Auf die Plätze, fertig, los! Laufevents erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. SPORTaktiv hat sich die Szene näher angeschaut: Welche Formate boomen, welche gehen zurück? Wohin strömen die Läufermassen? Und was ­müssen Veranstalter bieten, um Jahr für Jahr erfolgreich zu sein?

Von Klaus Molidor


Der Startschuss war gleich ein Knaller: Mit dem Linz Marathon und dem Vienna City Marathon stiegen im April in nur 15 Tagen die beiden größten Lauf-Events des Landes. Also gleich in der ersten Saisonphase. Doch längst sind es nicht mehr nur die großen Straßenläufe, die um Teilnehmer buhlen: Vor allem Trail- und Fun-Läufe erfreuen sich stets wachsender Beliebtheit. Und dazwischen gibt es auch noch die vielen kleinen Dorfläufe landauf, landab.

Zum Start der Hochsaison der Laufevents wollen wir einmal einen Blick auf die Szene werfen – denn da stellen sich schon ein paar interessante Fragen: Wie entwickelt sich die heimische Lauf-Eventszene, was wünschen sich Wettkampfläufer – oder wie halten sich die Kleinen zwischen den boomenden Großen über Wasser? Ein analytischer Rundblick über Österreichs Laufeventszene sozusagen – von der Straße bis zum Gipfel, vom Einsteigerlauf bis zum 110-Kilometer-Bewerb für die ganz Harten.


DER STATUS QUO
Beginnen wir einmal bei den klassischen Straßenmarathons: Wien und Linz sind also die Riesen in der Szene. Mit einigem Abstand gehören in Österreich auch noch die Marathons in Salzburg (7. Mai), der Wachau (17. September) und Graz (8. Oktober) zu den Großen. Und – ohne klassische Marathondistanz, aber mit eigenem Flair – „Kärnten Läuft" (18.-20. August) mit dem Halbmarathon am Wörthersee als Highlight.

Stichwort „ganzer" und „halber" Marathon: Bei allem Jubel über Rekordstarterfelder ist es kein Geheimnis, dass die Zahl der Startenden über die klassischen Marathondistanz sinkt. Der Vienna City Marathon etwa hatte bereits im Jahr 2001 seinen Höhepunkt über die 42,195 Kilometer. In der Ergebnisliste von damals findet man auch Anton Wippel, selbst seit vielen Jahren Läufer – und seit fast ebenso langer Zeit Veranstalter einer breiten Palette von Laufevents – etwa dem Graz-Halbmarathon, dem 24-Stundenlauf in Irdning oder dem Snow-Run Planai. „2001 sind in Wien alleine in meiner Klasse M35 1.800 Marathonläufer ins Ziel gekommen", erinnert er sich. Ingesamt durften sich damals 9.215 Damen und Herren als Marathon-Finisher bezeichnen. 2016 waren es 6.501. Lange Zeit aufgefangen wurde das Minus des Ganzen mit einem Plus beim Halbmarathon. Waren bei der Erstauflage in Wien 1997 gerade einmal 2.052 im Ziel, so haben im Vorjahr 13.316 den „Halben" erfolgreich absolviert. Doch auch da wurde in Wien der absolute Höhepunkt – im Jahr 2013 – überschritten. Zuwächse passierten in jüngsten Jahren also bei den noch kürzeren Distanzen.


Anton Wippel sieht mehrere Gründe für diese Entwicklungen: „Für viele war es in der Vergangenheit ein Ziel, einmal im Leben einen Marathon zu laufen. Wer das schon erreicht hat, wechselt dann zu den kürzeren Distanzen." Den Events gehe der Nachwuchs nicht aus, betont Wippel auch: „Laufen wird sogar immer jünger, aber die klassische Marathondistanz ist für die neue Generation nicht mehr so attraktiv." Das erfahre er in der Praxis bei seinem Heimatverein ATV Irdning und als Vizepräsident der steirischen Leichtathletik-Verbands.

