Freeriden fasziniert. Es ist aber auch „ein Balanceakt zwischen Schönheit und Gefahr“ – wie Freeski-Profi Sandra ­Lahnsteiner sagt. 
Die Lösung für weniger versierte, die nicht nur Sicherheit, sondern mehr Spaß verspricht: sich einem Profi-Freerideguide anzuschliessen.

Christof Domenig
Christof Domenig

Frühmorgens an der Talstation in Hochfügen. Noch hängt Hochnebel über dem Tiroler Zillertal, aber die Sonne blinzelt da und dort schon durch, die Landschaft ist über Nacht frisch angezuckert. Das verspricht ein cooler Tag zu werden! Kevin Benk nimmt die sechs in Empfang, die sich ihn für heute als ihren Freerideguide gebucht haben. Eine ziemlich homogene Gruppe, weiß der Guide schon. Die tägliche ausführliche Tourenplanung – ein wesentlicher Teil der Arbeit als Guide – ist ebenfalls erledigt, der Tagesablauf grob im Kopf. Ein kurzer Materialcheck folgt bei allen, ohne LVS-Gerät, Sonde und Schaufel geht niemand mit ins Gelände. Die Erwartungshaltungen sind abgesteckt, rein in die Gondel, es kann losgehen!

Noch vor dem ersten Schritt des Tages in den freien Skiraum abseits der Pisten haben die sechs Freerider schon die erste gute Entscheidung getroffen: sich gemeinsam für einen Tag mit einem professionellen Guide zu entscheiden. Das macht nur eine Minderheit der vielen, die mittlerweile am liebsten abseits der Pisten unterwegs sind. Dabei sind gute Entscheidungen generell das Um und Auf, wenn es ins winterliche Gelände geht  – und damit sind wir schon bei einem kritischen Punkt: Denn nicht alles, was draußen auf den unpräparierten (im Idealfall: Pulverschnee-)Hängen abgeht, findet die Zustimmung derer, die sich wirklich mit der Materie auskennen. Patrick Ribis, Berg- und Skiführer aus dem Tiroler Stubaital und seit 25 Jahren im freien Skigelände unterwegs, sagt dazu: „Es gibt heute zwei Lager – die Freerider mit komplettem Equipment und jene, die ohne jedes Equipment nachfahren. Die gehen aber ein hohes Risiko ein –  denn klar: Ohne Equipment kannst du im Notfall auch nicht gefunden werden. Viele konsumieren heute den Powder leider auf eine sehr egoistische Art und Weise.“

Sandra Lahnsteiner, Freeride-Profi wie auch Coach in Freeridecamps aus dem Salzburger Gasteinertal, kann einerseits gut verstehen, warum das Freeriden sich fix im Freizeitsport etabliert hat und nach wie vor Jahr für Jahr weiteren Zulauf findet. „Die Faszination, die Freude am Tiefschneefahren hat es ja immer schon gegeben. Jetzt wird die Menge der Ausübenden aber immer größer, weil das Fahren mit den breiten Skiern viel leichter ist und weil es auch neuen Kommunikationstools gibt, die die Sache erleichtern.“

Auch sie sieht allerdings ebenso die Kehrseite: „Der Zugang ins Gelände ist einfacher geworden, die Gefahr aber gleich groß geblieben. Eigentlich müsste sich jeder bewusst sein, dass es immer ein Balanceakt zwischen der Schönheit da draußen und der Gefahr ist. Leider ist es offensichtlich vielen jedoch nicht bewusst. Ich sehe oft Dinge, die mich dazu veranlassen, meinen Mund aufzumachen – nicht selten kriegst du dann leider bloß eine patzige Antwort zurück.“

Investition in den Spaß
Belassen wir es vorerst dabei, denn die Lösung läge nahe. Neben einer vollständigen Sicherheits-Ausrüstung – neben LVS-Gerät, Sonde und Schaufel gehört für Sandra Lahnsteiner auch ein Airbagrucksack unbedingt dazu – sollte es selbstverständlich sein, sich nur dann ins freie Skigelände zu begeben, wenn man entweder selbst das Risiko und die Gefahren kompetent einschätzen kann, oder im anderen Fall, wenn man sich Menschen anschließt, die das können. Und wer das garantiert kann, das sind professionelle, ausgebildete und staatlich geprüfte Skiführer, wie die Freerideguides amtssprachlich heißen. In allen bekannten Freerideskigebieten kann man solche buchen und ist damit auf der sicheren Seite.

