Die Preise galoppieren davon und wir fragen: Wieviel Bike braucht der Mensch? Was muss man wirklich ausgeben? Ergo: Wir suchen ein Mountainbike für unter 1000 Euro und finden viele gute Antworten. Plus: Bike-Check nach der Winterpause.

Christoph Heigl
Christoph Heigl


Outlookpostfach: aktuell im Newsletter die neuen Rapha-Mountainbikeschuhe um satte 310 Euro zum Beispiel. Ein Click auf den Lieblingskanal auf YouTube: Die launigen GCN-Macher testen ein China-Billigst-Rennrad um 314 Euro. Ein Paar Schuhe oder ein ganzes Rennrad, womit kann ich mehr anfangen? Das supergünstige Rennrad hat sich übrigens gar nicht so schlecht geschlagen …

Die Preise für neue Räder sind schon die letzten Jahre in astronomische Höhen geschnellt, coronabedingte Transportschwierigkeiten und -verteuerungen sorgen dafür, dass die Hersteller noch einmal ein paar Prozentchen draufpacken müssen. Dazu teure Entwicklungsarbeit bei E-Bike-Antrieben, Schaltungen, Federungen und exklusiven Materialien – und fertig steht das Rad um 11.999 Euro im Geschäft. Biken – ein Hobby nur noch für Millionäre?

Mitnichten. Erstens gehen auch diese sündteuren Bikes und Rennräder weg wie warme Semmeln und beileibe nicht nur an Millionäre, und zweitens kann man auch mit viel, viel weniger Geld zum guten Rad kommen. Wir behaupten stets, bei einem Mountainbike muss man um die 700 Euro investieren – was an sich ja auch nicht wenig Geld und für manche schon richtig teuer ist –, um das Rad vernünftig im Gelände bewegen zu können, und ernten damit ein Kopfnicken von Matthias Grick. Der Steirer ist Marketing-Manager bei KTM in Mattighofen und als Ex-Rennfahrer bestens vertraut mit der Materie. „Theoretisch kann man als Hersteller auch Mountainbikes um 400 oder 500 Euro bauen und anbieten, aber dann müsste man noch mehr nach Asien auslagern“, sagt Grick. Bei KTM ist man hingegen stolz darauf, alle Rahmen in Mattighofen zu entwickeln und Montage und Endkontrolle komplett in Europa zu machen. „Wir und unsere Kunden haben einen hohen Qualitätsanspruch.“ Das schließt low cost/low quality von vornherein aus.

949,– vs. 7349,–

Die Unterschiede: Das günstige KTM Ultra Ride (links) hat einen Alurahmen statt Carbon und eine Federgabel mit Stahlfeder und fixer Härte, während die Fox-Gabel beim Topmodell KTM Myroon Exonic (rechts) mit Luftdruck fein justierbar ist. Die Scheibenbremsen sind technisch ähnlich, bei der Schaltung sind Welten zwischen Gangseil und Funk – technisch, nicht in der Funktion. Die Laufräder haben jeweils 29 Zoll, beim Myroon wird hier viel Gewicht eingespart, zudem kann man schlauchlos fahren. Die Übersetzung der je 12 Gänge ist fast identisch: 34 x 11-50 (Ultra) bzw. 34 x 10-52 (Myroon).

Fazit: Experten merken den Preisunterschied, Laien bzw. Anfänger wohl nicht.

16 unter 1000
Bei KTM starten die Mountainbikes mit dem Hardtailmodell Penny Lane Disc bei 629 Euro. Insgesamt 16 Hardtail­modelle hat KTM unter 1000 Euro in der Palette. „Dieses Segment ist für uns ganz wichtig und da investieren wir auch viel Entwicklungsarbeit, aktuell etwa sind für 2021 alle Rahmen der Ultra-Serie brandneu.“ Bei den Fullys geht es übrigens erst viel später los, erst für 1949 Euro kriegt man das günstigste, vollgefederte KTM. Warum so viel teurer als die Hardtails? „Der Trend geht zwar klar zum Fully“, weiß Grick, „aber so wie wir diese Kategorie definieren, braucht es für den Einsatz von Fullys im echten Gelände deutlich mehr Qualität und höherwertige Komponenten, etwa beim Hinterbaudämpfer – und das kostet entsprechend mehr.“

Zurück zu den Hardtails. Wir haben genau 1000 Euro in der Tasche, wollen das beste KTM im dreistelligen Bereich und entdecken auf der Website die Ultra-Modelle. „Die multifunktionale ULTRA-Serie bietet alles, was man braucht, ohne dass es dem Sparschwein an den Kragen geht“, steht im begleitenden Text. Diese erhöhten Überlebenschancen gefallen dem Sparschwein, wir entscheiden uns für das Ultra Ride 29 um exakt 949 Euro. Was kriegen wir dafür? „Einen neuen, modernen Alurahmen mit etwa 2000 Gramm und ein sehr solides Komplettrad mit 14 kg und sportlicher Geometrie“, macht der Marketingmann für uns den Verkäufer. „Damit ist man gerüstet für jede Forst- und Schotterstraße und leichtes Gelände. Wenn ich damit gemütlich auf die Alm fahre, habe ich als Ex-Profi den gleichen Spaß wie mit einem Top-Modell.“ Klar, Carbonrahmen und Funkschaltung gibt es um den Preis nicht, aber immerhin eine moderne 1 x 12-Schaltung von Sram, hydraulische Scheibenbremsen, stabile Laufräder und eine passable RockShox-Federgabel mit Lockout. Eine lässige Optik mit Skinwall-Reifen sowieso. Das Geld scheint gut investiert.

