Tolle Städte wie Mailand, Piacenza, Mantua. Wunderbare Au-Landschaften. Typisch italienisches Flair. Unsere „2 auf Tour“ haben erkundet, ob der „Po-Radweg“ wirklich hält, was der Name verspricht.

Der Po-Radweg also, der soll es sein. Schließlich planen wir ja schon seit gut einem Jahr, diesem Fluss (und den nahen berühmten Städten) einen Besuch abzustatten. Ein Bikeline-Buch zum Thema gibt’s auch – erstaunlich dünn zwar, aber doch. Und nach unseren letzten Touren oben im Norden freuen wir uns auf die Begegnung mit diesem „echten Italiener“. Nicht, dass er uns ganz blauäugig erwischt: Den oft genannten „Po-Radweg“ als übergeordnetes Konzept gibt es eigentlich gar nicht. Was es gibt, sind Verbindungen der schönsten oberitalienischen Städte Mailand, Pavia, Piacenza, Parma, Cremona, Mantua, Ostiglia, Ferrara mit dem großen Fluss und dem sehenswerten Po-Delta. Denn wie die Geografen unter uns wissen: Weder Mailand noch Pavia, Parma, Mantua oder Ferrara liegen am Po ...
Was es auch gibt, sind regional gut ausgebaute Wege direkt am Po-Damm, vor allem für die italienische Bevölkerung zum Genießen. Denn bei unserem Nachbarn fährt man Rad – von Jungs in Gruppen bis zur Oma. Und es gibt eigentlich nur zwei Fraktionen: Entweder man besitzt ein Rennrad und prescht los – oder man kurbelt gemütlich auf einem City- oder-was auch-immer-Bike durch die Gegend. Ein Radwegkonzept wie beim Donauradweg oder Murradweg? Unbekannt. Trainingsausfahrt oder Bummel, ja; aber Strecken mit Gepäck zurücklegen– wer macht denn sowas?

ORIENTIERUNG UND WETTER
Derart gebrieft, muss jeder Po-Radweg-Fahrer schon im Vorfeld wissen, was er unbedingt braucht: eine Karte, ein Navi, einen Kompass, ein paar Geografiekenntnisse – am besten in Kombination. Und, was man erst dort erkennt: das passende Wetter – sprich: nicht zu viel Sonne. Denn ein Großteil des Weges verläuft am Po-Damm, schattenfrei. Da wird die Fahrt bei 30 Grad und mehr vor allem zur ständigen Suche nach der nächsten „Mineralwasser- Tankstelle“. Unser Tipp: Der
September bietet sich optimal an.
Und hier gleich der zweite Tipp, generell zur Anreise: Die Tour beginnt – am Ende des Po-Radwegs. Im Dorf Codigoro, knappe 50 km von Ferrara entfernt und unweit der Adria-Küste, deponieren wir unser Auto und beziehen Quartier. Tags darauf, um 7.54 Uhr, soll der Zug der Privatbahn nach Ferrara gehen, dann noch in Bologna umsteigen, und nach gut 5 Stunden sollten wir dann in Mailand loslegen können. Die Vorfreude steigt, denn wir haben alles dabei: Spaß, Emotion, ein Faible für Italien und die Lebensart, den Rhythmus des Südens – wir sind bereit, in die Welt des Italiano veró einzutauchen!
Samstag 7 Uhr früh sind wir startklar. Bloß der Schlüssel zum Fahrradschloss, das unsere beiden Gefährten sichert, bleibt verschwunden. Die gute (und schlechte) Nachricht: Es braucht keine drei Minuten, um das fingerdicke Schloss mittels Taschenmessersäge zu knacken. Kann auch am erhöhten Adrenalinspiegel liegen ...
Der steigt weiter, denn dann stellt sich heraus, dass am „Damenrad“ der Gepäckträger fehlt. Man(n) hat daheim vergessen, ihn zu montieren. Also muss jetzt Mann, ganz Gentleman, das Gepäck der Dame mitnehmen. Und zwar, wie sich nachträglich herausstellt, auf der ganzen Tour! Denn alle Versuche, später in Mailand Gepäckträger und Tasche zu bekommen, scheitern kläglich. Radshops führen hier Rennräder oder Cityräder – Mountainbikes mit Gepäckträger führen eher zu Naserümpfen.
Zurück an den Start: Nach diesen ersten Aufregungen quälen wir uns um 7.54 Uhr in den einzigen Waggon des Zuges – und hören vom Schaffner auf Italienisch, dass wir keine Räder mitnehmen dürfen. Aber nachdem uns die anderen Fahrgästen unterstützen, der Zug abfahrbereit ist und wir ganz auf „nix verstehen“ machen, dürfen wir die einstündige Fahrt im engen Vorraum des Waggons stehen, und schlichten, je nach Einstiegsplattform, die Räder permanent von links nach rechts. Wie wir erst später erfahren: Mitnehmen dürfte man die Räder in dieser Lokalbahn nur dann, wenn sie mit zwei Waggons fährt – was aber vorher nicht verifizierbar ist. Die Einheimischen sehen es locker und fackeln nicht lange – ein Mitreisender wuchtet sein Rad ebenfalls auf den Abtritt und hört dem schimpfenden Schaffner einfach nicht zu ...

