Mit nicht einmal 22 Jahren sorgt Laura Stigger im MTB-Cross-Country-Weltcup regelmäßig für Furore. Warum der Bikesattel ihre Welt und jedes Training auch eine Genusstour für sie ist.
Stimmts, dass du schon mit sieben Jahren dein erstes Mountainbikerennen bestritten hast?
Das stimmt – meine Begeisterung füs Mountainbiken wurde schon als kleines Mädchen geweckt, als ich die Nachbarsbuben bei uns zu Hause vorbeistrampeln gesehen habe. Ich wollte das unbedingt auch machen. Mit sechs zu Ostern habe ich mein erstes Bike bekommen. Ein Jahr später war mein erstes Rennen in Sölden.
Und in welchem Alter war dir endgültig klar, dass das dein Sport ist?
Das war für mich schnell klar. Ich habe mich am Mountainbike sofort wohlgefühlt, wollte am liebsten jeden Tag damit fahren. Natürlich weiß man als Kind noch nicht, wohin der Weg irgendwann führen wird. Aber meine Familie hat mich von Beginn an fantastisch unterstützt, ist mit mir zu den Rennen gefahren. Ohne diese Unterstützung wären die späteren Erfolge nie möglich gewesen. Meine Eltern und mein Bruder sind heute noch eine ganz wichtige Hilfe für mich, dafür bin ich extrem dankbar.
Denkst du dir manchmal, dass du als MTB-Profi den besten Job der Welt hast? Oder hat das Profileben wie jeder Job Vor- und Nachteile?
Ohne Frage ist es für mich der beste Job der Welt – wobei ich meine sportlichen Aktivitäten nicht als Job sehe. Ich lebe meine Leidenschaft, bewege mich ständig in der Natur. Was kann es Schöneres geben? Noch dazu bietet das Tiroler Oberland fürs Mountainbiken herrliche Möglichkeiten. Von meinem Heimatort Haiming aus erreiche ich alle Routen problemlos und kann mich im Gebirge dann richtig verausgaben.
Du hast dich mal als „brutal ehrgeizig“ beschrieben. Worin äußert sich dieser Ehrgeiz?
Wer im Sport erfolgreich sein will, muss ehrgeizig sein. Dieser Ehrgeiz muss allerdings auch kanalisiert werden. Man darf es nicht übertreiben. In erster Linie geht es darum, an Tagen, an denen etwa das Training nicht so leichtfällt, den inneren Schweinehund zu überwinden und trotzdem Gas zu geben. Das gilt auch für die Renneinsätze. Es gibt etwa im Weltcup viele Unbekannte, die man im Voraus nicht abschätzen kann. Wenn es dann mal in der Startphase nicht so gut läuft, muss ich mich mit dem nötigen Ehrgeiz wieder weiter nach vorne kämpfen.
Gehst du also im Training mit dem gleichen Ehrgeiz wie in einem Rennen zu Werke – oder gibt die Rennsituation noch einmal einen Extrakick?
Ein intensives Training ist die Grundvoraussetzung, um in den Rennen Leistung abrufen zu können. Darüber muss man sich im Klaren sein. Dementsprechend ist der Ehrgeiz auch im Training ungebrochen. Außerdem trainiere ich oft mit meinem Bruder Lars – und wir pushen uns gegenseitig. Klar ist ein Training nicht mit einem Rennen vergleichbar, in dem ich gegen die stärksten Fahrerinnen der Welt um Top-Platzierungen kämpfe. Da spielen dann auch taktische Überlegungen eine Rolle, ich muss auf verschiedene Rennsituationen reagieren. Aber die Basis für alles ist und bleibt das Training.
Kannst du dein übliches Training ein wenig skizzieren?
Das sogenannte „übliche“ Training gibt es nicht, weil es sehr stark variiert. In der Saisonvorbereitung wird völlig anders trainiert als während der Saison. Da kommt es dann auch darauf an, für die nötige Regeneration zu sorgen. Es hilft ja nichts, wenn ich täglich stundenlang am Bike sitze und dann irgendwann im Rennen platze. Wichtig ist, auf seinen Körper zu hören. Mit der nötigen Erfahrung weiß ich inzwischen ganz gut, wann ich pushen und wann ich rausnehmen muss. Es macht sicher auch für Freizeitbiker Sinn, das Rad mal in die zu Ecke stellen.
