Mit Ende der warmen Jahreszeit verringert sich auch die Zahl der Hobbyläufer „on the road". Der Großteil schaltet in den nächsten Wochen und Monaten beim Training ein paar Gänge zurück, während wieder andere komplett in den Winterschlaf-Modus verfallen. Alles ist erlaubt. Eines aber gilt für alle gleich: Jetzt ist die Zeit, um „Inventur" zu machen!

Von Christoph Lamprecht


Jahr für Jahr leistet die nach wie vor stetig wachsende Gemeinde der Hobbyläufer weltweit Großartiges. Seit über 30 Jahren liegen Laufbewerbe ungebrochen im Trend, und ihre Teilnehmer werden spätestens seit dem Hype der späten 90er-Jahre nicht mehr als Egozentriker wahrgenommen.

Begleiterscheinung dieses erfreulichen Phänomens ist die „Professionalisierung" des Hobbylaufsports. Soll heißen: Auch wenn bei den Umfängen zwangsläufig Abstriche gemacht werden müssen, nutzen immer mehr Freizeitsportler ähnliche Trainingsmethoden und das gleiche Equipment wie ihre Vorbilder aus der Eliteabteilung. Die Grenzen des Machbaren scheinen sich ständig nach oben zu verschieben. Längst hat der Marathon für ambitionierte Ausdauerzampanos seinen Schrecken verloren, denn wer heute als „harter Hund" gelten möchte, quält sich mit Freude bei Ironman-Bewerben oder Ultraläufen.

ENDSPURT - UND DANN?
Trotz oder gerade wegen der angesprochenen Tendenzen haben verständlicherweise nur die wenigsten Amateursportler den Ehrgeiz und auch die Möglichkeiten, um das gesamte Jahr hindurch auf höchstem Niveau zu trainieren. Und das ist gut so, denn unabhängig von der körperlichen Belastung sollte man seinem Hobby ohnehin nicht allzu verbissen nachgehen und unbedingt weniger intensive Phasen einplanen, will man langfristig die Freude am Laufen behalten.

„Nach dem letzten Saisonhöhepunkt ist es wichtig, sich selbst genug Zeit zum Regenerieren und Aufladen der sprichwörtlichen Akkus zu geben", rät daher auch der Sportwissenschafter und Runtastic-Fitnessexperte Herwig Natmessnig, den wir uns zu diesem Thema als Ratgeber geholt haben.„Nach einer langen und harten Trainings- und Wettkampfperiode benötigen vor allem die passiven Strukturen wie Gelenke, Bänder und Sehnen eine Verschnaufpause. Je nach Höhe des absolvierten Pensums kann die Übergangsphase durchaus zwei bis vier Wochen dauern. In dieser Zeit sollte man nach keinem strikten Plan trainieren und je nach Lust und Laune die Laufeinheiten gestalten oder auch einmal nichts tun", sagt Natmessnig.

Motivierenden Input liefert in dieser Zeit eine subjektive Selbsteinschätzung, gepaart mit objektiven Daten, die man im besten Fall das gesamte Jahr hindurch regelmäßig gesammelt hat. Denn wer Erreichtes Revue passieren lässt und seine Leistungskurven nochmals begutachtet, kann daraus für seine weitere sportliche Zukunft wertvolle Schlüsse ziehen. „Am Ende der Saison zu sehen, was man geschafft hat, macht einfach stolz und motiviert fürs kommende Jahr. Hat man seine Ziele erreicht, ist das ein unglaublicher Boost, um auch weiterhin am Ball zu bleiben", so Natmessnig.

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Was der ehemalige Leistungssportler aus eigener, langjähriger Erfahrung zu berichten weiß, gilt übrigens für Wettkämpfer und reine „Gesundheitsläufer" gleichermaßen: „Auch wenn man ‚nur' verhältnismäßig kurze Distanzen läuft, dies aber regelmäßig tut, sammelt sich übers Jahr gesehen eine erfreuliche Zahl am Kilometerkonto. Werden dabei grundlegende Trainingsprinzipien befolgt, kommt es auch beim reinen Jogger unweigerlich zu einer Verbesserung der Fitness. Und dadurch kann man sich noch höhere Ziele stecken, die auch realistisch und erreichbar sind."

Wer übers Jahr seine Trainings- (und eventuell auch Wettkampf-)Daten sammelt und diese für seine Zwecke zu interpretieren weiß, ist klar im Vorteil. Je nach Ziel und persönlichem Wissensstand können auch, falls erforderlich, Laufcoaches oder Sportwissenschafter die notwendige Übersetzungsarbeit leisten und das vielleicht nicht immer leicht verständliche Daten-Wirrwarr in konkrete Handlungsanweisungen ummünzen.

