Spinning? Schinderei ohne Erlebniswert. Ergometer? Lähmende Eintönigkeit. Radurlaub auf der Sonneninsel? Kurz und teuer. Verständlich, dass angesichts dieser Alternativen die meisten Hobbyradler ihr Gefährt einwintern und erst im Frühjahr wieder aus der Dunkelhaft entlassen. Dabei spricht eigentlich nichts dagegen, dass ihr auch im Winter euren Freiluft-Spaß beim Kurbeln habt! Für fröstelnde Zweifler: SPORTaktiv macht euch fit fürs Winterradeln!

Viele Hobbyläufer haben es ja längst überrissen: Die einstigen „Bremsklötze“ wie Kälte, Schnee und Rutschgefahr haben für die Jogger und die immer mehr werdenden Trailrunner dank der Ausrüstungsindustrie praktisch ihren ganzen Schrecken verloren. Und was für das „Fußvolk“ gilt, das gilt doch genauso für die „berittene“ Abteilung: Wer heutzutage als Hobbyradler über eine „aufgezwungene, aber unabänderliche Winterpause“ klagt, der sucht entweder nach einer Ausrede, um sich hinter dem warmen Ofen verstecken zu können – oder der weiß wirklich nicht, dass mit dem richtigen Know-how und richtigen Material Radfahren im Winter keine Hexerei ist, sondern viel Spaß machen kann. Und zwar richtig – mit Radtouren, die mitten hineinführen in die Winterlandschaft!
Wir wollen hier keinen Motivationskurs abhalten, um die Ofenbankerlsitzer umzustimmen. Aber mit den folgenden Tipps, wie man auch als Hobbyradler winterfest wird, können wir all jenen eine Freude machen, die zwar in den nächsten Wochen und Monaten auch die üblichen Alternativen wie Skifahren, Langlaufen und Tourengehen in ihr Sportprogramm aufnehmen, aber die eben auch zwischendurch ganz gern einmal ihr Bike durch die Landschaft treiben würden. Und zwar womit? Mit Recht!

WINTERFESTE BEWEGGRÜNDE
Natürlich geht es im Winter nicht darum, möglichst viele Kilometer auf den Tacho zu bekommen. Und wer in der Saison zuvor ordentlich gepowert hat, muss jetzt erst recht leiser treten. Aber nichts spricht bei einer vernünftigen Trainingsplanung dagegen, dass auch in dieser Regenerationsphase „leiser treten“ mit „locker kurbeln“ übersetzt wird. Konkret soll das heißen: Winterbiken ist aufgrund der Bedingungen bestens dafür geeignet (Ofenbankerlsitzer herhören!), um an der Fahrtechnik zu feilen und um Koordination und Beweglichkeit zu schulen.

WINTERFESTES RAD
Ganz abgesehen von der Fahrtauglichkeit: Niemand wird ein Hightech- Rennrad oder ein sündteures Carbonbike durch Schnee und Matsch treiben! Perfekt für den Winter sind „Zweiträder“, die ihre beste Zeit schon hinter sich haben, aber technisch noch völlig intakt sind (oder von dir wieder hingebracht werden). Richtig winterfit machst du dieses Bike, indem du die Kette ordentlich ölst, alle metallenen Verbindungen (wie Sattelstütze, Schnellspanner, Pedalgewinde etc.) einfettest, die Bremsbeläge und Felgen kontrollierst und Kotflügel aufsteckst.
Robuste, pannensichere Reifen sind ebenfalls Pflicht, bei denen du auch den Reifendruck etwas verringerst, weil dadurch die Traktion erhöht wird. Und falls du ausschließlich auf Wald- und Forstwegen unterwegs sein willst, ist der Test eines Spikereifens durchaus eine Alternative.
Falls vorhanden, solltest du Click-Pedale abmontieren und durch Falt-Pedale ersetzen. Zwar hast du bergauf dann nicht mehr die volle Performance, dafür hast du mit diesen Pedalen besseren Grip für warme, feste Schuhe. Und schließlich ganz wichtig bei der Winteradjustierung deines Bikes: Lichtanlage (vorn und hinten) nicht vergessen, gibt’s in LED-Ausführung zum Aufstecken.

DIE RADPFLEGE
Auch wenn es ein älteres Bike ist, braucht es im Winter Pflege, damit es länger gute Dienste leistet. Nach jeder „schmutzigen“ Ausfahrt sollte das Bike gereinigt werden – mit warmem Wasser, Schwamm, und keinesfalls mit Hochdruckreiniger. Danach werden wieder, wie oben angeführt, Kette usw. geölt und gefettet. Ganz wichtig: Das Rad nach dem Waschen halbwegs trocken wischen und dann in einem nicht eiskalten Raum parken.

WINTERFESTE AUSRÜSTUNG
Ist dein Bike wintertauglich gemacht, dann geht es darum, auch dich als Fahrer/-in entsprechend zu adjustieren.Und zwar (SPORTaktiv-Leser wissen es ohnehin) kleidungsmäßig wieder mit der „Zwiebelschalen-Taktik“. Dieses Mehrlagenprinzip, bei der drei Schichten übereinander liegen, die wiederum untereinander „funktionieren“, hat ja das ganze Jahr über und in praktisch allen Outdoor-Sportarten Gültigkeit. Und es ist eben auch der beste und effektivste Kälteschutz. So funktioniert er:

1. LAGE: FEUCHTIGKEITSREGULIERUNG
Diese Lage, die direkt am Körper liegt (also die Unterwäsche) hat die Aufgabe, den Schweiß möglichst rasch vom Körper wegzutransportieren und somit ein Auskühlen zu verhindern.

