Schinden macht Spaß und das Überwinden von Hindernissen schweißt – mitunter wildfremde – Menschen zusammen: willkommen in der Welt der Hindernisläufe.
Lucas Kempe hat vor rund zehn Jahren als damals klassischer Bahn- und Straßenläufer die Hindernisläufe entdeckt, auf Anhieb gewonnen und ist dann dabei geblieben. „Ich war Student, hatte kein Geld, aber der Sport hat sich mit dem bisschen Preisgeld selbst finanziert. Er hat mir erlaubt, durch die Welt zu reisen“, erzählt der aus Berlin Stammende über seine Leidenschaft. Ein persönliches Highlight war für ihn die Teilnahme am „World’s Toughest Mudder“ in den USA, ein 24-Stunden-Bewerb, bei dem er und sein Team Vizeweltmeister wurden. Was alle Hindernisläufe für ihn eizigartig macht, ist das Wir-Gefühl: „Eine riesengroße Community von Leuten, die Spaß haben wollen. Selbst wenn sie ums Preisgeld laufen – man hilft sich, unterstützt sich gegenseitig. Das ist es, was dieser Sport verkörpert. Im klassischen Laufen war dagegen immer ein Gegeneinander, ein Hauen und Stechen.“ Heute, fest im Berufsleben stehend, hat Kempe nach wie vor Hindernisläufe around the world fix im Kalender – in Österreich ist es die „Beat the City“-Serie in Linz, Graz, Innsbruck (und heuer erstmals in Wien), die für ihn Fixpunkt ist: „Die Zuschauermassen in den Innenstädten, die Stimmung und die Sightseeing-Elemente sind dabei einmalig.“
Man hilft sich gegenseitig, selbst wenn es ums Preisgeld geht: Das ist es, was dieser Sport verkörpert.
Gemeinsames Erlebnis – das ist auch das Stichwort fürs „Badass Running Team“, das im Salzburger Pinzgau wurzelt, aber Mitglieder aus mehreren Nationen hat. Neben Marathons und Trailevents trifft man sich besonders gern auch bei Hindernisläufen wie dem Erzberg Dirtrun: „Wir sind ein Haufen Verrückter, die das Laufen verbindet“, sagt Robert Gschwandtl, Lehrer und „Badass“-Captain aus Zell am See. „Wir Läufer sind schon irgendwo eine eigene Art von Menschen, aber die Hindernisläufer legen noch ein Schäuferl drauf: Vor allem schinden sie sich ganz gern“, analysiert Gschwandtl schmunzelnd. Das – sich Schinden – geht als Haufen Gleichgesinnter bekanntlich noch ein Stück besser denn als Einzelkämpfer. „Neben einem zweiten Hindernislauf ist der Erzberg für uns das Event des Jahres. Es gibt verschiedene Distanzen, es ist für jeden etwas dabei, es gibt auch eine Teamwertung. Und die Location, die Kombination zwischen hochmodernen Stollen und Bergbau-Geschichte ist einfach genial“, begründet Gschwandtl. „Voll cool ist auch der Spagat zwischen Hindernislauf und Feiern, den sie dort das ganze Wochenende über schaffen.“
Was der Profi Einsteigern rät
Bei Hindernisläufen oder Obstacle Course Runs, wie sie fachsprachlich bezeichnet werden, geht es also in der Regel atmosphärisch ein wenig lockerer zu als bei Marathons und Co, während die sportliche Challenge etwas anders gelagert ist. Neben der Laufleistung sind Oberkörper- und vor allem Griffkraft gefragt. Lucas Kempe hat weitere Hinweise für weniger Erfahrene: „Das Wichtigste ist, mit der Abwechslung zwischen Laufen und Hindernissen umgehen zu können. Wenn man als klassischer Läufer einmal robben muss, das Blut in den Kopf läuft und man das nicht gewohnt ist, wird einem schnell mal schummrig. Das muss man im Vorfeld üben.“ Konkret etwa so: „Im Park mal über die Parkbank springen, irgendwo mal durchkriechen, zwischendurch ein paar Liegestütze oder Burpees machen; auch Trimm-dich-Pfade sind perfekt.“ Sich einen Trainingsplan für Hindernisläufe zu suchen (solche findet man für jede Leistungsstufe im Internet) und danach zu trainieren, hilft, Struktur ins Training reinzubringen, so Lucas Kempe.
Seine Tipps für den Lauf selbst? Nicht zu schnell angehen, „sich mal orientieren und schauen, dass man ein Miteinander findet. Man lernt rasch andere kennen, kann sich gegenseitig helfen und hat ein gemeinsames Erlebnis.“ An den Hindernissen selbst, wo mitunter ein wenig Wartezeit entsteht, hilft es, sich an Vorauslaufenden zu orientieren: „Man sieht schnell, welche Techniken besser funktionieren als andere. Man muss keine Angst haben, es ist alles nicht superkompliziert, nicht gefährlich und macht verdammt viel Spaß.“ Einfach so zum Spaß mitlaufen, die Sache mal ausprobieren, das kann jeder, der halbwegs sportlich ist. Und sollte man ein Hindernis nicht schaffen, gibt es in der Regel bei den Events eine (Zeit kostende) Alternative.
Das Wir-Gefühl
Für die Frauen und Herren vom Badass Running Team geht es bei den Läufen auch immer um die Leistung, sagt Robert Gschwandtl – aber grundsätzlich sieht auch er Teams und Gruppen jedweder Sportarten und Sportlichkeit bei den Hindernis-Laufevents gut aufgehoben. Wobei man sich über die Anforderungen beim Lauf vorab informieren solle: „Es gibt OCR-Läufe mit wirklich schwierigen Hindernissen, die in Richtung Ninja Warrior gehen – und dann solche wie den Erzberg, der ein Lauf für fast jedermann ist. Wenn man sportlich ist, hat man natürlich Vorteile, als Fußballtruppe etwa kann man sich über die 16-km-Distanz trauen. Oder ich probiere einmal die 8 Kilometer mit meiner Firma oder Arbeitskollegen.“ Unterschiedliche Distanzen ab 5 km aufwärts gibt es auch bei fast allen Läufen in der Szene (siehe unsere „Top 20“). Und, so betont Gschwandtl: „Beim Hindernislauf hast du dieses teambildende Element, das Gemeinschaftliche, das Zusammenhalten, das Mut-Zusprechen, weil man sich doch beim einen oder anderen Hindernis auch ein bisschen überwinden muss.“
Robert Gschwandtls abschließender Rat: „Eine coole Truppe zusammenstellen, mit der man sich gut versteht und wo man sich auf die anderen verlassen kann. Und dann einfach Spaß haben. Und Zeit mitbringen, um nicht nur den Lauf, sondern auch das Drumherum zu genießen.“