Markus Kröll (52), Österreichs Traillauf-Pionier aus dem Tiroler Zillertal, über Berglauf einst und Trailrunning heute und seine herausragenden Erlebnisse in der Sportart. ­Er ist ­überzeugt: Trailrunning wird noch viel größer.

Christof Domenig
Christof Domenig

Was war dein erster Kontakt mit dem, was heute als Trailrunning gilt?
Im hintersten Zillertal gibt es seit über 50 Jahren den Steinbockmarsch mit 30 Kilometern und 3000 Höhenmetern. Den bin ich als Kind mit meinem Bruder schon gemeinsam mitmarschiert. Bei den Labestationen waren die Leute natürlich überrascht, dass wir zwei daherkommen – damals bin ich schon von dem Virus infiziert worden.

Wie alt warst du da?
Ich war sieben, mein Bruder noch jünger. Beim Steinbockmarsch gibt es auch einen Uralt-Rekord von mir, aufgestellt mit 24 Jahren, als ich schon Junioren-Weltmeister war: 2:30:17. Seither bemühen sich Athleten vergeblich, da heranzukommen. Dabei gibt es heute viel mehr Forststraßen, damals waren alles noch Steigerl und schmale Wege. Es gibt die wildesten Mythen und Thesen, ich hätte wo abgekürzt. Aber es gibt eben den höchsten Punkt, die Mörchnerscharte, wenn du da von der Zeit nicht dabei bist, kannst du runterlaufen wo du willst, du wirst es nie schaffen.

In der Jugend warst du auch ein starker Bahn- und Straßenläufer. Was hat für den Berglauf gesprochen?
Mehrere Gründe – erstens: Im Berg­lauf ist nachher einfach zusammengesessen, gefeiert, diskutiert worden. Heute spricht man von der Trail-Community. Im Bahnbereich ist jeder dagesessen, hat auf den Boden geschaut, keiner hat mit dem anderen was geredet. Trainingstechnisch: Ich bin im Bergsteigerdorf Ginzling aufgewachsen, da kannst du vielleicht 200 Meter geradeaus laufen, danach machst du schon Höhenmeter. Unzählige Male bin ich durchs ganze Zillertal nach Schwaz gefahren, um zur einzigen Laufbahn zu kommen.

Trailrunning hat dich jedenfalls bis heute nicht losgelassen ... 
Nach wie vor trainiere ich jeden Tag. Sobald ich aus meiner Werkstatt, wo ich als Vergolder und Restaurator arbeite, raus bin, bin ich in den Bergen unterwegs. Nebenbei bin ich als externer Athletenmanager für Salomon aktiv dabei, um junge Talente zu entdecken, die in den Sport reinpassen. 

Wie war Trailrunning damals im Vergleich zu heute? 
Ein Beispiel: Als ich mich für meine erste Weltmeisterschaft im Berg­lauf qualifiziert hatte, war ich zu 100 Prozent fokussiert und sicher, dass ich der beste Bergläufer der Welt werde. Das war meine Antriebsfeder. Als Junior hatte ich ja alles dominiert. Ich bin 17. geworden, habe geplärrt im Hotelzimmer. Dann habe ich realisiert, wie hart und leidensfähig du sein musst in dieser Sportart. Im Wort Leidenschaft steckt Leiden drin. Ich kann mich auch sehr gut erinnern, wie ich in Italien oder Frankreich oft händeringend eine Telefonzelle gesucht habe, um die Tiroler Zeitungen daheim anzurufen, wenn ich im Weltcup aufs Stockerl gelaufen bin – damit sie wenigstens eine kleine Meldung bringen. Heute stellst du einen Post rein und die ganze Welt weiß es. Das finde ich schon sehr positiv für die jungen Athleten. Und: Wenn man heute die Bilder bei Rennen sieht – da geht dir das Herz auf. Schon als Junger war ich überzeugt, dass es sich zur Massensportart entwickelt, und bin oft dafür belächelt worden.

Du warst immer davon überzeugt?
Immer. Meine Mama haben sie oft angerufen: Dein Bub läuft in engen Strumpfhosen zehnmal eine Steigung rauf und übergibt sich zweimal. Das kann nix Gescheites sein, der muss das lassen.

Stichwort Strumpfhosen – das Material hat sich natürlich auch stark entwickelt. Dein Blick darauf?
Es gibt Fotos von mir beim Dolomitenmann im Schnee – in normalen Straßenlaufschuhen. Heute hast du einen eigenen Laufrucksack, Trailrunningschuhe, Stöcke – aber daneben auch das Wissen über Ernährung, Training. Also es hat sich sehr zum Positiven entwickelt. Und wenn man schaut, wie viele Marken heute einsteigen, Trailschuhe entwickeln, sieht man, welchen Stellenwert Trailrunning gekriegt hat. 