Einen Erklärungsansatz, warum das so ist, hat Wippel auch: „Der Druck im Berufsleben ist enorm gestiegen. Nach einem harten und stressigen Tag im Büro überwindest du dich nicht so leicht zu einem strukturierten und zeitaufwändigen Marathontraining." Die Vorbereitung auf einen Halb- oder Viertelmarathon lassen sich eben viel leichter bewerkstelligen.

DIE ZUKUNFT
Warum aber geht es bei den international bekannten Marathons dennoch immer weiter nach oben? „Die ganz Großen wie Berlin, London, Paris, New York sind Selbstläufer. Ab einer gewissen Größe ist das einfach so."

Aus seiner Erfahrung gibt er den Stadtläufen aber auch etwas mit auf den Weg. „Es reicht nicht, immer das Gleiche zu machen. Die Leute wollen etwas erleben, sie wollen Abwechslung und einen Marathon auch mit Kultur verbinden." Dafür dürfe man sich nicht nur an die lokale Community richten, sondern müsse versuchen, Starter von außerhalb anzuziehen, „die eine Reise zum Marathon auch gleich mit einem Urlaub verbinden."

WO HERZBLUT ZÄHLT
Wie aber können sich heute kleinere Läufe in der Fülle von Veranstaltungen durchsetzen? „Oft weiß man gar nicht, warum der eine Lauf funktioniert und der andere nicht", meint Wippel. „Was sicher hilft, sind Alleinstellungsmerkmale: Eine besondere Strecke, ein Abendlauf, ein spezielles Rahmenprogramm. Vor allem aber merkst du, ob ein Verein dahinter steckt, bei dem die Mitglieder mit Herzblut bei der Sache sind."

Ein Beispiel dafür ist der Stadtlauf in Frohnleiten, einer Kleinstadt nördlich von Graz. Zum 15. Mal geht die Veranstaltung heuer am 24. Juni über die Bühne. „Alle im OK-Team sind Läufer", erklärt Martin Teibinger, der im Tourismusbüro der Stadt arbeitet und ebenfalls an der Organisation des Laufs beteiligt ist. Neben den Distanzen für Erwachsene über 9,6 bzw. 4,8 Kilometer gibt es auch eine große Zahl an Kinderläufen. „Und jedes Kind bekommt einen Pokal. Es gibt für die Kleinen nichts Schöneres", sagt Teibinger. Dadurch werde der Lauf für die ganze Familie attraktiv. „Wichtig ist aber auch das Rahmenprogramm, bei dem wir uns jedes Jahr etwas Neues, Originelles einfallen lassen." Heuer gibt es Gratis-Massagen auch für Zuschauer.

Eine Rolle spielt aber auch die Lage. „Du musst gut erreichbar sein, nicht weit von der Autobahn entfernt und ausreichend Parkplätze haben. Damit vergrößert sich das Einzugsgebiet erheblich", sagt Teibinger. Alles Punkte, die der Stadtlauf erfüllt und daher seit vielen Jahren stabil bei rund 500 Teilnehmern liegt. „Aber Selbstläufer ist es keiner: Wir müssen jedes Jahr aktiv werben, Plakate und Flyer drucken, Inserate schalten und schauen, dass die Leute auch nach dem Lauf sitzen bleiben und ein bisschen feiern." Ist die Atmosphäre und das Rundum-Paket gut, werden Teilnehmer leichter zu Wiederholungstätern.

ULTRA UND TRAIL
Auch das ist kein Geheimnis: Bei Trailrunningevents gibt es die größten Zuwächse. Trail- und Ultratrailläufe (jenseits der Marathondistanz) scheinen in den letzten Jahren aus dem Boden zu schießen – und mühelos ihr Klientel zu finden. „Der Zulauf hat sicher damit zu tun, dass die Leute wieder raus in die Natur wollen", sagt Anton Wippel. Der aber auch eine andere Theorie hat: „Die Läufe sind untereinander nicht so leicht vergleichbar wie Straßenläufe, allein aufgrund der Höhenprofile. Man kann die Geschwindigkeit pro Kilometer nicht vergleichen und der Druck, den man sich selbst macht, fällt weg."