NIX MIT „CICLOPISTA PO“
Der Rest des Tages, die Bahnfahrt von Ferrara nach Mailand, verläuft komplett friedlich und problemlos. Ausgeruht nehmen wir vom Bahnhof in Mailand gleich den Radweg durch die Stadt – vorbei an Scala, Dom und durch die malerische Innenstadt. Gut sechs Kilometer führt der Weg quer durch, bis wir an der Porta Genova auf den „offiziellen“ Radweg stoßen. Und nein, er ist nicht markiert. Es ist zwar ein Radweg, aber „Ciclopista Po“ oder ähnliches wird man vergeblich suchen. Wir verlassen die Stadt und ziehen entlang von zwei langen Kanälen (und begleitet von unzähligen Familienradlern und Radsportlern) Richtung Pavia, unserer ersten Station, die wir nach 84 km erreichen. Vom nächsten Tag wissen wir schon vorher, dass es auch zwischen Pavia und Stradella keine Markierungen gibt. Der „Po-Radweg“ ist hier nicht mehr als ein Vorschlag, wie man auf wenig befahrenen Straßen schlussendlich zum Po-Damm kommt. Wir stehen also viel und versuchen, mit Karte und Navi den Weg zu finden. Was ganz gut gelingt: In San Zenone al Po stoßen wir tatsächlich das erste Mal auf den Fluss – exakt 130 km nach dem Start!
Von nun an begleitet uns meist der Po-Damm. Heißt: Fast durchwegs gut befahrbarer Schotter oder Asphalt – und so gut wie kein Schatten. Ab Corte San Andrea (160 km nach Mailand) taucht dann tatsächlich die erste Beschilderung auf. Ab hier ist der Damm toll ausgebaut und wird von den Italienern auch intensiv genutzt. Und wir rollen nach langer Tagestour (104 km) entspannt bis nach Piacenza.

18 KILOMETER FLEISSAUFGABE
Tag 3 soll der längste werden – 120 km bis Parma stehen offiziell am Tagesplan. Es beginnt gut am Damm, auch hier ist wieder viel neu gebaut. Wir kommen locker bis 17 km vor Cremona, dann reißt die Beschilderung ab und wir finden uns auf einer Strada Provinciale wieder. Dadurch brauchen wir aber 67 statt 53 km, bis wir in Cremona landen. Der Abschnitt weiter Richtung Parma wird zur „Tour de Force“: Bis San Daniele Po führt uns erst noch der Damm, dann überqueren wir den Po und radeln Richtung Süden. Den Radweg finden wir erst kurz vor Parma wieder – und beschließen den Tag schlussendlich nach 138 statt der geplanten 120 km. Im Nachhinein betrachtet wäre bei dieser Hitze ein Tag mehr und eine Übernachtung in Cremona sinnvoll gewesen.

AUF DON CAMILLOS SPUREN
Tag 4 bringt uns von Parma nach Mantua. Also anfangs einfach raus aus der Stadt, auf (wie es auch beschrieben ist) „unbeschilderten Nebenstraßen“. Wobei wir erfahren, dass man sich sich auch auf kerzengerader Straße verfahren kann, weil das Ristorante, wo man abbiegen sollte, nimmer da ist. Aber das ist mittlerweile kein Problem mehr: Karte, Navi – und schon haben wir die Verbindung nach Brescello gefunden, wo wir wieder an den Po kommen. In dieser Gegend wurden übrigens die „Don Camillo und Peppone“-Filme gedreht!
Von Vidana weg begleitet uns der Damm buchstäblich bis ins Delta – mit Ausnahme des unbedingt zu empfehlenden Abstechers nach Mantua natürlich. Nach 98 km sind wir dort endlich am Ziel – und freuen uns über eine lässige Herberge mitten am Hauptplatz. Die nächsten beiden Tagestouren sind eher kurz (56 km bis Ostiglia und 78 km nach Ferrara), was aber auch mit den Übernachtungsmöglichkeiten zusammenhängt. Wenn man die Po-Tour plant, sollte man sich vorher genau überlegen, wo man einen Stopp einlegen will, um böse Überraschungen zu vermeiden. Und nie vergessen, dass es in Italien die „Siesta“ gibt: Bis längstens 12.30 Uhr und frühestens ab 15 Uhr sind in den kleinen Orten die Geschäfte offen. Dazwischen gilt es, an allen verfügbaren Bars aufzutanken, denn in diesen Tagen bleibt die Temperaturanzeige am Tacho ab mittags nicht unter 44 Grad. „Quattro bottiglie di acqua minerale frizzante, per favore“ – das ist der wichtigste Satz, falls diese Tour im Sommer gefahren wird.
Ostiglia und natürlich Ferrara sind nochmals echte Highlights. Ostiglia, weil Erholung nach den langen Etappen guttut, und wir dort ein tolles Hotel mit hervorragender Pizzeria
finden; Ferrara ist wegen der touristischen Attraktionen sehenswert – ganz abgesehen von der Kulinarik.

EXTRARUNDE DURCHS DELTA
Am 7. Tag geht es von Ferrara direkt Richtung Delta, wobei wir in Mesola stoppen und den Weg nach Codigoro nehmen (gesamt 98 km). Wie am Beginn der Tour übernachten wir wieder im selben B & B, wo wir ja auch unser Auto stehen lassen konnten. Der letzte Tag vor der Heimfahrt führt uns noch auf eine Extrarunde durchs Po-Delta: Von Codigoro geht es über Pomposa nach Goro und Gorino ans eigentliche Ende des Po-Radweges, dann um die Lagune (Sacca di Goro) an die oberitalienischen Lidi bis Comacchio und schließlich retour nach Codigoro. Auch wenn man schon sieben Tage im Sattel saß – diese Runde ist ein Muss zum Abschluss, um nochmals in komprimierter Dosis das italienische Flair aufzunehmen.
Die Bilanz am Ende: Diese Radreise hat uns fast 750 km durch Oberitalien geführt, durch attraktive, geschichtsträchtige Städte, ländliche Gebiete und unendliche Weiten entlang des Po-Damms. Und auch wenn der Po-Radweg touristisch nicht erschlossen ist – ein spannendes Abenteuer mit viel Charme ist er allemal. Ein echter Italiener halt ...