Wie siehst du die starke Dämpfung bei Trailrunningsschuhen, die es jetzt seit ein paar Jahren auch gibt?
Das ist für jeden unterschiedlich, ob Dämpfung und Sprengung passen. Es macht wenig Sinn, 30 Kilometer mit starker Dämpfung und Sprengung zu laufen, aber sehr viel Sinn, wenn ich 100 Kilometer damit laufe. Ich finde es cool, dass die Marken hergehen und speziell für gewisse Distanzen und gewisse Trails eigene Schuhe bauen.

Wenn du ein Highlight aus deinem Leben im Traillaufen heraushebst, was wäre es?
Ein Erlebnis von vor 23 Jahren: Salomon hat weltweite Topathleten ins Gebiet unter den Mont Ventoux in Frankreich gekarrt – Kilian Jornet, Jonathan Wyatt, Francois Guy, Ryan Sanders und auch meine Wenigkeit – und wir haben eine Woche lang Material getestet. Da hab ich mir gedacht: Unglaublich, was da entstehen kann und wird. Greg Vollet, heute Boss der Golden Trail Series, hat damals vorausgesagt: Es wird eine Dynamik annehmen wie beim Radsport auf der Straße. Es werden sich Teams von Marken herauskristallisieren, wie es sie heute von Salomon, adidas Terrex, Hoka, Scarpa, La Sportiva gibt. Das ist jetzt wirklich eingetreten.

Du bist 52 und planst etwas im Trailrunning, was du so noch nie gemacht hast. Was wird es sein?
Ich möchte das Gefühl, die Atmosphäre, den Stress und das ganze Drumherum bei einem 100-km-Lauf erleben – also wettkampfmäßig einen 100er laufen. Letztes Jahr war ich immer wieder verletzt, Achillessehnenprobleme, Knochenödem – was ich in 35 Jahren im Wettkampfsport so bisher nicht gekannt habe. Heuer sollte es wieder passen. Ich will das nicht gewinnen oder vorne mitlaufen, sondern das Gefühl, die Atmosphäre, das Drumherum aufsaugen.

Wann und wo steht noch nicht fest?
Es steht deshalb noch nicht fest, weil ich dem wirklich die benötigte Zeit geben will, um fit zu sein, in einer guten Form dazustehen, mich wohlzufühlen. Auch das Wetter soll passen, damit ich das Ganze richtig genießen kann. Wenn nicht heuer, mache ich es nächstes Jahr. 

Du hast zu deinem 50er vor zwei Jahren einen Trail bei dir daheim geschenkt bekommen. Für wen passt der „Krölli-Trail“?
Für mich war wichtig, dass er nicht für Superathleten ist, sondern dass den jeder machen kann. Dass die Leute Kontakt kriegen mit der Sportart; ein Trail mit einer Wahnsinns-Aussicht, wirklich coolen Plätzen, wo man ins Zillertal rausschaut, nach Mayrhofen runterschaut oder nach Ginzling hineinschaut, wo ich aufgewachsen bin. Wo auch eine Hütte dazwischen ist, wo man einkehren und was trinken kann. Das deckt der Trail zu 100 Prozent ab und wer ihn nicht laufen kann, wandert ihn eben. Ehrlich: Ich wollte nie einen Trail mit meinem Namen haben. Dann sind sie vom Tourismusverband zu meinem 50er dahergekommen und haben mir den offiziell geschenkt. Ich wollte nie ein Denkmal – wichtiger wäre mir gewesen, dass es heißt: „Der Kröll war ein cooler, zacher Typ, der den Sport extrem gelebt hat.“ Trotzdem bin ich jetzt irgendwie stolz, dass ich meinen Trail habe, ich laufe ihn auch jede Woche. Wenn ich Leute dort treffe, die auf Social Media dann schreiben, „bin den Krölli-Trail gelaufen“, ist das schon cool.

Wohin geht Trailrunning noch?
Wenn man vom Profisport spricht: dass es noch professioneller wird, dass viele Athleten davon leben können. Und es ist sicher noch nicht das Ende der Fahnenstange im Massenbereich. Es wird noch viel mehr Massensport werden – da bin ich 100-prozentig überzeugt. 

Markus Kröll
Markus Kröll

Geb. am 17. März 1972, gilt der Zillertaler, von Beruf Restaurator, als „der“ Berglauf- und Trailrunning-Pionier in Österreich. Silbermedaillen im Berglauf bei Welt- und Europameisterschaften, ein Junioren-Weltmeistertitel und gesamt sechs Medaillen stehen ebenso in seinem sportlichen Lebenslauf wie etliche Podestplätze im Berglauf-Weltcup und fünfmal Top 5-Plätze im Gesamtweltcup, 17 Staatsmeistertitel oder 7 Siege beim Red-Bull-Dolomitenmann. Sein Heim-Event, den er auch maßgeblich mitverantwortet, ist der „Mayrhofen Ultraks“. Für Salomon ist er nicht nur Athlet, sondern auch Athleten- und Communitymanager.

Instagram: @markuskroell