Warum Flüssigkeit und Kohlenhydrate im Training nicht nur jetzt im Sommer – und auch nicht erst ab Kilometer 30 – wichtig sind. Sie sind der wichtigste Treibstoff, egal, auf welchem Niveau man Sport betreibt.

Michael Forster

Es beginnt harmlos: Ein Schluck Wasser hier, ein Isodrink da – und irgendwo zwischen Trinkflasche und Riegel taucht die Frage auf, ob man heute wieder zu früh zu viel oder zu spät zu wenig getrunken hat. Trinken sollte einfach sein – ist es aber nicht. Zumindest ist es nicht intuitiv und selbsterklärend. Denn egal ob beim Laufen, Biken oder Wandern, ob im ambitionierten Training, auf langer Tour oder im Wettkampf: Flüssigkeit ist mehr als ein Durstlöscher und Kohlenhydrate sind mehr als Wettkampfnahrung. Sie sind Teil einer Strategie, die man verstehen muss, bevor die Beine zu früh schwer werden.

Schweißverlust
Wer trainiert, verbraucht nicht nur Kalorien, sondern verliert vor allem Flüssigkeit. Schon ein Mangel von zwei Prozent des Körpergewichts kann die Leistungsfähigkeit deutlich beeinträchtigen. Philipp Rauscher, Nutrition- & Conditioning-Coach und im Expertenteam des Sportnahrungsherstellers Powerbar, bringt es auf den Punkt: „Die Flüssigkeitszufuhr ist das A und O. Sie ist das erste Indiz von Leistungseinbußen. Bereits ein Verlust von 2 Prozent des eigenen Körpergewichts über einen Flüssigkeitsverlust geht mit messbarer Leistungsminderung einher. Das geht auf die Dehydrierung und die beschleunigte Erhöhung der Körperkerntemperatur zurück. Daher sollte die ausreichende Flüssigkeitszufuhr an erster Stelle bei der Verpflegung während Trainingseinheiten von über 45 bis 60 Minuten Dauer stehen.“

Auch Sportwissenschafter Patrick Dobrovits vom Trainingszentrum Trainingslab in Neunkirchen (NÖ) bestätigt: „Eine 50 kg schwere Person mit hoher Schweißrate kann nach nur einer Stunde Training bereits 4 Prozent ihres Körpergewichts verloren haben – das führt fast zwangsläufig zu Leistungseinbrüchen.“ Die Empfehlung lautet, sich regelmäßig vor und nach dem Training zu wiegen, um die eigene Schweißrate kennenzulernen. „Es ist nicht notwendig, gegen Ende der Belastung das gleiche Körpergewicht zu haben wie davor, und man sollte eine Gewichtszunahme – Hyperhydration – unbedingt vermeiden.“

Bereits ein Flüssigkeitsverlust von zwei Prozent des eigenen Körpergewichts geht mit messbarer Leistungsminderung einher.

Mehr Zucker, aber nicht aus ­Prinzip
Lange Zeit galt die Empfehlung: Möglichst nüchtern trainieren, Fettverbrennung optimieren, Kohlenhydrate sparen. Diese Sichtweise ist überholt – das zeigt auch der Wandel in der Sportpraxis.
„Früher wurden kaum Kohlenhydrate während des Trainings zugeführt. Sogar während Wettkämpfen wurde nur wenig verzehrt. Das hat sich heute gravierend geändert. Aktuell befinden wir uns in einem Trend, in dem versucht wird, immer mehr Kohlenhydrate pro Stunde aufzunehmen, um ausreichend Energie zuzuführen. Praktisch betrachtet ist das ein ziemlicher Richtungswechsel und eine Trendwende. ‚Ältere‘ Sportler müssen in der Praxis oftmals ermutigt werden, mehr Kohlenhydrate unter Belastung zuzuführen. Die ‚jungen Wilden‘ müssen hingegen häufig eher eingebremst werden, nicht zu viel  des Guten zu wollen oder in wirklich jeder Einheit mit Maximalverpflegung zu trainieren“, erklärt Philipp Rauscher.