Hältst du dich immer strikt an deinen Trainingsplan oder änderst du ihn auch einmal spontan ab?
Dazu tausche ich mich täglich mit meinem Trainer Rupi Scheiber aus. Gemeinsam werten wir die Daten aus und legen fest, welche Schwerpunkte jeweils gesetzt werden müssen. Dementsprechend ist der Plan ständig variabel. Es macht keinen Sinn, stur ein Programm durchzuziehen. Natürlich ist auch eine Abstimmung auf die anstehenden Rennen nötig: Jede Strecke im Weltcup hat ihre speziellen Herausforderungen, auf die man eingehen muss.
Wie würdest du deine Beziehung zu deinem Bike beschreiben: Ist die eher pragmatisch, das Bike für dich einfach ein Arbeitsmittel? Oder ist da auch viel Emotion dabei?
Natürlich ist mein Bike ein Arbeitsmittel – aber eines, das gehegt und gepflegt werden muss. Geht es meinem Specialized S-Works Epic gut, geht es letztlich auch mir während der Rennen gut. Also ist schon auch Emotion mit im Spiel. Der wichtigste Mann ist da mein Mechaniker Peter vom Team Specialized Factory Racing. Er sorgt stets dafür, dass das Bike im wahrsten Sinne des Wortes wie geschmiert läuft. Außerdem ist er der Spaßvogel im Team, der mit seiner lockeren Art für gute Stimmung sorgt.
Bleibt dir auch mal Zeit für reines Genussbiken? Wie schaut dann deine perfekte Tour aus?
Ganz ehrlich: Für mich ist jedes einzelne Training Genussbiken! Ich liebe es, mich in der Natur zu bewegen. Und die ist bei uns in Tirol auch noch besonders schön. Wenn ich mich mit dieser Freude auf mein Mountainbike schwinge, ist eigentlich jede Ausfahrt die perfekte Tour zu eben diesem Zeitpunkt.
Es heißt, dass du schon einmal E-Biker „erschreckst“, indem du sie bergauf überholst. Wie siehst du den E-Bike-Boom im Freizeitsport?
Diesen Boom sehe ich absolut positiv. Die E-Bikes ermöglichen es noch viel mehr Menschen, den Mountainbikesport auszuüben. Wenn sich Menschen bewegen, ist das auch ein wichtiger Faktor für mehr Gesundheit. Wichtig ist nur, dass sich E-Biker auch bewusst sind, dass sie nicht unverwundbar sind. Wer mit elektrischer Unterstützung jeden Berg hochkommt, muss da auch wieder runter. Und bitte auch darauf achten, dass die Ausrüstung passt: Vor allem ein Helm ist auch beim E-Biken absolut unverzichtbar.
Was wünschst du dir sportlich kurzfristig und auf längere Sicht?
Mein Ziel vor der Saison war es, mehr Konstanz in meine Leistungen zu bringen. Das ist mir im ersten Saisondrittel gut gelungen. Ich war mit den Ergebnissen in dieser Phase sehr zufrieden. Es geht darum, dass ich mich weiterhin im Feld der weltbesten Fahrerinnen behaupte und weiterhin Spaß daran habe, mich mit den Stars der Szene zu messen. Mittelfristig ist es natürlich auch ein Ziel, mich wieder für die Olympischen Spiele 2024 in Paris zu qualifizieren.
Nachdem du 2018 in deinem ersten Straßenrennen WM-Gold bei den Juniorinnen geholt hast: Wird man dich vielleicht auch wieder einmal am Rennrad siegen sehen?
Im Grundlagen-Ausdauer-Training ist das Rennrad ja ein ganz wesentlicher Faktor. Was Renneinsätze angeht, hängt es vor allem am Faktor Zeit. Wenn die Möglichkeit besteht, kann ich mir natürlich vorstellen, auch wieder an Rennrad-Events teilzunehmen. Ob es dann zum Sieg reicht, steht auf einem anderen Blatt Papier. Im Gegensatz zu Mountainbike-Rennen sind diese Events deutlich mehr von taktischen Dingen geprägt. Schauen wir mal, was die Zukunft bringt.