2. LAGE: WÄRMEISOLATION
Diese Lage übernimmt den Wärmeschutz, hält die Kälte von außen ab. Verwendet wird hier vorrangig Fleece, aber auch Merinowolle und andere Materialien, die aber alle in das Funktionssystem passen müssen.

3. LAGE: WETTERSCHUTZ
Diese Lage hält in erster Linie vom Oberkörper Nässe und Wind ab – Softshelljacken als Windstopper, aber auch richtige Regenjacken aus Funktionsmaterialien leisten beste Dienste. Und wie es sich gehört, sind diese Jacken zusätzlich mit Reflektoren bestückt, die deine Sicherheit erhöhen. Für die Beine gibt es speziell gefütterte lange Radhosen, die über der Funktionsunterwäsche getragen werden.

Der Kopfschutz
Da bekanntlich 40 Prozent der Körperwärme über den Kopf entweichen, genügt an kalten Wintertagen nicht nur der (verpflichtende) Radhelm – mit einer dünnen Unterziehmütze (aus Funktionsmaterial) schützt du deinen Kopf gegen die kalte Zugluft. Und nicht vergessen: Auch an trüben Tagen trägst du zum Schutz der Augen eine Sportbrille!

DIE ARME UND HÄNDE
Da sie an vorderster Front sind und beim Schalten und Bremsen immer voll einsatzbereit sein müssen, hältst du deine Finger mit winddichten Handschuhen (aus Softshellmaterial) warm.

DIE FÜSSE
Die leichten, aber kalten Bikeschuhe werden gegen wetterfeste, stabile Sportschuhe (z. B. Trailrunningschuhe) getauscht, die auch genug Halt geben, falls du mal eine Gehstrecke auf rutschigem Terrain einlegen musst.
Idealerweise komplettierst du dein winterfestes Outfit mit einem kleinen Rucksack, in dem du ein zusätzliches warmes Kleidungsstück (für kalte Downhills), Überzieher für die Schuhe und andere Utensilien unterbringst. In diesem Rucksack kannst du dann auch die Ausrüstung (wie Unterziehmütze, Regenjacke) verstauen, die du an warmen Tagen doch zu viel mit hast.

WINTERFESTER KÖRPER
Gute Kleidung hält dich warm, keine Frage. Aber für die richtige „Betriebstemperatur“ zum Starten musst du bei Winterausritten schon selbst sorgen. Gutes Aufwärmen ist also Pflicht, bevor du in der Kälte die ersten Tritte machst. Und das absolvierst du am besten noch zu Hause, im Warmen: Zehn Minutenmit Laufen am Stand, Kniebeugen, Armschwingen usw. machen deine Muskeln betriebsbereit. Ebenfalls vorher geht’s zum „Schminken“: Mit speziellen Kältecremen schützt du dein Gesicht, die Lippen bekommen ebenfalls eine Schicht ab. Eines aber solltest du bei aller Begeisterung fürs Winterbiken schon beachten: Alles hat eine Grenze – bei Temperaturen unter minus 5 Grad solltest du auf eine Ausfahrt in jedem Fall verzichten. Denn sonst würdest du vor allem deine Gesundheit, speziell deine Atemwege extrem gefährden!

WINTERFESTE FAHRTECHNIK
Prinzipiell unterscheidet sich die Fahrtechnik im Winter nicht wirklich von jener im Sommer, im Details aber sind doch einige Besonderheiten zu beachten, um mit den verschärften Fahrbedingungen zurecht – und möglichst sturzfrei wieder heim zu kommen.

DAS TEMPO
Wie schon anfangs gesagt, ist Winterbiken nicht fürs Kilometerfressen gedacht, sondern prädestiniert für Technikschulung, Verbessern des Handlings, des Balancegefühls usw. Dementsprechend wenig Bedeutung kommt auch dem Fahrtempo zu. Und das ist auch gut so, denn oberste Regel beim Winterradeln heißt: Defensiv fahren, immer mit Reserve – so habt ihr stets die Möglichkeit, noch rasch zu reagieren, wenn Unvorhergesehenes auftritt. Eine Eisplatte, ein großer Stein unter dem Schnee, rutschiges Laub in der Kurve – kann alles gemeistert werden, wenn du nicht am Limit fährst. Und du fährst natürlich vorausschauend!

DAS BREMSEN
Zum einen ist im Wintergelände der Bremsweg um einiges länger, zum zweiten sind bei diesen Bodenverhältnissen abrupte Bremsmanöver sowieso zu vermeiden. Anders aber als im Sommer: Die Vorderbremse, ansonsten der wirkungsvollere Stopp, wird nur sehr spärlich eingesetzt, um ein Wegrutschen des Vorderrads zu vermeiden. Und was du sowieso aus der Fahrtechnikschule weißt: Ein Bremsvorgang sollte immer schon abgeschlossen sein, bevor du in eine Kurve einfährst. Im Winter wird’s jedenfalls noch heikler, wenn du in Schräglage nochmals anbremsen musst! In der Kurve solltest du auch das innere Bein vom Pedal nehmen, um dich beim Wegrutschen abstützen zu können.
Auf einem harten Waldweg oder auf einem verschneiten Forstweg bis ans Limit auszutesten, was für dich fahrtechnisch möglich ist, das ist einer der vielen Reize, die das Winterradeln ausmachen. Genauso wie das gute Gefühl zu haben, die Zeit bis zum Frühling mit sinnvollem Techniktraining zu nützen. Oder einfach wie der Genuss, sich auf einer gemütlichen Ausfahrt und gut „verpackt“ die Wintersonne ins Gesicht scheinen zu lassen ...