In welchen Sportarten findet man die fittesten Sportler? Was bedeutet Fitsein überhaupt? Ist Fitness messbar? Eine Spurensuche.

Christof Domenig
Christof Domenig

Klingt nach bierseliger Wette zu fortgeschrittener Stunde, es hat sich aber als Frage in einer garantiert alkoholfreien Redaktionssitzung ergeben: Wer ist der Fitteste? Ironman? Zehnkämpfer? Kickboxer? Fußballer? Langläufer? Kletterer? Läufer nicht, da ist man sich recht schnell einig. Der ist zu einseitig trainiert (Sorry, Mr. Bolt und Mr. Kimetto). Radfahrer auch nicht, die sitzen ja nur und strampeln mit den Beinen (Sorry, Kollege Heigl).

Die Sache hat uns dann aber keine Ruhe gelassen. Gleichzeitig wollten wir sie auch aufs Freizeitsportlerniveau herunterbrechen. Wo unter unseren typischen Lesergruppen (Läufer, Biker, Triathleten, Langläufer, Bergsportler) sind die fittesten Typen zu finden? Sind vielleicht doch Spielsportler – oder universelle Fitnessstudio-Trainierer vorne?

Aus unserem SPORTaktiv-Expertenteam schien uns Mag. Kurt Steinbauer sehr gut geeignet, Licht ins Dunkel zu bringen. Sportwissenschafter, ehemaliger Zehnkämpfer, Leistungsdiagnostiker, Lauftrainer, Besitzer eines Fitnesscenters – all das steht in seiner Biografie.

Fünf konditionelle Faktoren
Was heißt eigentlich „Fitness“? Laut Duden „gute körperliche Verfassung, Leistungsfähigkeit (aufgrund eines planmäßigen sportlichen Trainings)“. Wissenschaftlich gesehen ist der Begriff „Kondition“ – die landläufig oft mit Ausdauer verwechselt wird – schon eher ein Maßstab für unsere Zwecke. Gibt es doch fünf klar definierte „konditionelle Faktoren“: Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination und Beweglichkeit.

„Für Leistungssportler sind alle fünf Faktoren von Bedeutung, in jeder Sportart“, hält Kurt Steinbauer fest. „Wenn Defizite nur in einem der fünf Bereiche zu groß werden, hat man schon ein Problem. Weil diese Defizite limitierend wirken.“ Ein prototypischer Vertreter universeller Fitness: Marcel Hirscher.

Überall gleich gut trainiert zu sein, ist allerdings ein Ding der Unmöglichkeit. Auch, weil eine konditionelle Fähigkeit zu verbessern, einer anderen mitunter entgegenwirke, wie Steinbauer erklärt. Schon Ausdauer und Kraft unter einen Hut zu bringen, sei gar nicht einfach, weil es – vereinfacht ausgedrückt – für Ausdauerleistungen die roten Muskelfasern braucht, für Kraftleistungen die weißen. Abgesehen von der Veranlagung, adaptiert sich auch der Körper je nach Trainingsart in Richtung rot oder weiß, sprich: Ausdauer- oder Krafttyp.

Im Spitzensport
Je nach ausgeübter Sportart sind die einzelnen konditionellen Faktoren unterschiedlich wichtig. Steinbauer nennt ein paar Beispiele: „Profifußballer sind sehr schnellkräftige Typen, koordinativ stark gefordert, und decken aktuell bestimmt ein hohes Maß an universeller Sportlichkeit ab. Zehnkämpfer sicherlich auch, sie sind aber in der Regel sehr verletzungsanfällig.“ Für „Fitnesssportler“ – der Begriff „Fitness“ wird ja landläufig auch mit Gesundheit assoziiert – kann so eine Art von Fitness also kaum erstrebenswert sein. Kampfsportler? „Ich hatte als Leichtathlet und Sportstudent einen boxenden Kollegen und keine Chance, mit ihm in seinem Training mitzuhalten“, bestätigt der Ex-Zehnkämpfer die Überlegung. „Boxer, Judoka, Kickboxer etc. sind sicherlich überaus fit.“

Eher tendenziell einseitig trainiert sieht unser Experte beispielsweise Triathleten („stark ausdauerorientiert mit ein wenig koordinativer Komponente vom Schwimmen“) oder – selbsterklärend – reine Kraftsportler. Ob es eine allgemein gültige Messmethode gibt, um den Fitnesszustand zu bestimmen? Man kann zumindest jeden einzelnen konditionellen Faktor messen. Die ehemaligen österreichischen Zehnkämpfer, die Brüder Dr. Georg und Dr. Roland Werthner, haben ein „Talente Diagnose-System“ („TDS“) entwickelt, das auch international angewendet wird und alle fünf konditionellen Faktoren einbezieht. Vor einigen Jahren wurden junge heimische Sportler unterschiedlichster Sportarten nach Obertauern eingeladen und mit dem TDS getestet: „Gewonnen hat damals ein Volleyballer“, erinnert sich Steinbauer. 