Ein Guide ist aber eben nicht nur eine Investition in die Sicherheit, sondern nicht minder in den Spaß und die Qualität des Erlebnisses. „Wenn ich selbst in einem Gebiet unterwegs bin, wo ich mich noch nicht auskenne, rufe auch ich als Erstes einen lokalen Guide an“, sagt selbst Freeski-Profi Sandra Lahnsteiner. Es liegt auf der Hand: Ein Guide weiß, wo zu welcher Tageszeit und bei welchen Bedingungen die besten Hänge eines Gebiets sind (und ob sie auch sicher zu befahren sind). Oder wo es den besten Schnee gibt: Auch nach längeren Zeiträumen ohne Schneefall gibt es in den großen Gebieten noch Plätze, die noch nicht zerfahren sind – man muss sie nur kennen und finden und die Sicherheitslage dort einschätzen können. 
Der Guide kann aber auch das Fahrkönnen seiner Gruppe einschätzen und weiß, welches Gelände zum Können passt – und wann aller Wahrscheinlichkeit nach der Spaß aufhört und Überforderung einsetzt. Oder er kann wertvolle Tipps zur Fahrtechnik geben: „Die Lernkurve ist mit Guide auf alle Fälle viel steiler“, sagt Patrick Ribis dazu. 

Kurz gesagt: Man spart sich mit einem Guide jede Menge Leerlauf, kann sich aufs Fahren und Genießen konzentrieren. Und das alles gilt für Einsteiger ins Geländeskifahren, aber genauso für Fortgeschrittene. Apropos Einsteiger: Was sollte man an Vorkenntnissen und Fahrkönnen eigentlich mitbringen, bevor man sich einer geführten Gruppe anschließt, damit man nicht zum „Bremsklotz“ seiner Gruppe wird? „Man sollte rote Pisten sicher befahren können und schwarze Pisten halbwegs dynamisch“, erklärt Patrick Ribis. Und fügt jedoch gleich hinzu: „Erfahrung kommt von Fahren“. Also: Übertriebene Scheu braucht es nicht, jeder hat einmal angefangen. 

„Je mehr Vorkenntnisse man ansonsten hat, desto vorteilhafter, zum Beispiel in der Handhabung des LVS-Geräts“, sagt der Hochfügener Guide Kevin Benk. „Nicht unwichtig ist eine gewisse Grundkondition“, gibt Patrick Ribis weiters zu bedenken. „Oft ist die Skitechnik gut und die Kondition der Punkt, wo sich der Spreu vom Weizen trennt. Wenn man bereit ist, nicht nur liftunterstützt unterwegs zu sein, sondern auch einmal 300, 400 Höhenmeter aufzusteigen, dann erweitert das die Möglichkeiten deutlich.“ 

Traumjob mit Verantwortung
Seit rund zehn Jahren hat sich Kevin Benk, der mit Partnern mehrere Skischulen unter anderem im Tiroler Zillertal betreibt, ganz aufs Guiding im freien Skigelände spezialisiert. Kaum ein Tag, an dem er zwischen Dezember und Mai nicht im Gelände ist, erzählt er – entweder zum Check der Schnee- und Sicherheitslage oder mit einer Gruppe. Klingt schwer nach Traumjob, oder? „Es gibt viele Tage, wo ich mir denk, was für einen geilen Job ich hab“, sagt Benk. Manchmal könne es aber auch mühsam sein, sagt er auch. Aber unabhängig davon – immer ist der Job ein ständiges Abwägen der Schnee- und Lawinensituation genauso wie das Umgehen mit Befindlichkeiten der Gruppe.