Die gemeine Gegenfrage an Grick: Und was kann das Hardtail-Topmodell Myroon Exonic um 7349 Euro so viel besser, dass es fast acht Mal (!) so teuer ist? „Es ist viel steifer und mit dem 900-Gramm-Carbonrahmen viel leichter, die Federgabel wesentlich feinfühliger, die Laufräder extrem gut. Unsere Factory-Teamfahrer nehmen das Myroon aus der Box und können damit 1:1 im Mountainbike-Weltcup an den Start gehen. Besser geht’s nicht mehr.“ Nur 8,5 kg hat das orange Superbike. Und die Anfänger? „Ganz ehrlich“, so Grick, „ich denke, ein Anfänger würde sich auf dem Topmodell gar nicht so wohlfühlen.“ Ähnlich dem Skianfänger, der einen Rennski um die Kurve biegen will. „Klar geht die Funkschaltung sehr schnell und macht dieses coole Geräusch, aber in der reinen Schaltfunktion merkt ein Anfänger wohl keinen Unterschied zwischen günstig und teuer.“ Nur zum Verdeutlichen: Das hintere Sram-Funk-Schaltwerk allein hat einen UVP von 750 Euro. Mehr als das ganze Einsteiger­bike Penny Lane.

Bei der Preisgestaltung ist generell anzumerken, dass die Hersteller bestimmte Preisregionen definieren bzw. auf das Feedback ihrer Händler bauen und dann versuchen, mit ihren Produkten exakt hinzutreffen. So entstehen dann fast bei allen Produzenten die Räder in den Preiskategorien um die 700 Euro, um 1000, 1500, 2000, 2500, 3000 etc. Grick: „Die ganz große Kunst in der Fahrradbranche ist es, zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Komponenten die richtigen Bikes mit dem richtigen Preis am Markt zu haben. Und das ist gerade jetzt nicht sehr einfach.“ KTM hat eine eigene Abteilung dafür geschaffen, die nur Preisgestaltung, Liefer- und Transportlogistik im Fokus hat. Dass die Preise steigen, liegt aber auch in der Natur der Dinge, glaubt Grick. „Durch den Radboom und den E-Bike-Trend haben sich die Preisvorstellungen der Kunden verschoben. Als ich begonnen hab, Bikerennen zu fahren und 2000 Euro für ein Rad ausgegeben habe, haben mich die Leute für einen Spinner gehalten. Dieselben Menschen kaufen jetzt E-Bikes um 6000 Euro.“

EINSTEIGERTIPPS
So machst du dein Bike fit für den Frühling

  1. Optische Kontrolle: Ist irgendwas kaputt geworden, eingerostet, abgebrochen? Wenn du den Schriftzug nicht mehr erkennst und du vor lauter Dreck nicht sicher bist, ob es überhaupt dein Rad ist: putzen!
  2. Pflege: Rahmen und Komponenten sanft reinigen (Hochdruck verpönt, dennoch weit verbreitet), Kette putzen und schmieren.
  3. Akku: Bei E-Bikes den Akku voll aufladen, über den Winter und im Lagerzustand soll er weder ganz voll noch ganz leer sein. Unsere SPORTaktiv-Tipps: Akku-Fitness am Radweg
  4. Luftdruck in den Reifen checken: Druckempfehlungen auf der Reifenflanke beachten, auf Risse und poröse Stellen prüfen. Bei Tubeless-Systemen ohne Schläuche wird im Normalfall Dichtmilch nachzufüllen sein.
  5. Laufrad-Check: Drehen sich die Räder rund? Hast du einen „Achter“? Sind die Speichen fest genug oder locker? Sonst auf zum Zentrierständer oder gleich in die Radwerkstatt.
  6. Federung: Luftdruck in der Federgabel und bei Fullys im hinteren Dämpfer prüfen. Richtiges Setup, siehe So stellst du den Luftdruck bei der Federgabel perfekt ein
  7. Bremsen: Sehr wichtig und sowieso vor jeder Fahrt zu kontrollieren: die Bremsen, vorne und hinten. Scheiben und Beläge checken und austauschen, wenn sie abgenutzt sind. Bremsleitungen entlüften (lassen), wenn die Hebelwege schwammig sind oder zu viel Leerweg vorhanden ist. 
  8. Schaltung: Rasselt die Schaltung oder rasten die Gänge richtig ein? Schaltung einstellen siehe Frühlingsgefühle: Bike-Check und Profi-Tipps vor der ersten Ausfahrt oder ab in die Werkstatt. Vielleicht ist auch die Kette zu tauschen.
  9. Lenkung: Hat der Steuersatz das passende Lagerspiel oder sitzt er zu fest/zu locker?
  10. Schraube locker? Im Normalfall sollte sich über den Winter nichts gelockert haben, trotzdem kann man auch den Sitz der Schrauben bei Sattel, Vorbau und Lenker, die Schrauben bzw. Schellspanner der beiden Achsen, bei den Bremssätteln sowie die Montage der Pedale kontrollieren.

SPORTaktiv-Putztipps: WD40 und alte Zahnbürsten zum Reinigen des Antriebs, alte T-Shirts als Putzfetzen, verdünnte Allzweckreiniger in alten Sprühflaschen. 
Nachhaltige Investitionen: hochwertige Kettenöle, Montageständer, Qualitätswerkzeug und ordentliche Standpumpen. Dann hat man weniger Frust und länger Freude am Do-it-yourself.