Anders als bei Marathons geht hier der Trend nicht zur Kürze: Einer großen deutschen Trailrunning-Studie zufolge wünscht sich der Großteil der Protagonisten Strecken zwischen 50 und 80 Kilometer, mit durchaus anspruchsvollem Höhenprofil. Als der Traunsee Bergmarathon zum ersten Mal stattfand, sprach man noch gar nicht vom Traillaufen – trotzdem passt der 70 Kilometer lange Lauf perfekt in das Wunschschema. „Es geht bei uns nicht so sehr um den Wettkampf, als viel mehr um das Erlebnis", sagt Organisator Harald Buchinger, dessen Lauf heuer (30. Juni bis 1. Juli) zum 29. Mal stattfindet.


„Bei so einem Rennen läufst du ja nicht nur", betont aber Hubert Resch vom „Großglockner Ultra Trail". „Die Leute traben, wandern, gehen, bleiben auch einmal stehen. Es ist weniger der Kampf gegen die Uhr, als vielmehr der Kampf gegen sich selbst." Auch Resch bestätigt, dass Trail- und Extremläufe zunehmen. „Neu ist der Trailrunning-Boom aber nicht. In Spanien, der Schweiz und vor allem Frankreich ist das schon lange ein Riesenthema." Jetzt komme der Trend einfach auch bei uns an.

EIN HELFER FÜR JEDEN LÄUFER
Beim Glockner-Ultra-Trail (21.-23. Juli) geht es gleich 110 Kilometer weit – da wird dann die Zielgruppe schon klein. „Anfangs hatten wir um die 300 Läufer aus aller Welt – und fast mehr Helfer und Mitarbeiter." Denn solche Veranstaltungen seien logistisch extrem herausfordernd.

„Wir haben vier Ärzte, 60 Posten der Bergrettung besetzt, alle 15, 20 Kilometer einen Posten mit Unterstand", rechnet Resch vor. Dazu ist er ständig mit einem Meteorologen in Kontakt. Für Schlechtwetter-Einbrüche gibt es mehrere Varianten, um die Läufer umzuleiten. Die Langsamsten reizen das Zeitlimit von 31 Stunden aus und sind, nachdem am Freitag um 23 Uhr gestartet wird damit zwei Nächte hintereinander unterwegs. Und statt des Besenwagens großer Straßenläufe gibt es Schlussläufer. „Mehrere natürlich", erzählt Resch, „denn das kannst du ja nicht einem alleine zumuten."

Natürlich gibt es auch beim Großglockner Ultra Trail Einsteiger-Distanzen über 50 und 30 Kilometer, sowie die Zweierstaffel für den ganzen Lauf. „Über die kürzeren Distanzen können sich Interessierte herantasten."

LOCKERES MITEINANDER
Bleiben noch die Funläufe mit künstlichen Hindernissen wie dem „Dirtrun", dem „Grazathlon", dem „Strongman Run" usw. – die ebenfalls auf großes Interesse stoßen. „Stimmt, auch bei uns gehen die Teilnehmerzahlen nach oben", bestätigt Elisabeth Hartl von Flachau Tourismus. Beim „StrongmanRun Flachau" (15. Juli) geht es neben der Natur aber auch durch Röhren oder über meterhohe Bretterhindernisse. „Das ist einfach eine Gaudi", sagt Hartl. Das spürt man schon am Start: Kein nervöses Zappeln, kein Tunnelblick, sondern gemeinschaftliche Vorfreude herrscht dort.

„Solche Läufe passen für eine breite Schicht", sagt auch Anton Wippel. „Du musst dabei keine 10 oder 20 Kilometer am Stück laufen können, weil nach ein, zwei Kilometern Hindernisse kommen. Dort musst du wegen des Andrangs warten, kannst durchschnaufen, was trinken und weiter geht's." Freilich: Muskelkraft und Kraftausdauer sind bei vielen Hindernissen schon auch gefragt.

Durch die Action wird die Sache jedenfalls auch für die Zuschauer interessant – „und dann haben alle mehr Spaß", weiß Hartl. Und um den geht es schließlich bei allem Wettkampfgedanke – egal ob im Dorf, der Großstadt oder in den Bergen: den Spaß am Laufen ...


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