„Plogging“ heißt eine weltweite Bewegung, die Müllsammeln auf der Laufrunde propagiert. Warum das auch in Österreich leider notwendig ist, ließen wir uns von der Initiatorin des „Welt-Plogging-Tages“ ­erklären. Und es zeigte auch ein Selbstversuch. 

Christof Domenig
Christof Domenig

Ein Samstagmorgen in Graz. Noch vor dem ersten Laufschritt landet ein Tschickstummel im mitgenommenen Mistsackerl. Es folgen diverse Papierln, eine durchweichte Visitenkarte und ein undefinierbares Verpackungsteil aus Plastik, noch bevor ich meine Wohnsiedlung verlasse und die erste öffentliche Straße erreiche. Auf dieser erweist sich der Bereich zwischen Parkplatzreihe und Gehsteigkante als wahre Müll- Fundgrube, zwei plattgewalzte Aludosen sind nur die auffälligsten Fundstücke. Damit sich zwischen den Kniebeugen auch einmal ein paar durchgehende Laufschritte mehr ausgehen, habe ich schon beschlossen, die grauslichen aufgeweichten Tschickstummel liegenzulassen. Man hat einiges zu tun als „Plogger“. Dabei habe ich vor wenigen Tagen beim Telefonat mit Elizabeth Toth noch verkündet: „Ich denke schon, dass ich nicht völlig ignorant gegenüber ‚grünen‘ Themen bin. Aber mir ist noch nie aufgefallen, dass auf meiner Laufrunde viel Müll herumliegen würde.“ 

Es stimmt also: dass man nur ein ­wenig genauer hinschauen muss. Dann sehe man auch, was viele Mitmenschen einfach an Ort und Stelle „entsorgen“. Elizabeth Toth ist Gründerin des Umweltschutzvereins „Green Heroes“ in Wien, hat Plogging 2018 nach Österreich gebracht und ist auch Initiatorin der „Plogging World“, eines Welttags des Ploggings, der heuer am 25. April zum zweiten Mal durchgeführt wird. Plogging ist ein Kunstwort: eine Zusammensetzung aus dem schwedischen „plocka up“, was so viel wie aufheben heißt, und Jogging. Erik Ahlström gilt als weltweiter Begründer der Bewegung, die über die sozialen Medien vernetzt ist. Kurz gesagt: Plogger laufen und sammeln dabei herumliegenden Müll auf. Toth relativiert die Legende rund um Erik Ahlström ein wenig: „Er hat den Namen geprägt und Plogging bekannt gemacht.“ Die Bewegung selbst habe es schon vor dem Jahr 2016 gegeben, als Ahlström und der Begriff erstmals auftauchten.

Die Wienerin selbst begann 2015 im Urlaub beim Joggen damit, am Strand angeschwemmten Müll einzusammeln, erzählt sie. Wieder in Wien zurück, fiel ihr auf, was alles auf den Straßen und städtischen Uferböschungen herumliegt. Sie verweist auch darauf, dass es für viele Wanderer seit Jahrzehnten üblich ist, Müll, der in den Bergen herumliegt, ins Tal mitzunehmen. 2017 wollte sich Elizabeth Toth dann dem österreichischen Team beim ­„World Cleanup Day“ anschließen, einem ebenfalls über die sozialen Medien organisierten weltweiten Flurreinigungstag, an dem Freiwillige in ihren jeweiligen Heimatgemeinden herumliegenden Müll einsammeln. Es stellte sich heraus, dass es in Österreich noch gar kein Team gab. Also gründete Toth die „Green Heroes“ als Umweltschutz­organisation, die heute nicht nur den World Clean­up Day in Österreich vertritt, sondern auch Plogging-Laufrunden und -Events auf die Beine stellt und sich generell für eine lebenswerte Umwelt engagiert.

