Gravelbiken ist mehr als nur ein Sport. Es ist ein Lebensgefühl, eine bewusste Entscheidung, das Beste zweier ohnehin unglaublicher Disziplinen zu vereinen. Die Gruppe der aktiven „Graveler“ in Österreich wächst und mit ihr auch das Angebot an Touren in den Urlaubsregionen.

Lara Wulz


Tracy Andersen, Bike-­Guide der Region Mittersill in Salzburg und Gravel-Fan, antwortet auf die Frage nach dem Reiz des Gravelbikens beinahe poetisch: „Man hat das Gefühl, ein Reh zu sein, das durch den stillen Wald rennt.“ Ganz viele verbinden das Graveln gedanklich mit dem Freisein – wie auch Sandra Schneider, Bike-Fachfrau der Tiroler Region Außerfern: „Es ist für mich das Gefühl von Freiheit und purer Lebensfreude“. Oder wie Robert Gölles, Veranstalter vom „33+ Gravelstyria“ in der Region Thermen- und Vulkanland Steiermark: „Graveln bedeutet Freiheit, jenseits ausgetretener (Verkehrs-)Pfade.“

Spätestens seit dem Jahr 2020, in dem der aktive Tourismus in der Heimat wie das Sportbetreiben ab Haustür (den bekannten Umständen geschuldet) nochmals ein Stück attraktiver wurde, ist diese neue Art des Bikens auch in der breiteren Masse angekommen. Genau aus diesem Grund setzen mittlerweile viele Regionen in Österreich auf das Gravelbike, investieren in ein nachhaltiges und gut angelegtes Tourennetz und versuchen den Ansprüchen dieser genießerischen Community von Bike Enthusiasten gerecht zu werden. Dabei steht eines beim Graveln im Vordergrund, weiß Experte Gölles: „Graveln steht für die gesamte Palette des Radsports, ohne dass man unbedingt ein Spitzensportler sein muss. Das Beste aus allen Welten wird da in die Strecken integriert – leichte bis mittelschwere Geländepassagen, deftige, aber kurze Anstiege und Abfahrten und zwischendurch zur Erholung ein Stück Asphalt.“

Doch warum eigentlich Gravel?
Jede Raddisziplin hat ihre Vorzüge. Ob das Kilometer sammelnde Rennrad, das offroadige Mountainbike oder das gemütliche Trekkingbike. Die Möglichkeiten technischer Entwicklungen und Trends sind schier unendlich und das Zweirad nicht ohne Grund so beliebt. Eines der jüngsten Mitglieder der Bike-Familie ist eben das Gravelbike. Die Idee dahinter war eine Kombination aus Straßenrad und Mountainbike, sodass man lange Ausfahrten auch auf auf Schotterstraßen („Gravel ­Roads“) und anderem unbefestigten Untergrund machen kann.

Bike-Guide Tracy Anderson ist gebürtiger Amerikaner und schon seit den Nullerjahren begeisterter Anhänger dieser Sportart: „Gravelbiken kommt aus den USA und ich war von Anfang an stark dabei. Es hat so viel Spaß gemacht: der Rhythmus, die Geschwindigkeit und Distanz.“ Mittlerweile ist diese „Trend-Bike-Art“ in Europa und auch immer stärker in Österreich angekommen. Hier steckt es laut dem Experten zwar noch in den Kinderschuhen, was das Angebot angeht, doch es hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Das Angebot nachhaltiger, legaler Strecken wächst unaufhörlich und auch der Tourismus hat die große Beliebtheit des Schotter-Renners in der Community erkannt.

Der steirische Gravel Event-­Veranstalter Robert Gölles schätzt den Trend vor allem, weil sich dadurch eine Unzahl neuer Strecken-­Möglichkeiten eröffnet: „Noch einsamer, noch abwechslungsreicher. Zudem hat Graveln auch eine einzigartige soziale Komponente. Der  sportliche Druck ist – fast – nicht gegeben und das macht es leichter, gemeinsam neue Wege zu erkunden.“ Einen weiteren Grund, warum Radbegeisterte vermehrt auf Gravel setzen, nennt Sandra Schneider: „Man hat das Gefühl stets auf Reisen zu sein. Dazu kommt noch das Erlebnis inmitten einer atemberaubenden Landschaft.“
 

Urlaub über Stock und Stein 
Immer mehr Regionen sprechen deshalb dieser Tage auch in Österreich die wachsende Gruppe der Gravelbike-Begeisterten als potenzielle Urlaubsgäste an, schaffen Angebote und bieten Ausflugs- und Tourenmöglichkeiten inmitten der schönen Landschaften, die unser Land bekanntlich zuhauf zu bieten hat. Dass die Interpretation des Themas dabei auch etwas unterschiedlich ausfällt, versteht sich – und das beweisen auch die drei Regionen, die wir hier etwas genauer unter die Lupe genommen haben.

