Wer sich im Winter in den Bergen bewegt, findet einzigartige Naturerlebnisse. Doch der Tanz im Schnee erfordert auch detaillierte Planung, ­Erfahrung und Respekt vor den Naturgewalten.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

"Der Berg. Er ist einfach da, imposant, massiv, geradlinig. Er bleibt unerschütterlich, beherrschend. Es bleibt mir nichts übrig, als mich ihm zu fügen. Wenn ich am Leben bleiben will, muss ich auf der Hut sein und ihn respektieren“, zeichnet die französische Alpinistin Catherine Destivelle ein durchaus treffendes Bild der alpinen Welten. Der unberührte Hang, der einsame Gipfel, all dies mag anziehend sein, keine Frage. Doch sollte man sich als Tourengeher immer auch der Gefahren des weißen Glücks bewusst sein. Wetterumschwünge, ­Nebel, Eis, steile Felsabbrüche, ­Lawinen – das größte Glück im schwerelosen Pulver kann schnell umschlagen. Die Berge, sie geben viel. Verlangen aber auch Respekt und Demut unsererseits.

Demut statt Hochmut
Bitte versteht uns an dieser Stelle nicht falsch. Wir wollen hier niemandem die Freude am Tourengehen nehmen. Vielmehr möchten wir zu eurer Sicherheit und auch die ­Sicherheit Dritter am Berg darauf pochen, euch der Gefahren bewusst zu werden. Hundertprozentige Sicherheit, die, das zeigen auch immer wieder tragische Umfälle mit erfahrenen Athleten und Bergführern, gibt es ohnehin nicht. Doch mit guter Ausbildung, viel Erfahrung, schlauer Planung und passender Ausrüstung lassen sich Risiken minimieren, respektive gar nicht erst eingehen.

Auf technischer Seite gehören eine vollständige LVS-Ausrüstung bestehend aus LVS-Gerät, Sonde und Schaufel immer mit in den Rucksack und an den Mann, wie Coen Weesjes, der erfahrene Berg­retter und Ortsstellenleiter der Bergrettung Filzmoos weiß. Dazu, so der Experte, sollte man auch immer ein aufgeladenes Handy, ein zumindest kleines Erste-Hilfe-Set mit Rettungsdecke dabeihaben und den Lawinenlagebericht im Kopf haben. Optional helfen mitunter Lawinenrucksack, Harscheisen, Extra-Batterien für das LVS bei Mehrtages­touren sowie ein Biwacksack, so Weesjes. Wichtig: LVS-Ausrüstung erweist sich nur dann als nützlich, wenn sie vollständig ist. Nur ein LVS-Gerät am Körper zu tragen ist zu wenig, wer glaubt im gepressten Schnee einer Lawine mit der Hand nach Kameraden graben zu können, der ist auf dem Holzweg. Und auch der Umgang mit LVS-Gerät, Sonde und Schaufel will gelernt sein. Diverse Alpinschulen, aber auch Alpenverein und Naturfreunde bieten hier regelmäßig Kurse an. 

Smarte Planung
Beim Lawinenlagebericht nur die Warnstufe der Zielregion zu checken, ist für Bergführer- und Skiführer Michael Mautz von „high life“ in der Tourenplanung maximal ein guter Anfang. Erst das Lesen des vollständigen Lawinenlageberichts – im Winter immer schon am Vorabend unter www.lawine.at abrufbar – gibt Aufschluss über die tatsächlichen Gefahren, von Hangexposition über besondere Gefahrenstellen bis hin zu Schneearten. Und auch wer sich vermeintlich in weniger steilem Gelände zu bewegen plant, sollte sich dennoch tiefer einlesen, rät Mautz. Einmal falsch abgebogen, kann auch die flache Waldtour schnell in steiles Gelände führen, viele vermeintlich einfache Forststraßen queren steile Hänge und Rinnen. 

Vielfach sind es aber nicht Lawinen, sondern Wetterumschwünge und damit einhergehende Orientierungsprobleme, die Skitourengeher in Notlagen bringen. Auch hier rät Michael Mautz zum tiefergreifenden Wettercheck – sprich: den Bericht wirklich lesen und nicht bloß kurz Symbole checken.

Kennt man Wetter und (theoretische) Lawinensituation, lässt sich eine passende Tour dazu auswählen, respektive es lässt sich abwägen, ob sich ein geplantes Vorhaben realisieren lässt oder nicht. In der Tourenfindung besteht bei Online-Quellen immer die Gefahr der zu subjektiven Einschätzung. Was für den einen „leicht“ ist, kann für den anderen unmöglich sein. Entsprechend sollte man immer unterschiedliche Quellen vergleichen, Beschreibungen lesen und sich die Tour auch im Detail ansehen. 