Warum überhaupt ploggen?
Natürlich stellt sich die Frage: Warum soll man Müll im städtischen öffentlichen Raum einsammeln, wenn in Österreich die Müllentsorgung und -trennung doch vergleichsweise gut funktioniert? Und weltweit – Stichwort Klimawandel – sicherlich größere ökologische Probleme zu lösen sind? Einen Teil der Antwort lieferte mir einerseits schon mein Plogging-Selbstversuch: Nach 6 Kilometern war mein Sackerl prall voll. Die Green- Heroes-Gründerin sagt zu der Frage aber auch: „Als Einzelner hat man in den großen Fragen, etwa der Dekarbonisierung, nur einen begrenzten Einfluss. Also habe ich mich gefragt: Was kann ich zusätzlich zu einem bewussten Lebensstil noch in meinem Leben ändern? Und vor allem mit relativ einfachen Mitteln? Handschuhe und Greifzangen besorgen, mich mit der MA48 in Verbindung setzen und Flurreinigungen organisieren: Das war leicht machbar.“

Bei den ersten Green-Heroes-Events 2018 haben sich rund 30 Freiwillige beteiligt und der Zuspruch stieg rasch an. Beim letzten „World Cleanup Day“ im September 2019 sind rund 150 Personen dem Aufruf gefolgt und sammelten innerhalb von zwei Stunden 488 Kilogramm Müll auf der Wiener Donauinsel. Meist sind es junge Menschen zwischen 14 und 35, die ploggen, sagt Toth. Die Green- Heroes-Gründerin empfiehlt, sich an die Flussläufe im städtischen Raum zu halten: nicht nur, weil an den Uferpromenaden erfahrungsgemäß viele Menschen unterwegs sind, die entsprechend viel Mist hinterlassen, sondern auch, weil der Müll, der von Uferböschungen in die Flüsse gelangt, sein Endlager in den Weltmeeren findet. 

Vom Buttermilchpackerl bis zur Wodkaflasche gab die Grazer Murpromenade auf meiner Plogging­runde alles Mögliche her. „Man findet wirklich alles“, berichtet auch Elizabeth Toth. Meistens sei es Verpackungsmüll, der die städtischen Wege und Grünstreifen verunstaltet – aber auch Matratzen, Zelte, ein Brecheisen, Unterwäsche und vieles mehr haben die Green Heroes bereits in der Natur eingesammelt, getrennt und der ordnungsgemäßen Wiederverwertung bzw. Entsorgung zugeführt. Und nur ein Hinweis zum verbreiteten (Irr-)Glauben, dass Österreichs Recyclingsystem sowieso besser funktioniert als im Rest der Welt: „Ein Verpackungspfand wie in Deutschland würde viel helfen und ist eines der Anliegen, für die wir uns einsetzen“, sagt Elizabeth Toth. Noch eine Erkenntnis: Als Plogger muss man den einen oder anderen Blick (neugierig? belustigt? anerkennend?) aushalten. „Man wird schon immer wieder angesprochen und die allermeisten Rückmeldungen sind positiv“, bestätigt Toth.

Ploggen ist ganz einfach
Die Green Heroes wurden im Vorjahr übrigens mit dem österreichischen „Green Event“-Preis ausgezeichnet: nicht nur, weil sie die Umwelt säubern, sondern auch, weil sie ihre Events in Hinblick auf größtmögliche Nachhaltigkeit organisieren. In Schulen und Kindergärten bieten Elizabeth Toth und die anderen Green Heroes Workshops an, um die Anliegen weiterzutragen. Wer auch ploggen möchte, der nehme also einfach ein Mistsackerl und renne los. Oder man schließt sich am 25. April einer Gruppe bei der „Plogging World“ an. Dieser von Österreich ausgehende Plogging-Welttag wurde bei der Premiere im Vorjahr in über 70 Städten und Gemeinden weltweit umgesetzt, für die zweite Auflage am 25. April sind bereits über 110 weltweite Gemeinden angemeldet. Wer seinen Heimatort auf der Liste noch nicht findet, dem helfen die Green Heroes auch, einen Event auf die Beine zu stellen.

Hier findest du alle Infos: www.ploggingworld.org

Elizabeth Toth
Elizabeth Toth

ist Gründerin der Umweltschutz­organisation Green Heroes ­Austria und Initiatorin der ­„Plogging World“ am 25. April. 
www.greenheroes.at
www.ploggingworld.org
www.facebook.com/greenheroesaustria