Die Freiheit der Berge ist nicht frei von Tücken –­ zeigt ein Blick auf die jährliche Alpinunfall-Statistik. Doch mit ­einfachen Mitteln lassen sich Gefahren in den Bergsportarten deutlich reduzieren.

Christof Domenig
Christof Domenig

Unterschätzen soll man die Gefahren auf dem „Sportplatz Berg“ nicht. Die jüngst veröffentlichte Alpin-Unfallstatistik 2017 des Österreichischen Kuratoriums für alpine Sicherheit weist rund 7800 verletzte Personen aus. 283 Personen verunglückten im Jahr 2017 tödlich – dabei mit 110 die größte Gruppe beim Wandern und Bergsteigen. Worauf die Experten des Kuratoriums heuer explizit hinwiesen: „Der Anteil unverletzter Menschen, die einen Notruf absetzten und geborgen werden mussten, hat in den letzten zehn Jahren signifikant zugenommen.“ Meist würden solche Notrufe von Menschen eingehen, die „mit den Begebenheiten einer Tour und den Verhältnissen überfordert sind oder sich selbst überschätzt haben“. Und eben in der Folge in eine alpine Notlage geraten sind. Schon diese Aussage zeigt aber auch eines – und damit zum positiven Teil dieser Geschichte: Sehr viele Notfälle ließen sich bei sorgfältiger Planung und vernünftigem, risikobewusstem Vorgehen verhindern. Und das wiederum ist gar nicht schwierig oder besonders aufwändig – man muss einfach wissen, wie. In den folgenden sieben Punkten fassen wir, mithilfe des Bergführers und Naturfreunde-Experten Martin Edlinger die Sicherheits-Basics im Sommer-Bergsport zusammen.

1. Touren gut planen
Viele Sicherheitsprobleme und Unfälle in den Bergen gehen auf fehlende oder schlechte Tourenplanung zurück. Jede Tour im Gebirge gehört geplant, auch jene auf Wegen, die man gut kennt. Im Grunde sind es bloß vier Punkte, die dabei zu beachten und in Einklang zu bringen sind. 

  • Die „Kenndaten“ der Tour – Länge, Höhenmeter, Gehzeiten, Schwierigkeiten und Schlüsselstellen, Wegzustand, Schutzhütten am Weg;
  • eine realistische Einschätzung, ob Fitness und Können aller Gruppenmitglieder für die gewählte Tour reichen (mehr dazu siehe Punkt II);
  • ganz wichtig: Die Wetterprognose; (Punkt III)
  • die benötigte Ausrüstung muss in einsatzfähigem Zustand und vollzählig sein (siehe Punkt IV).

Falls die gewünschte Tour nicht in Gehstunden angegeben ist, kann man für die Wegzeit-Berechnung eine altbewährte Faustformel anwenden: Für vier Kilometer Strecke ist eine Stunde zu veranschlagen, und für 300 Bergauf- oder 500 Bergab-Höhenmeter ebenfalls eine Stunde. Beide Werte werden addiert, der kleinere der beiden aber nur zur Hälfte gerechnet. 

Beispiel: 8 km Wegstrecke mit 600 Bergauf-Höhenmetern: 2+2 Stunden, ein Wert aber nur zur Hälfte gerechnet = 3 Stunden.

2. Fitness gut einschätzen
Unterwegs jederzeit körperliche Reserven für Unvorhergesehenes zu haben, ist ein wesentlicher Sicherheitsfaktor. Anders ausgedrückt: Fit genug für eine Unternehmung in den Bergen zu sein, bedeutet nicht, diese am letzten Zacken zu schaffen. Viele Unfälle beim Wandern passieren etwa durch Stolpern, und das hat ebenso stark mit Ermüdung wie mit nachlassender Aufmerksamkeit zu tun. Die häufigste Todesursache im Bergsport sind überhaupt Herz-Kreislauf-Erkrankungen – auch unter diesem Aspekt gilt es, den eigenen Fitness- und Gesundheitszustand realistisch einzuschätzen. Auch hier gibt es eine Faustregel: Wer eine Stunde joggen oder in hügeligem Gelände mit Bergauf- und Bergabpassagen flotter gehen und dabei noch plaudern kann, verfügt auch über die nötige Grundfitness fürs Wandern in den Bergen. Wichtig ist auch, nicht gleich mit einer schwierigen Tour in die Saison bzw. den Urlaub zu starten, sondern sich erst eine einfache vorzunehmen und dann Schritt für Schritt zu steigern. So bekommt man schnell ein Gefühl dafür, was man sich selbst zutrauen kann.