Was ist mit mentalen Faktoren? „Die spielen selbstverständlich auch eine Rolle in der Leistungsfähigkeit. So wie der soziale Faktor im Mannschaftssport. Oder der Faktor Material.“ Und hier wird die Sache endgültig kaum noch überschaubar. Wer denn nun der fitteste Sportler der Welt sei, könne bestimmt niemand sagen. „Die relevante Frage ist nicht: Wer ist fitter? Sondern: Wie fit ist jemand für seine Sportart?“

Im Freizeitsport
Was Hobbysportler mit Spitzensportlern verbindet: Vielseitigkeit ist besser als Einseitigkeit. „Weil Einseitigkeit immer Defizite im System provoziert, die auch für Freizeit- und Gesundheitssportler nachteilig ist.“ Ein Läufer, der auf Muskeltraining und Stretching verzichtet, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann seinen Körper überlasten. Womit wir bei noch einem Aspekt sind, der vor allem im Hobbysport relevant ist: Für eine Sportart zu trainieren, heißt nicht, diese Sportart ständig auszuüben. Doch genau das machen viele Freizeit­sportler: Läufer laufen. Biker biken …

Geht man von der Prämisse aus, dass ein Training nur im Ausüben der Sportart selbst besteht, dann ist beispielsweise ein Hobbygolfer bei gleichem Zeiteinsatz wesentlich vielseitiger trainiert als ein Hobbyfußballer oder ein Tennisspieler. Recht gut an das Maß universeller Fitness komme dagegen heran, wer zwei sich ergänzende Sportarten kombiniert: Etwa Laufen (Ausdauer) und Klettern (Kraft, Beweglichkeit; mentale und soziale Komponente durchs Sichern). Sieht man Bergsteigen für sich als Kombination aus Wander- sowie Kletterpassagen an, dann kommt man sogar mit einer Sportart recht nah an ein gutes Maß universeller Fitness heran. Sonst lautet die Empfehlung schlicht: Abwechslung und kluge Kombinationen sind gefragt.

Wenn Fitness Gesundheit meint
Aus Gesundheitssicht könnte ein ideales und dennoch relativ zeitsparendes Fitnesstraining in etwa so ausschauen, sagt unser Experte: Zwei Stunden Ausdauertraining pro Woche, dabei die Dauer- und Intervallmethode abwechseln. Zwei Krafteinheiten pro Woche (zu je ca. 30 bis 45 Min.). Ein tägliches Beweglichkeitstraining (3 bis 4 Übungen reichen, diese aber durchwechseln). Und dazu eine wöchentliche koordinative Einheit: Das geht mit einem Ballspiel oder mit Tanzen. Damit wäre auch die soziale Komponente abgedeckt. Wer so trainiert, ist zwar sicher nicht der fitteste Mensch der Welt, aber hat die Gefahr von Bewegungsmangel-Krankheiten aller Art bestmöglich reduziert. Und ist mit hoher Wahrscheinlichkeit gesünder als Leistungssportler.

Von den fünf konditionellen Faktoren kann man im Sinne der Gesundheit eigentlich bloß auf die Schnelligkeit, also die rasch aufeinander folgende Kontraktionsfähigkeit der Muskulatur, verzichten. Aber auch das stimmt nicht ganz: „Relevant wird diese, wenn im fortgeschrittenen Alter die Reaktionsfähigkeit nachlässt. Da ist es schon gut, wenn man sie ein Leben lang mittrainiert hat.“ Apropos: Zum Fitbleiben bis ins hohe Alter ist Tanzen und Wandern für unseren Experten eine gute Kombination. 

In welchen Sportarten es aber nun die fittesten Hobbysportler gibt? Oder wer es tatsächlich ist? Wir freuen uns schon auf gut begründete Rückmeldungen unter office.sportaktiv@styria.com. Betreff: „Ich bin der/die Fitteste“.
Die Diskussion ist eröffnet …