WENN WENIGER MEHR WIRD
Ob mit oder ohne Aufzeichnungen: Mit etwas zeitlichem Abstand fällt es vielen Hobbysportlern leichter, ihre Trainingsperformance im Hinblick auf ihre tatsächlich erbrachten Laufleistungen realistisch zu bewerten.

Eine psychologische Falle, in die auch Profis immer wieder tappen, ist das Gefühl, immer mehr machen zu müssen. Aber befindet man sich einmal im „Übertraining", arbeitet man bestenfalls an seiner mentalen Zähigkeit, während die körperliche Leistungsfähigkeit sukzessive abnimmt.
Idealerweise – sofern man das Dilemma des zu großen Pensums überhaupt erkennt – schraubt man in solch einer Situation das Trainingspensum sofort zurück. Tut man dies nicht, spricht spätestens die Jahresabschlussbilanz eine deutliche Sprache. Natmessnig: „Wenn sich trotz größerer Trainingsumfänge die Leistung nicht verbessert oder sogar abgenommen hat, dann ist das ganze Laufjahr über offensichtlich etwas schiefgelaufen. Natürlich geht man auch im Hobby-Leistungssport schon einmal über seine Schmerzgrenze, allerdings gilt es trotzdem, gewisse Warnsignale wie ständige Müdigkeit, Lustlosigkeit sowie ein generell energieloses Gefühl oder schlechten Schlaf nicht zu ignorieren. Passiert das nicht, dann zieht zwangsläufig der Körper die Notbremse, anfangs durch stagnierende Leistungsfähigkeit, im krassen Fall aber durch ein überlastetes Immunsystem, was sich letztlich in häufigen Erkrankungen niederschlägt."

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SCHLECHTES TIMING
Wie wichtig es ist, gerade im Laufsport das richtige Maß an Belastung und Erholung zu finden, zeigt sich übrigens oft in dem seltsamen Phänomen, dass bei unerfahrenen Läufern die Leistung in einem Wettkampf oft deutlich schlechter ausfällt als in der Vorbereitung. Darum hat Runtastic-Experte Herwig Natmessnig hier einen wichtigen Rat für alle, die gegen Jahresende noch bei einem Laufevent starten: „In den letzten zwei bis drei Wochen vor einem Bewerb kann man mühsam erarbeitete Fortschritte schnell zunichte machen. Nur eine gezielte Reduktion der Umfänge und richtig gesetzte, wettkampfspezifische Belastungsreize stellen sicher, dass man am Tag X voll ausgeruht und gleichzeitig auf die bevorstehende Belastung optimal vorbereitet ist. Mitten im Training fällt das vielen ehrgeizigen und hochmotivierten Sportlern schwer zu glauben, doch spätestens im Nachhinein spricht das Resultat und die Datenlage eine deutliche Sprache", weiß der Runtastic-Coach.

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VON WEGEN WINTERSCHLAF
Die Schlachten sind geschlagen, nennenswerte Wettkämpfe stehen erst wieder im neuen Jahr am Programm, auf hartes Training hat man ohnehin keine Lust mehr – was also tun mit der „lauffreien" Zeit? „Die ‚Off-Season' ist die ideale Zeit, um an etwaigen muskulären Dysbalancen und einer besseren Beweglichkeit zu arbeiten", rät Natmessnig. „Und in der beginnenden Aufbauphase sollte ein spezifisches Krafttraining für Läufer ein wichtiger Bestandteil sein – die gezielte Stärkung der Rumpf- und Beinmuskulatur beugt Verletzungen und Überlastungen vor." Dem läuferischen Winterschlaf, der totalen sportlichen Abstinenz erteilt der Coach eine entschiedene Absage: „Wer im Frühjahr fit sein will, muss im Herbst und Winter Laufkilometer sammeln. Dabei sollte der Fokus auf der Verbesserung der Grundlagenausdauer liegen. Denn nur mit einer guten Basis kann man später die intensiven Laufeinheiten, die man in der direkten Wettkampfvorbereitung braucht, gut verkraften."

Mag. Herwig Natmessnig
Mag. Herwig Natmessnig

ist für Runtastic als Sportwissenschafter tätig. Als Profiathlet war er 14 Jahre lang Mitglied der ­österreichen Kanu-Slalom-­Nationalmannschaft.

Web: runtastic.com/blog