3. Das Wetter beachten
Das Wetter ist ein wesentlicher Sicherheitsfaktor. Eine exakte Prognose einzuholen, gehört fix zu jeder Tourenplanung. Spezielle Bergwetterdienste sind als Informationsquelle die ideale Wahl, etwa die Wetterdienste von alpinen Vereinen wie den Naturfreunden oder die Bergwetter-Seite der ZAMG. Die erstbeste Gratis-Wetter-App heranzuziehen, empfiehlt sich dagegen nicht. Die Hauptgefahr im Sommer sind Gewitter – und hier kommt es wiederum auf die Art des prognostizierten Gewitters an: Wärmegewitter entstehen am Nachmittag. Da heißt es dann: früh aufbrechen und zu Mittag wieder im Tal sein. Bei Kaltfront-Gewittern, die mit einem Wetterwechsel einhergehen, sollte man auf die Tour dagegen ganz verzichten. Noch ein Tipp: Auch wenn es strahlend schön ausschaut, Warnungen ernst nehmen. Wetterumschwünge passieren in der sensiblen alpinen „Wetterküche“ rasch: Zwischen wolkenlosem Himmel und Unwetter liegen oft nicht mehr als 20 Minuten.

4. Vollständige Ausrüstung
Der letzte Punkt der Tourenplanung ist die Ausrüstungsliste. Weil eben Notfälle in den Bergen nie auszuschließen sind und Wetterumschwünge mit Nässe und tiefen Temperaturen gerade bei schlechter Ausrüstung gefährlich werden können, sollten folgende Teile bei jeder Tour, auch im Sommer, mit dabei sein:

  • für den Einsatzzweck passende, feste Schuhe mit Profilsohle
  • ein Witterungsschutz für Regen und Wind
  • warme Bekleidung, Haube, Handschuhe
  • Verpflegung, vor allem genügend Getränke
  • Orientierungsmittel – Karte und Routenbeschreibung; optional zusätzlich elektronische Helfer wie GPS-Gerät oder eine Tourenapp am Smartphone
  • voll aufgeladenes Mobiltelefon
  • Erste-Hilfe-Paket und Biwaksack

5. Mit Reserven unterwegs sein
Noch eine Faustregel: Das Tempo ist richtig gewählt, wenn alle in der Gruppe noch plaudern können. Stärkere Gruppenmitglieder sollten immer auch ein Auge auf Schwächere haben und darauf achten, dass niemand überfordert ist. Lieber öfter und kürzer rasten als eine längere Pause einplanen. Dasselbe gilt sinngemäß auch fürs Essen und Trinken: Es ist besser, öfter kleine Schlucke zu trinken bzw. sich mit kleinen Essensportionen zu stärken, als unterwegs eine große Mahlzeit einzunehmen. Ideal wäre es, gar nie Hunger und Durst zu verspüren, denn das Gefühl deutet bereits auf einen Energie- oder Flüssigkeitsmangel hin. Vor allem aufs ausreichende Trinken vergessen viele – bei heißen Temperaturen kann durchaus ein halber Liter bis Liter Flüssigkeit pro Stunde verloren gehen. Für einen etwaigen „Hungerast“ ist es schlau, einen energiereichen und vom Körper schnell verwertbaren „Notfallsnack“ parat zu haben, etwa einen Kohlenhydrat-Riegel.
Auch wichtig: Unterwegs den im Vorfeld erstellten Tourenplan mit dem „Ist-Zustand“ abgleichen, die Wetter-Entwicklung im Blick haben. Und immer einen Plan B (Notabstieg, Schutzhütte, Umkehr …) parat haben für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes eintritt.

6. Nicht den Durchblick verlieren
Das eben Gesagte funktioniert natürlich nur, wenn man jederzeit weiß, wo man sich befindet. Auch im digitalen Zeitalter ist die gedruckte Karte dazu die erste Wahl. Für den Bergsport eignen sich topografische Karten mit Maßstab 1:50.000 oder 1:25.000. Eine Karte richtig interpretieren zu können, ist nicht selbstverständlich, das Abgleichen von Gelände und Kartenbild übt man am besten nicht erst in einem unbekannten Gelände. Gerade beim Bestimmen des eigenen Standorts oder in einem Notfall, etwa wenn Nebel einfällt, ist die GPS-Technik ein tolles Hilfsmittel. Am besten macht man sich mit Kartenlesen, Orientierung und auch den Möglichkeiten der GPS-Navigation in den Bergsportarten in einem Kurs vertraut.

7. Notfälle gut managen
Und wenn wirklich ein Notfall eintritt, heißt es: kühlen Kopf bewahren. Wie bei jedem Unfall sind es nur drei wichtige Schritte, die dabei zu beachten sind:

1. Für eine sichere Umgebung sorgen: Sich selbst und den oder die Verletzten in Sicherheit bringen (zum Beispiel vor Steinschlag), Folgeunfälle verhindern.
2. Notruf absetzen: Der Alpinnotruf ist 140, der Euronotruf 112. Zweiterer funktioniert auch, wenn vom eigenen ­Mobilfunkanbieter kein Netz vorhanden ist. 
3. Erste Hilfe leisten: Alles zum Thema Erste Hilfe am Berg findest du in unserem handlichen SPORTaktiv Erste-Hilfe-­Guide für den Outdoorsport. Diesen kannst du unter office.sportaktiv@styria.com gerne anfordern!