nur zur Hälfte gerechnet wird." Ein Beispiel´: Eine 8 km lange Tour mit 600 Bergauf-Höhenmetern ergibt also: (2+2, ein Wert davon aber nur zur Hälfte gerechnet) = drei Stunden Wegzeit.

„Wichtig ist auch, sich im Vorfeld über Schlüsselstellen schlauzumachen: Gibt es ausgesetzte Passagen, leichte Kletterpassagen im steilen Gelände, sind Schneefelder in höheren Lagen zu erwarten? Auch diese Punkte sind in Tourenbeschreibungen angegeben oder sie können auch in der Region, wo die Wanderung stattfindet, z. B. bei Hüttenwirten, erfragt werden."

DIE WETTERPROGNOSE
Informationen über das aktuelle Wettergeschehen einzuholen, stellt den zweiten Fixbestandteil der Planung dar. Martin Edlinger: „Sehr gute Portale als Informationsquellen sind zamg.at oder naturfreunde.at/wetter. Wobei Letztere speziell die Prognosen in den Gebirgsregionen zusammenfasst." Als aussagekräftig gelten Prognosen, die maximal drei Tage vor dem Tourentag erstellt werden, wobei man sich zur Tour hin ständig auf dem Laufenden halten soll. Langzeitprognosen über einen Zeitraum von drei Tagen hinaus (für Mehrtagestouren relevant) sind sehr ungenau.

Immer wieder zu hören ist, dass sich Bergsportler wegen knapper Zeitressourcen auch von einer schlechten Wetterprognose nicht vom geplanten Tourvorhaben abbringen lassen. Da muss dann das Sprichwort herhalten: „Schlechtes Wetter gibt es nicht, bloß schlechte Ausrüstung ..." Was ist davon zu halten? „Diese Aussage ist sehr mit Vorsicht zu genießen. Das mag für leichten Nieselregen in einfachem Gelände zutreffen, aber bei Wetterstürzen, Starkregen oder Gewitter ist man im Gebirge mit der besten Ausrüstung auf verlorenem Posten", warnt der Naturfreunde-Profi.

Andererseits heißt es nicht, dass jede suboptimale Wetterprognose eine Tour von vornherein ausschließen muss: „Wärmegewitter etwa, die meist nachmittags auftreten, sind ein typisches Wettergeschehen im Sommer. Sind solche Wärmegewitter prognostiziert, sollte man seine Tour eben so planen, dass man mittags oder am frühen Nachmittag sicher auf einer Hütte oder schon wieder zu Hause ist. Kaltfronten und Wetterstürze treten dagegen unabhängig von der Tageszeit auf, können dafür heute sehr genau vorhergesagt werden. Sind sie für Vormittag progonstiziert, heißt das: absolut keine Tour! Aber Wetterstürze, die für den Abend vorhergesagt sind, lassen kurze Touren am Vormittag mit entsprechender Zeitreserve durchaus zu. Wichtig ist jedoch, eine einfache und schnelle Rückzugsmöglichkeit einzuplanen. Aber Achtung: Kaltfronten tauchen sehr schnell und ohne markante Vorzeichen auf!"

SPORTARTSPEZIFISCHES
Auf die nötigte Fitness und die Ausrüstung für die unterschiedlichen Bergsportarten gehen wir in anderen Beiträgen näher ein. Hier aber hat Martin Edlinger ein paar spezielle, die Planung betreffende Hinweise zu den gängigen Sportarten:

  • WANDERN: Gerade dieser einfachste Bergsport verleitet häufig zum Leichtsinn: „Auf Tourenplanung sollte grundsätzlich nie verzichtet werden – auch wenn man vorhat, nur auf Wanderwegen unterwegs zu sein. Selbst, wenn einem die Tour bekannt ist und sie keine Schwierigkeiten beinhaltet, gehören diese Fragen abgeklärt: Wie wird das Wetter? Wer geht mit? Wie ist der Zustand des Weges?"
  • BERGSTEIGEN/HOCHTOUREN: Die Faustregel für die Wegzeitberechnung kann auch abseits markierter Wanderwege herangezogen werden. „Schwieriger wird das Abschätzen, wenn Kletterpassagen in der Tour dabei sind – hier sind Tourenführer mit Zeitangaben hilfreich." Ein Partner ist auf Hochtouren unerlässlich – je genauer man ihn bzw. sie kennt, desto exakter kann man planen – oder: mehr Reserven einkalkulieren.
  • KLETTERSTEIG- & KLETTERTOUREN: Auf Klettersteigen kann man theoretisch auch allein unterwegs sein – „zu empfehlen ist es aber immer, mit Partner zu gehen. Man denke nur an einen Notfall." Beim Klettern ist man sowieso immer zwingend mit einem Sicherungspartner unterwegs. In beiden Bereichen kann man sich bei der Planung an gute Führerliteratur, gedruckt oder online, halten, in denen Schwierigkeiten, Zustiege und Zeitangaben angeführt sind.

Martin Edlinger / Bild: Martin Edlinger
DER EXPERTE
MARTIN EDLINGER ist Leiter der Referate Bergsport u. Schitouren der Naturfreunde Österreich, staatlich geprüfter Berg- und Skiführer und Alpinsachverständiger.

KONTAKT: martin.edlinger@naturfreunde.at
WEB: www.naturfreunde.at



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