Im bergigen Westen Österreichs ist mit „Gravel.Tirol“ im Außerfern (bestehend aus den Tourismusregionen Lechtal, Naturparkregion Reutte, Tannheimer Tal und Tiroler Zugspitz Arena) eine große Gravel-Region enstanden. „Berge, Täler, Pässe, Seen: Die Region mit einem bereits vielfältigen vorhandenen Streckennetz ist wie gemacht für das Gravelbike“, erklärt Sandra Schneider das Angebot der Region Außerfern, „18 Touren, über 1000 Streckenkilometer, mehr als 22.000 Höhenmeter, 58 Unterkunftsbetriebe und zahlreiche Events werden in der Region geboten. Das vielseitige Streckennetz von Gravel.Tirol garantiert für jedes Level die passende Route – Touren von 20 km bis hin zu 130 km sowie von 500 bis 3000 Höhenmetern sind in unserem Angebot. Besonders wichtig ist ein einfacher Einstieg ausgehend von allen Orten der Region sowie die Variations- und Kombinationsmöglichkeit einzelner Touren.“

Etwas weiter Richtung Osten findet man im wunderschönen Salzburger Pinzgau die Gravel Region Mittersill. Laut Bike-Guide Tracy Anderson finden Gravelbegeisterte hier das „atemberaubendste Gravelbiken der Welt“.  Durch den Top-Zustand der Forststraßen kann die Gegend problemlos abseits des motorisierten Verkehrs erkundet werden. Diese führen Gravelbiker durch die Berge und entlang naturbelassender Bäche. Das Tourenangebot ist hier genauso großflächig und bunt wie die Wiesen im Frühling: „Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten für Biker jedes Levels. Auch um eine Tour beispielsweise zu verlängern oder zu verkürzen. Die Touren sind dabei wie Pisten gekennzeichnet. Wir haben Blau, Rot und Schwarz als Schwierigkeits-Niveau der Touren definiert. Die Klassifizierung hängt hauptsächlich von der Länge und den Höhenmetern ab.“ Die Region Mittersill hält damit für verschiedene Könnerstufen ein tolles Angebot bereit.

Wer Graveln noch stärker mit Genuss verbinden möchte, ist im steirischen Süden Österreichs, besser bekannt als Thermen- und Vulkanland, bestens aufgehoben. „Grenz­überschreitendes Gravel-Erlebnis jenseits ausgetretener Touristenpfade. Eine Gastronomie, die höchsten kulinarischen Ansprüchen gerecht wird und auf der anderen Seite urtümliche Buschenschänken mit hervorragenden Köstlichkeiten und noch besseren Weinen. Da erwacht der durchgeschüttelte Körper zu neuem Leben. Wer’s dann noch braucht, findet die finale Erfüllung beim Besuch einer Therme“, beschreibt Gravel Styria-Veranstalter Robert Gölles die Vorzüge der Gravel-Region Südsteiermark. Abgerundet wird das Gravel-Urlaubsvergnügen durch das milde Klima und den Rad-Fokus der Hotellerie: „In der Region kann man frei zwischen Angeboten aller Kategorien wählen. Wenn‘s nach mir geht, würde ich ein Appartement in einem Buschenschank bevorzugen oder ein kleines, feines Rad-Hotel mit diversen Service Benefits.“

Nur mal kurz probieren … 
In allen Regionen gibt es auch die Möglichkeit, Guiding-Angebote zu nützen. Neben geführten Touren, die dem Fahrer-Level angepasst werden, kann man zumeist auch direkt vor Ort Bikes ausborgen und somit auch unbeschwert in das Fahrgefühl Gravelbiken erstmalig eintauchen. Erfahrungsgemäß führt der Weg über den Schotter dann auch mitten ins Bike-Herz – und nicht mehr ­zurück. 

Sandra Schneider

Marketing und Projektmanagement – Gravel.Tirol, Region Außerfern, Tirol

Web: www.gravel.tirol

Tracy Anderson

Inhaber & Guide – Outdoor Austria GmbH, Region Mittersill, Salzburg

Web: www.bikeaustria.com

Robert Gölles

Veranstalter 33+ Gravelstyria, Region Thermen- & Vulkanland, Steiermark

Web: www.steiermark.com/de/Thermen-Vulkanland