Auch der Sportmediziner Doz. Dr. Stefan Wöhrer, Gründer des Gesundheitszentrums Permedio für personalisierte Medizin in Neunkirchen (NÖ) und Mitglied des Expertenbeirats von Österreichs Sportnahrungshersteller Peeroton, unterstreicht die Bedeutung des Mischverhältnisses, denn: „Die Kombination aus verschiedenen Zuckerarten – z. B. Glukose und Fruktose – erhöht die Aufnahmefähigkeit des Darms, da mehrere ‚Aufnahmetransporter‘ genutzt werden.“ Das sogenannte ‚multiple transportable carbohydrates‘-Konzept lasse sich im Prinzip mit einem einfachen Vergleich erklären, so Wöhrer: „Auf einer zweispurigen Autobahn kommen in derselben Zeit mehr Autos voran als auf einer einspurigen Straße.“

Keine Experimente
Wer die perfekte Mischung sucht, muss sich herantasten – und zwar im Training, nicht an der Startlinie.
„Experimentiert werden sollte bitte nur im Training und niemals im Wettkampf. Ein klassischer Anfängerfehler ist, das Getränk aus dem ‚Startersackerl‘ für den Wettkampf zu nehmen oder sich die ‚teuren‘ Produkte für den Wettkampf aufzuheben. So etwas führt leider allzu oft zu einem unfreiwilligen Ausflug hinters Gebüsch“, warnt Wöhrer.

Auch die Flüssigkeitsmenge selbst will abgestimmt sein. Rauscher konkretisiert: „Typische Fehler sind falsche Mischverhältnisse oder zu wenig Flüssigkeit bei der Aufnahme. Der Darm kann maximal 60 g Glukose pro Stunde aufnehmen. Das bedeutet: Mehr als 60 g Glukose oder Maltodextrin pro Stunde bringt keinen Vorteil. Wer also zu hoch konzentrierte Glukosegetränke konsumiert, riskiert nur Magen-Darm-Beschwerden. Das Gleiche gilt für die begleitende Flüssigkeitsaufnahme. Im Idealfall sollten pro 6–9 g Kohlenhydrate – in Abhängigkeit der Art der Kohlenhydrate – etwa 100 bis 120 ml Wasser getrunken werden, um die Aufnahme der Kohlenhydrate im Darm optimal zu unterstützen.“ 

Wichtig zu beachten (weil hier oft Fehler passieren): An heißen Tagen, wenn mehr Flüssigkeitszufuhr nötig ist, das Getränk stärker verdünnen, um bei den Kohlenhydraten nicht übers Ziel hinauszuschießen. Oder neben dem gewohnten gemischten Sportgetränk auch eine Flasche mit Wasser dabeihaben und die Trinkmenge nach Bedarf mit Wasser erhöhen.

Hypoton oder isoton?

Neben isotonen gibt es auch hypotone Sportgetränke mit weniger oder gar keinen Kohlenhydraten am Markt. Wann passt welches Getränk? 

Bei sportlichen Belastungen hängt die empfohlene Kohlenhydratzufuhr pro Stunde von der Belastungsdauer ab:

  • bis 60 min: keine KH-­Zufuhr nötig
  • 60–120 min: 30 g KH pro Stunde
  • 120–180 min: 60 g KH pro Stunde
  • über 180 min: 90 g KH pro Stunde

Sehr wohl relevant ist in kürzeren Trainingseinheiten das Ausgleichen von Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten durchs Schwitzen. Bei kürzeren Einheiten und weniger intensiven Belastungen ist ein hypotones Getränk oft besser geeignet – bei längeren und intensiven ein isotones Getränk.

SPORTaktiv-Tipp: Stimme die Kohlenhydrat-Zufuhr auf deinen ­persönlichen Bedarf ab und vermeide unnötig hohe Konzentrationen. 

Trinken mit Plan
„Wenn der Durst kommt, ist es schon zu spät“ – diese altbekannte Faustregel gilt immer noch. Patrick Dobrovits betont: „Die Getränke sollten regelmäßig konsumiert werden und nicht erst, wenn ein Durstgefühl entsteht. Wenn der Durst einsetzt, ist es meistens schon zu spät, um eine ausreichende Hydration wiederherzustellen“ Die Lösung: regelmäßig kleine Mengen, angepasst an Wetter, Intensität und Dauer.

Am Ende gilt: Wer weiß, wie viel und was der Körper wann braucht, hat mehr vom Training – mehr Leistung, mehr Konstanz, weniger Bauchgrummeln. Und vor allem: mehr Freude. Denn Trinken ist eben nicht nur Flüssigkeitsaufnahme – sondern ein bewusst gesetzter Impuls in Richtung Performance.