Ob es manchmal auch schwierige Charaktere in einer Gruppe gäbe – oder Erwartungen, die man etwa aus Sicherheitsgründen nicht erfüllen kann? „Das steht und fällt alles mit der Kommunikation“, erklärt Benk. Patrick Ribis bestätigt: „Sicherheit steht an oberster Stelle, dafür ist der Bergführer da und das wird gleich zu Beginn abgesteckt. Alle Standards müssen eingehalten werden. Mit der richtigen Taktik kannst du dann schon einiges herausholen“.

Sandra Lahnsteiner, mit ihrer Kollegin Sabine Schipflinger öfters mit reinen Frauengruppen unterwegs, kann eher von gegenteiligen Erfahrungen berichten – dass viele sich weniger erwarten, als sie dann in der geführten Gruppe erleben, und am Ende des Tages Begeisterung herrscht. „Es ist extreme Offenheit zu spüren, Wissbegierde – und das durch die Bank bei einer Altersrange der Teilnehmerinnen von 16 bis 56“, sagt Lahnsteiner. Sie unterstreicht auch den Vorteil reiner Frauengruppen: „Sind Frauen mit den Jungs unterwegs, ist es meist so, dass die Jungs wo runterspringen und die Frauen die Passage umfahren. Wir kriegen oft die begeisterte Rückmeldung: Wahnsinn, ich hätte mir nie gedacht, dass ich mich nach drei Tagen wo runterzuspringen traue.“

Viele gute Gründe also für die Entscheidung zum Freeriden mit Guide. Was kostet es aber? Die üblichen Tages­tarife bewegen sich zwischen 300 und 400 Euro in kleiner Gruppe. Ein Invest­ment, das aber eben wirklich Sinn macht. Sandra Lahnsteiner formuliert es so: „Wie viele schöne Tage hast du wirklich im Gelände? Mit Guide kannst du aus deiner begrenzten Zeit die bestmögliche Qualität herausholen.“

Sandra Lahnsteiner
Sandra Lahnsteiner

ist Profi-Freeskierin und Freeride-Filmproduzentin aus dem Salzburger Gasteinertal sowie Mitveranstalterin und Coach in Freeridecamps.
www.shades-of-winter.com

Was macht das Gasteinertal als Freeride-Spot aus:
„Ein extrem riesiger Spielplatz, der gar nicht so als Freeridespot wahrgenommen wird. Sportgastein hat die höchsten unvergletscherten Berge Salzburgs und unterschiedlichste Expositionen, Dorfgastein lieblicheres, aber nicht minder schönes Gelände.“ 
www.gastein.com

Kevin Benk
Kevin Benk

ist staatl. geprüfter Skilehrer und Skiführer, Skischulleiter und Gesellschafter mehrerer „skiCHECK“­-Skischulen in Tirol. Seine Homebase ist Hochfügen.
www.skicheck.at

Was macht den Freeride-Spot Hochfügen aus?
„Hochfügen ist genial, unter anderem wegen seiner Kessellage mit den völlig unterschiedlichen Hangausrichtungen. Die Vielfalt von flachen bis steilen und felsdurchsetzten Hängen ist einfach ein Traum.“
www.hochfuegenski.com  

Patrick Ribis
Patrick Ribis

ist Berg- und Skiführer aus dem Tiroler Stubaital und betreibt das Freeride Center Stubai.
www.freeridecenter-stubai.at

Die Vorzüge des Freeridespots Stubaier Gletscher beschreibt er so:
„Die Höhenlage, die vielen Rundtouren, die lange Saison und die vielen Möglichkeiten, wo du dich bewegen kannst. Bei 1500 Meter Höhenunterschied findest du immer großartigen Schnee. Und natürlich begeistern die endlos langen Abfahrten.“