Mautz vertraut hier in erster Linie auf klassische Führerliteratur sowie auf offizielle Tourenportale von ­Vereinen und Verbänden, etwa Tourismusverbänden. Er rät auch immer dazu, die geplante Tour und deren Beschreibung selbst in die Karte umzulegen, dort schon vorab etwaige Gefahrenstellen zu identifizieren und mit dem Wetter- und Lawinenlagebericht abzuwägen. Selbst arbeitet er dabei gerne mit gedruckten Karten, da in Apps oder auf digitalen Karten durch den Zoom oft der Blick für das große Ganze verloren geht. Auch einen etwaigen „Plan B“ sollte man sich bereits Tags zuvor in der Planung zurechtlegen. Einfach einen Track aufs Smartphone oder GPS-Gerät zu laden und diesem hinterherzugehen, davon rät Mautz dringend ab.
 

Lernen, auch für alte Hasen

Vom LVS-Check bis zum Notfallsmanagement – alles auf Tour Sicherheitsrelevante lernt man am besten aus kundiger Hand. Alpinschulen (Top-Adressen am Ende des Beitrags) sowie die alpinen Vereine bieten dafür im ganzen Land ein umfangreiches Kursangebot. Worauf man als Kunde/Gast bei der Wahl des richtigen Kurses achten sollte? Für Coen Weesjes muss am Anfang immer ein intensives Üben mit der LVS-Ausrüstung stehen. Je nach Vorkenntnissen, Können und Erfahrung sollten dann die passenden Touren gewählt werden. Diese dürfen die Teilnehmer für den Lerneffekt auch gerne mal an ihre Grenzen bringen. Im Mittelpunkt sollte aber die Vermittlung der Entscheidungsgrundlagen bei Tourenplanung (Wetter, Gelände, Lawinenlage) sowie draußen im Gelände – sprich Spuranlage, Umgang mit Harscheisen, Gelände „lesen“ etc. – stehen, so der Bergretter.

Wachsam unterwegs
Am Ausgangspunkt der Tour, rät Michael Mautz, sollte man sich die Bedingungen vor Ort nochmals „live“ ansehen. Passen diese nicht, ist es keine Schande, die Tour auf einen anderen Tag zu verschieben. Auch unterwegs sollte man die Verhältnisse (und deren etwaige Veränderungen über den Tagesverlauf) im Auge behalten, Pläne entsprechend adaptieren und lieber einmal zu oft als einmal zu spät umkehren. 

Den erwähnten GPS-Track mitlaufen zu lassen, erklärt der Bergführer, kann zur Kontrolle nicht schaden. Allerdings sollte man auch hier stets mitdenken und nicht auf Biegen und Brechen den Linien am Display folgen. Die Bedingungen am Berg sind jede Saison, jedes Monat und jeden Tag anders. Entsprechend variiert auch die Aufstiegs­spur. Hier gilt es, das Gelände zu „lesen“, seine Spurenanlage den Gegebenheiten anzupassen und weder blind vorhandenen Spuren noch dem digitalen Track zu folgen. 
Wie man das Gelände liest, Gefahrenstellen erkennt und wo man seine Spur am besten setzt, respektive wo und wie man wieder abfährt (und wie man die Tour überhaupt plant): Das alles lernt man am sichersten in darauf spezialisierten Kursen und bei Alpinschulen. Eine Übersicht dazu findet ihr auf den Folgeseiten. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ein gut ausgenutztes Gelände durch flach angelegte Spuren Kräfte spart. Faustregel dafür: die Steighilfen so spärlich wie möglich einsetzen. 
Wird das Gelände zwangsläufig so steil, dass Spitzkehren gemacht werden müssen, bewegt man sich in der Regel um die 30 Grad Steilheit, ein in der Lawinenkunde kritischer Punkt, denn der Lawine liebste Hangneigung liegt zwischen 30 und 40 Grad. Erkennt man typische Anzeichen wie etwa frische Lawinen, Risse in der Schneedecke oder Wumm-Geräusche beim Gehen oder Fahren, sind Hänge über 30 Grad unbedingt zu meiden. 

Sind hingegen sehr harte Bedingungen die vorherrschende Gefahr, so empfiehlt Coen Weesjes auch dies bereits in der Tourenplanung zu berücksichtigen. Bei eisigen Bedingungen am Berg gilt es dann rechtzeitig zu reagieren: Harscheisen montieren, umplanen oder sogar umdrehen. „Wird der Hang unter mir flacher? Stehen Bäume, an denen ich mich verletzen könnte, oder gibt es gar Geländekanten, über die ich rutschen könnte?“ – das sind Fragen, die Weesjes zur Gefahrenbeurteilung in den Raum stellt. Außerdem sollte man sich Harscheisen oder gegebenenfalls auch Steigeisen immer rechtzeitig, nicht erst im eisigen Absturzgelände, anlegen. Steigeisen, so der Bergretter, sind dann sinnvoll, wenn ich die Ski ob der Steilheit oder in steilen Rinnen am Rucksack tragen muss. 

Michael Mautz
Michael Mautz

ist Berg- und Skiführer sowie Geschäftsführer der high life Alpinschule in Klagenfurt und Leiter diverser alpiner Ausbildungen.

WEB: www.highlife.co.at

Coen Weesjes

ist Ortsstellenleiter der Bergrettung Filzmoos und Mitinhaber des Aktivsport-Anbieters Filzmoos-Aktiv.

WEB: www.filzmoos-aktiv.at